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Wie Krisen M&A-Aktivitäten befeuern und was daraus für Carve-outs aus steuerlicher Sicht folgt

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In Krisenzeiten erwägen Unternehmen verstärkt Fusionen und Übernahmen. Doch es gibt viele steuerliche und rechtliche Implikationen.


Überblick

  • In Krisenzeiten müssen Unternehmen nicht nur kurzfristig reagieren, sondern möglichst weitsichtig strategisch entscheiden.
  • M&A-Aktivitäten wie Standortverlagerungen, Unternehmenszukäufe oder Abspaltungen können zur langfristigen Kostenreduktion beitragen.
  • Die steuerlichen und rechtlichen Folgen von Restrukturierungsmaßnahmen sind vielfältig und können stark variieren.

Kaum ist Corona halbwegs überwunden, prasseln die nächsten Krisen auf Deutschland und die hiesigen Unternehmen nieder. Für die Verantwortlichen ist das eine weitere große Herausforderung. Denn es geht nicht nur um kurzfristiges Reagieren, sondern um möglichst weitsichtige strategische Entscheidungen. Wenn hohe Zinsen, rasant gestiegene Rohstoffpreise und Energiekosten den Cashflow strapazieren und beispielsweise geopolitische Risiken darüber hinaus ganze Geschäftsmodelle gefährden, kann dies die gebotene Weitsicht jedoch stark vernebeln.








In Krisenzeiten ist strategisches Denken gefragt – doch hohe Zinsen, rasant steigende Rohstoffpreise und Energiekosten sowie geopolitische Risiken können die gebotene Weitsicht beeinträchtigen.




Umso wichtiger ist es, jetzt den Durchblick zu behalten. Daher empfiehlt sich auch die Unterstützung durch externe Berater. So sollten Unternehmenslenker zum Beispiel stets darauf achten, staatliche Förderprogramme oder technologische und rechtliche Entwicklungen im Blick zu behalten. Gerade in finanziell schwierigen Zeiten können diese immens wichtig sein, selbst wenn sie gegebenenfalls neue Investitions- und Standortentscheidungen erforderlich machen. Hierbei spielt dann wiederum das heute allgegenwärtige Thema Sustainability eine maßgebliche Rolle: Dieses müssen die Unternehmensverantwortlichen, etwa mit Blick auf die Themen „Near- oder Friendshoring“, „Green Deal oder IRA“ oder „ESG und CBAM“, ebenfalls auf dem Schirm haben. 

All diese Faktoren nehmen auch zunehmend Einfluss auf die Target Operating Models (TOMs) der Unternehmen. Diese gilt es kontinuierlich zu überprüfen und gegebenenfalls neu auszurichten, beispielsweise durch Reorganisationsmaßnahmen wie Standortverlagerungen, Unternehmenszukäufe, Abspaltungen und sonstige M&A-Transaktionen (Mergers & Acquisitions).

Zu berücksichtigen ist dabei, dass M&A ein ausgesprochen komplexes Geschäft sind: Sie betreffen viele Unternehmensfunktionen und haben zahlreiche steuerliche, rechtliche und personelle Folgen. Gerade steuerliche Implikationen – sowohl in Gestalt hoher Kosten als auch in (favorisierter) Gestalt von Steuerersparnissen oder künftigen Tax Benefits – sind von besonderer Relevanz. 

Kostenreduktion ist seit jeher ein wesentlicher Treiber für Reorganisationen. Gemäß dem alten Grundsatz „Fix it, close it or sell it!“ rücken M&A-Überlegungen zum Beispiel immer dann in den Fokus, wenn im Rahmen eines Kostensenkungsprogramms ein defizitärer Geschäftszweig identifiziert wird. 

Dabei spielt es in der Beratungspraxis häufig eine entscheidende Rolle, ob ein Unternehmen kapitalmarktorientiert agiert oder nicht. Erstere müssen sich im Interesse der Anteilseigner eher von defizitären Bereichen trennen („Sell it or close it“), Letztere, beispielsweise Familienunternehmen, bemühen sich aus persönlichen Gründen meist stärker um ein „Fix it“.

Während unter „Sell it“ selbstverständlich der klassische Unternehmensverkauf fällt, kann „Fix it“ facettenreicher sein. So ist in diesem Zusammenhang beispielsweise eine (möglicherweise konzerninterne) Abspaltung, ein sogenannter Carve-out, denkbar. 



Ist ein profitabler Geschäftsbereich Gegenstand einer Abspaltung, sollten Unternehmen vor allem steuerpflichtige Umstrukturierungen vermeiden.




Bleibt man beim vorstehend genannten Beispiel eines defizitären Geschäftsbereichs, also der beabsichtigten Trennung von Verlustgeschäft, kommt es insbesondere auf eine steuerlich effiziente Verlustnutzung an. Ist hingegen profitables, werthaltiges Geschäft Gegenstand des Carve-outs, sollte vor allem eine steuerpflichtige Umstrukturierung vermieden werden. Denn von der Aufdeckung und Versteuerung sämtlicher stiller Reserven – im Worst Case bei „dry income“ – bis hin zur voll steuerneutralen Umstrukturierung können die Steuerfolgen stark variieren.

