Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, spricht im Plenarsaal im Bundestag

Wie Pillar II auf die TP-Funktion wirkt

Mit der Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung in deutsches Recht müssen Unternehmen auch die Verrechnungspreise in den Fokus nehmen.


Überblick

  • Die Ampel-Koalition implementiert im Mindeststeuergesetz bis Ende 2023 die globale Mindestbesteuerung.
  • Unternehmen müssen ihre Verrechnungspreisabteilungen auf zusätzliche Herausforderungen vorbereiten.
  • Die Mindeststeuer gilt bei einem effektivem Steuersatz unter 15%, doch die CbCR Safe Harbour Regelung ermöglicht eine Nullsteuer während des Übergangszeitraums.

Die Ampel-Koalition ist dabei, mit einem Mindeststeuergesetz (MinStG‑E) die globale effektive Mindestbesteuerung bis Ende 2023 in deutsches Recht umzusetzen. Ziel ist die koordinierte Anwendung der OECD Global Anti-Base Erosion Model Rules (BEPS Pillar II). Damit werden in den betroffenen Unternehmen speziell auch die Verrechnungspreisabteilungen mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Neben bestimmten Übergangsregelungen geht es vor allem um Compliance-Anforderungen, aber auch um Fragestellungen des laufenden Risikomanagements. Folgende Kernfragen sollten Konzerne in diesem Kontext zeitnah beantworten: 

  • Sind für Pillar II auch verrechnungspreisrelevante Informationsanforderungen und Prozesse abgedeckt?
  • Sind das aktuelle operative Verrechnungspreissystem sowie der globale Dokumentationsansatz ausreichend, um das Risiko nachträglicher Verrechnungspreisanpassungen zu minimieren?
  • Ist eine Überprüfung der Position zu Vorabverständigungsverfahren (Advance Pricing Agreements – APAs) für materielle Transaktionen erforderlich?
  • Erfüllt der länderbezogene Bericht die Anforderungen eines qualifizierten Country-by-Country Reporting (CbCR) für Zwecke der Safe-Harbour-Regeln? 
  • Wird bei Übertragungen von Vermögenswerten in der Übergangsperiode auch der Mindeststeuereffekt berücksichtigt?

Grundsätzliches

Bei der Mindeststeuer handelt es sich um eine separate Steuer, die auf das erzielte Einkommen großer multinationaler Unternehmensgruppen mit einem Konzernumsatz ab 750 Millionen Euro erhoben werden kann. Sie gilt als Ergänzung zur regulären Ertragsbesteuerung für den Fall, dass der effektive Steuersatz aller in einem Land tätigen Geschäftseinheiten eines Konzerns unterhalb von 15 Prozent liegt (top-up tax bzw. Steuererhöhungsbetrag). Je nach Umsetzung der Mindeststeuer in den beteiligten Staaten stehen für die Erhebung des Steuererhöhungsbetrags verschiedene Mechanismen zur Verfügung. In Fällen, in denen keine nationale Ergänzungssteuer besteht, dürfte der Hauptanwendungsfall die Primärergänzungssteuer auf Ebene der obersten Muttergesellschaft sein (Income Inclusion Rule – IRR), die bereits für Geschäftsjahre Anwendung findet, die nach dem 30. Dezember 2023 beginnen.

Grenzüberschreitende Verrechnungspreiskorrekturen 

Die Einkommensverteilung und entsprechende Ertragsbesteuerung auf Ebene der einzelnen Konzerneinheiten wird von konzerninternen Verrechnungspreisen bestimmt. Für Zwecke der Mindeststeuer sind daher grenzüberschreitende konzerninterne Geschäftsvorfälle, die entweder inkonsistent in den Büchern der Geschäftseinheiten erfasst sind oder nicht im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz stehen, entsprechend anzupassen. 

Hauptanwendungsfälle dieser „betragsmäßigen und fremdvergleichskonformen Anpassungen“ gem. MinStG-E werden einerseits Abweichungen des handelsrechtlichen Zahlenwerks von den für Zwecke der Ertragsteuererklärung zugrunde gelegten Daten sein. Andererseits ist die Regelung bei nachträglichen Verrechnungspreiskorrekturen zum Beispiel im Zuge steuerlicher Betriebsprüfungen relevant. Konkret ist bei ertragsteuerlichen Verrechnungspreiskorrekturen eine entsprechende Berücksichtigung bei der Berechnung des effektiven Steuersatzes für Zwecke der Mindeststeuer erforderlich. Dieser kann sich erhöhend oder vermindernd auf den Steuererhöhungsbetrag auswirken. Bei ertragsteuerlichen Verrechnungspreiskorrekturen, die nach Abgabe der Mindeststeuererklärung erfolgen, sind in Bezug auf die zeitliche Berücksichtigung dieser Korrekturen für Zwecke der Mindeststeuer zudem die Regelungen des § 50 MinStG-E zu beachten.

Bei unilateralen Verrechnungspreiskorrekturen bestehen jedoch Ausnahmeregelungen. Eine Mindeststeueranpassung erfolgt nur dann, wenn eine ertragsteuerliche Doppelbesteuerung bzw. doppelte Nichtbesteuerung hierdurch nicht verstärkt wird.

