Die Ampel-Koalition ist dabei, mit einem Mindeststeuergesetz (MinStG‑E) die globale effektive Mindestbesteuerung bis Ende 2023 in deutsches Recht umzusetzen. Ziel ist die koordinierte Anwendung der OECD Global Anti-Base Erosion Model Rules (BEPS Pillar II). Damit werden in den betroffenen Unternehmen speziell auch die Verrechnungspreisabteilungen mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Neben bestimmten Übergangsregelungen geht es vor allem um Compliance-Anforderungen, aber auch um Fragestellungen des laufenden Risikomanagements. Folgende Kernfragen sollten Konzerne in diesem Kontext zeitnah beantworten:
- Sind für Pillar II auch verrechnungspreisrelevante Informationsanforderungen und Prozesse abgedeckt?
- Sind das aktuelle operative Verrechnungspreissystem sowie der globale Dokumentationsansatz ausreichend, um das Risiko nachträglicher Verrechnungspreisanpassungen zu minimieren?
- Ist eine Überprüfung der Position zu Vorabverständigungsverfahren (Advance Pricing Agreements – APAs) für materielle Transaktionen erforderlich?
- Erfüllt der länderbezogene Bericht die Anforderungen eines qualifizierten Country-by-Country Reporting (CbCR) für Zwecke der Safe-Harbour-Regeln?
- Wird bei Übertragungen von Vermögenswerten in der Übergangsperiode auch der Mindeststeuereffekt berücksichtigt?
Grundsätzliches
Bei der Mindeststeuer handelt es sich um eine separate Steuer, die auf das erzielte Einkommen großer multinationaler Unternehmensgruppen mit einem Konzernumsatz ab 750 Millionen Euro erhoben werden kann. Sie gilt als Ergänzung zur regulären Ertragsbesteuerung für den Fall, dass der effektive Steuersatz aller in einem Land tätigen Geschäftseinheiten eines Konzerns unterhalb von 15 Prozent liegt (top-up tax bzw. Steuererhöhungsbetrag). Je nach Umsetzung der Mindeststeuer in den beteiligten Staaten stehen für die Erhebung des Steuererhöhungsbetrags verschiedene Mechanismen zur Verfügung. In Fällen, in denen keine nationale Ergänzungssteuer besteht, dürfte der Hauptanwendungsfall die Primärergänzungssteuer auf Ebene der obersten Muttergesellschaft sein (Income Inclusion Rule – IRR), die bereits für Geschäftsjahre Anwendung findet, die nach dem 30. Dezember 2023 beginnen.
Grenzüberschreitende Verrechnungspreiskorrekturen
Die Einkommensverteilung und entsprechende Ertragsbesteuerung auf Ebene der einzelnen Konzerneinheiten wird von konzerninternen Verrechnungspreisen bestimmt. Für Zwecke der Mindeststeuer sind daher grenzüberschreitende konzerninterne Geschäftsvorfälle, die entweder inkonsistent in den Büchern der Geschäftseinheiten erfasst sind oder nicht im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz stehen, entsprechend anzupassen.
Hauptanwendungsfälle dieser „betragsmäßigen und fremdvergleichskonformen Anpassungen“ gem. MinStG-E werden einerseits Abweichungen des handelsrechtlichen Zahlenwerks von den für Zwecke der Ertragsteuererklärung zugrunde gelegten Daten sein. Andererseits ist die Regelung bei nachträglichen Verrechnungspreiskorrekturen zum Beispiel im Zuge steuerlicher Betriebsprüfungen relevant. Konkret ist bei ertragsteuerlichen Verrechnungspreiskorrekturen eine entsprechende Berücksichtigung bei der Berechnung des effektiven Steuersatzes für Zwecke der Mindeststeuer erforderlich. Dieser kann sich erhöhend oder vermindernd auf den Steuererhöhungsbetrag auswirken. Bei ertragsteuerlichen Verrechnungspreiskorrekturen, die nach Abgabe der Mindeststeuererklärung erfolgen, sind in Bezug auf die zeitliche Berücksichtigung dieser Korrekturen für Zwecke der Mindeststeuer zudem die Regelungen des § 50 MinStG-E zu beachten.
Bei unilateralen Verrechnungspreiskorrekturen bestehen jedoch Ausnahmeregelungen. Eine Mindeststeueranpassung erfolgt nur dann, wenn eine ertragsteuerliche Doppelbesteuerung bzw. doppelte Nichtbesteuerung hierdurch nicht verstärkt wird.