 

Bei der „Sell-it“ Alternative zeigt sich der Vorteil eines Umwandlungsvorgangs im Vergleich zu einem sog. Asset Deal. Dieser ist nämlich regelmäßig steuerpflichtig, während eine Umwandlung – im Geltungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes und bei Erfüllung der dort normierten Voraussetzungen – steuerneutral ablaufen kann. Die Durchführung eines Umwandlungsvorgangs könnte sodann mit einer nachfolgenden Anteilsveräußerung („Share Deal“) oder einer Kapitalmaßnahme (bspw. „IPO“) verbunden werden, um das Zielbild der „Sell-it“ Alternative zu erreichen. Durch das zeitliche Vorschalten eines Umwandlungsvorgangs (konkret einer Abspaltung) vor eine geplante Veräußerung können sich unter Umständen Steuern sparen lassen. Dies, sofern etwaige durch die Umwandlung ausgelöste Sperrfristen beachtet werden und im Rahmen des Möglichen gehandelt wird. Hierfür sind insbesondere die aktuellen Entscheidungen des BFH zur sog. Nachspaltungsveräußerungssperre maßgeblich (Az. IV R 36/18, XI R 20/19).

 

Eine wesentliche gesetzliche Voraussetzung für die Steuerneutralität eines Carve-outs ist, dass ein Teilbetrieb übertragen wird und ein anderer bei der Gesellschaft verbleibt (das sogenannte doppelte Teilbetriebserfordernis). In der Praxis ist dies häufig umstritten und auch regelmäßig Gegenstand von Diskussionen in Betriebsprüfungen. Kann das doppelte Teilbetriebserfordernis nicht erfüllt werden, muss das jedoch nicht zwangsläufig das Ende der steuerneutralen Umwandlungsmöglichkeit bedeuten. 

 

So kann etwa ein erfahrener Berater aus dem Gesamtbetrieb heraus einen weiteren (fiktiven) Teilbetrieb bilden. Dazu könnte die Kapitalgesellschaft etwa den zu separierenden Geschäftsbereich (der gegebenenfalls nur aus einzelnen Wirtschaftsgütern besteht) steuerneutral auf eine Tochter-Personengesellschaft unter Fortführung der Buchwerte (nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG) übertragen. Anschließend könnte dieser Mitunternehmeranteil dann als fiktiver Teilbetrieb in eine Tochter-Kapitalgesellschaft unter Fortführung der Buchwerte und damit steuerneutral eingebracht werden (§ 20 UmwStG). 

 

Eine solche Einbringung wäre ebenfalls steuerneutral, weil der BFH kürzlich anerkannt hat, dass es mangels eines Wechsels der stillen Reserven aus dem Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime nicht zu einer Sperrfristverletzung kommt (Az. IV R 36/18). Zu beachten ist hierbei zwar, dass die Anteile an der Tochter-Kapitalgesellschaft für sieben Jahre nach der Einbringung sperrfristbehaftet sind, allerdings schmilzt ein eventueller Veräußerungsgewinn über die Siebenjahresfrist ab, was immer noch einen Vorteil im Vergleich zur direkten Veräußerung darstellt. Weiterhin wird die Sperrfrist nicht verletzt, wenn man die Anteile nicht an den potenziellen Erwerber veräußert, sondern Letzteren über eine Kapitalerhöhung als Joint-Venture-Partner ins Boot holt.



Eine frühzeitige zielgerichtete Anpassung der Target Operating Models der Geschäftsbereiche maximiert den Wert von M&A-Transaktionen, erleichtert den operativen Übergang und verringert die steuerlichen Risiken.




Im Hinblick auf das anfängliche angesprochene TOM, dessen Überprüfung und Justierung oftmals Auslöser für M&A-Transaktionen ist, bleibt darüber hinaus Folgendes festzuhalten: Die anschließende Veränderung des Operating Model gehört leider nicht immer zum (eigentlich notwendigen) Standardprozess bei M&A-Transaktionen. So besteht ein gängiger „Sell and Separate“-Ansatz beispielsweise darin, die bestehende rechtliche, transaktionale und operative Struktur des zu veräußernden Geschäftsbereichs im Rahmen der (konzerninternen) Ausgliederung lediglich zu replizieren („Lift and Shift“-Ansatz). Dies führt häufig zu ineffektiven Strukturen für das zu übertragende Geschäft. Außerdem kann es zu erheblichen Unsicherheiten und steuerlichen Risiken führen, da IP-Strukturen, Transaktionsflüsse und Verrechnungspreismodell nicht mehr zum sogenannten Business Footprint passen. Dies wiederum kann den Wert der M&A-Transaktion (beziehungsweise den Kaufpreis) negativ beeinflussen. Eine frühzeitige zielgerichtete Ausrichtung und Anpassung der TOMs der Geschäftsbereiche maximiert daher den Wert des M&A-Deals, erleichtert den operativen Übergang und führt zu geringeren steuerlichen Risiken für die beteiligten Unternehmen.

Co-Autoren: Vivien Mayer, Tobias Dendler

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    Fazit

    Bei der Bewältigung der aktuellen Krisenwellen sind Unternehmen massiv gefordert. Sie müssen strategisch reagieren und ihre Resilienz bestätigen. Dabei müssen sie stets berücksichtigen, dass alle betriebswirtschaftlichen Entscheidungen auch steuerliche Konsequenzen haben. Steuerrisiken müssen minimiert, Steuersparpotenziale maximiert werden. Darüber hinaus sollten sie stets die Feinheiten aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung in die Transaktionsgestaltung mit einbeziehen.


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