Der Fahrplan für Pillar II in Deutschland

Berücksichtigung von Inlandstransaktionen

Reine Inlandsfälle sind bei den beteiligten konzerninternen Geschäftseinheiten zum gleichen Preis zu erfassen. Darüber hinaus ist der Fremdvergleichsgrundsatz aufgrund der landesbezogenen Betrachtung im Rahmen der Mindeststeuer (jurisdictional blending) grundsätzlich nur bei Verlusten aus der konzerninternen Übertragung von Vermögenswerten zu beachten. Dasselbe gilt auch bei Transaktionen mit Geschäftseinheiten, die bei der Berechnung des effektiven Steuersatzes der Mindeststeuergruppe für eine Jurisdiktion nicht berücksichtigt werden.

Zeitlich Erfassung von Korrekturen

Bei Korrekturen, die zeitlich der Abgabe der Mindeststeuererklärung nachgelagert sind, stellt sich die grundsätzliche Frage, für welche Zeiträume diese gelten. Es gilt analog auch für Verrechnungspreiskorrekturen grds. folgende Regel:

  • Steuerschulderhöhungen vergangener Geschäftsjahre werden im Geschäftsjahr der Änderung erfasst
  • Steuerschuldminderungen führen zu einer rückwirkenden Neuberechnung des effektiven Steuersatzes
  • soweit Steuerschuldminderungen weniger als eine Million Euro betragen, besteht ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen zur Berücksichtigung im Geschäftsjahr der Änderung.

Übergangsweise Vereinfachung durch CbCR Safe Harbour

Bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr besteht für einen 3-jährigen Übergangszeitraum von 2024 bis 2026 für betroffene Konzerne die Möglichkeit, Safe Harbour Tests auf Basis qualifizierter länderbezogener Berichte (CbCR Safe Harbour) durchzuführen. Hierbei sind bestimmte Besonderheiten im Vergleich zum herkömmlichen länderbezogenen Bericht gem. 138a AO zu beachten. Bei Erfüllung einer der drei Tests ist der Steuererhöhungsbetrag für eine Jurisdiktion mit null anzusetzen. Allerdings kann diese Vereinfachungsregelung für nachfolgende Jahre in Bezug auf ein Land nicht mehr angewandt werden, falls die Regelung dort in einem Jahr einmal nicht in Anspruch genommen wird bzw. keiner der drei Tests erfüllt ist (once out, always out).

Im Unterschied zu den bisherigen CbCR-Anforderungen sind somit an das qualifizierte CbCR für Zwecke der Mindeststeuer konkrete Rechtsfolgen an das Zahlenwerk geknüpft. Es ist daher davon auszugehen, dass Finanzverwaltungen in stärkerem Maße die sachgerechte Erstellung des CbCR sowie insbesondere die zugrunde liegende Zahlenbasis hinterfragen werden. Losgelöst von der Frage, ob in allen Ländern die Kriterien zumindest eines der drei befreienden Tests erfüllt sind, sind Steuerpflichtige also gut beraten, relevante Prozesse und die Qualität ihrer Daten zu überprüfen, um die rechtzeitige Erstellung eines anforderungsgerechten CbCRs sicherzustellen.

Vorsicht bei Vermögensübertragungen 

Eine Übergangsregelung soll verhindern, dass Konzerne kurzfristig intern Vermögenswerte missbräuchlich übertragen. Konkret sind bei Übertragungen nach dem 30. November 2021 bis zur Einführung der Mindeststeuer in 2024 die bilanzierten Vermögenswerte der übertragenden Gesellschaft grundsätzlich auf Ebene der aufnehmenden Gesellschaft für Zwecke der Mindeststeuer fortzuführen. D. h. korrespondierende erhöhte Abschreibungen sind zu eliminieren. Die Definition relevanter Transaktionen umfasst laut OECD grundsätzlich alle Arten konzerninterner Übertragungen, die ähnliche Folgen haben wie ein Verkauf von Vermögenswerten. Bei der Übertragung von Vermögenswerten während der Übergangsperiode sind daher Vor- und Nachteile abzuwägen: 

  • Gegebenenfalls niedrigere Besteuerung eines Step-up noch vor Einführung der Mindeststeuer im Land der übertragenden Gesellschaft;
  • Versagung des Betriebsausgabenabzugs auf korrespondierende Abschreibungen im Land der aufnehmenden Gesellschaft für Zwecke der zukünftigen Mindestbesteuerung.

In jedem Fall sind alle im Übergangszeitraum umgesetzten Übertragungssachverhalte für die entsprechende Berücksichtigung im Rahmen der Mindeststeuer (Buchwerfortführung) konzernweit zu erfassen.

Autoren: Adrian Götz, Ronny Waldkirch

Fazit

Unternehmen sind gut beraten, sich über die allgemeinen Mindeststeuerregelungen und Prozessanforderungen hinaus frühzeitig mit den spezielleren verrechnungspreisrelevanten Fragestellungen auseinanderzusetzen. Neben der Beachtung der bereits relevanten Übergangsregelungen – und der Erfassung diesbezüglich einschlägiger Sachverhalte im Gesamtkonzern – ist ein Augenmerk auf die besonderen Anforderungen des CbCR Safe Harbours zu legen. Ferner sind die Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens hinsichtlich der laufenden Beschaffung und Aufbereitung verrechnungspreisrelevanter Informationen zu klären und diesbezügliche Prozesse zu etablieren.

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