Erste Pflanze unter den Samen

Wie Verkäufer mit einer funktionierenden ESG-Organisation punkten

Von Anfang an in den Transaktionsprozess integriert, wird ESG zum Werttreiber bei Unternehmensverkäufen.


Überblick

  • Bei Unternehmensverkäufen kann eine funktionierende ESG-Organisation den Wert steigern.
  • Verkäufer sollten ESG von Anfang an in den Transaktionsprozess integrieren.
  • Ein ESG Ready Target Operating Model (TOM) hilft als Leitfaden für die Implementierung der ESG-Organisation.

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein zentrales Thema für die Geschäftsstrategie, sondern mittlerweile ein entscheidender Faktor bei Unternehmenskäufen und -verkäufen (Mergers & Acquisitions, kurz M&A). Wie gut das zu verkaufende Unternehmen bei den Themen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) aufgestellt ist, beeinflusst die Übernahmeverhandlungen, den Preis und die spätere Integration in die Organisation des Käufers. Im Gespräch erläutern Andrea Weinberger, Partnerin in der Nachhaltigkeitsberatung des EY-Geschäftsbereichs Strategy and Transactions, Luisa Eichkorn, Managerin im gleichen Team, und Dr. Kathrin Rennertseder, Senior-Managerin in der Transaktionsberatung, warum sich eine funktionierende ESG-Organisation auf Verkäuferseite lohnt und wie Unternehmen beim Aufbau vorgehen.

EY: Andrea, bei Unternehmensverkäufen dreht sich vieles um Finanzkennzahlen. Welche Rolle spielen Nachhaltigkeitsthemen bei solchen Transaktionen?

Andrea Weinberger: Kaum ein Unternehmensverkauf kommt heute noch ohne eine genaue Prüfung der Nachhaltigkeitsthemen, die sogenannte ESG-Due-Diligence, aus. Dabei geht es dem potenziellen Käufer vor allem darum, eventuelle Risiken aufzuspüren und zu bewerten. Eine gut aufgestellte ESG-Strategie mit entsprechender Organisation zur Umsetzung kann den Verkaufspreis erheblich beeinflussen und macht das Unternehmen für potenzielle Käufer attraktiver.

Was müssen Unternehmen tun, um eine funktionierende ESG-Organisation vorweisen zu können?

Andrea Weinberger: Bevor man zum organisatorischen Rundumschlag ausholt, müssen zwei entscheidende Fragen geklärt sein: Erstens, was will der Käufer? Und zweitens, wie ist das zu verkaufende Unternehmen bisher aufgestellt? Will der Käufer das Unternehmen als eigenständige Einheit weiterführen, braucht es eine funktionsfähige ESG-Organisation. Soll es in das Unternehmen und in die bestehenden ESG-Strukturen des Käufers integriert werden, muss geklärt werden, welchen Reifegrad beide Organisationen aufweisen und welche regulatorischen Anforderungen nach der Integration erfüllt sein müssen, um dann abzuleiten, welche Prozesse und Abteilungen dies am effektivsten umsetzen können.

Und wie gehen Unternehmen nun vor?

Luisa Eichkorn: Um eine funktionierende ESG-Organisation übergeben zu können, die die regulatorischen Anforderungen erfüllt, bietet sich ein sogenanntes ESG Ready Target Operating Model (TOM) an – eine Art Leitfaden für die Organisation und Umsetzung von ESG-Aktivitäten in Unternehmen. Wenn der Zielzustand für das später integrierte Unternehmen klar ist, beginnt die Arbeit in der Organisation, die integriert werden soll. Am Anfang steht die Analyse des Ist-Zustands. Anhand der Unternehmensstrategie werden die relevanten ESG-Themen überprüft. Ziele, Maßnahmen und Verantwortliche müssen definiert sein. Wichtig sind auch immer die Datenerhebung und der bisherige Prozess zur Berichterstattung.

Eine effektive ESG-Organisation macht Unternehmen attraktiver im Transaktionsgeschäft, da – zu Recht – weniger Risiken vermutet werden.

Wie lange dauert es typischerweise, um eine solche ESG-Organisation aufzubauen?

 

Kathrin Rennertseder: Je nach Größe und Ausgangslage kann das mehrere Monate in Anspruch nehmen. Wichtig ist es daher, möglichst früh im Verkaufsprozess mit den Vorbereitungen zu beginnen, idealerweise sobald feststeht, dass ein Unternehmen oder ein Teil davon verkauft werden soll. Jeder Geschäftsbereich sollte etwa acht bis zwölf Wochen vor Transaktionsabschluss, dem sogenannten Day 1, mit den Vorbereitungen zur Überprüfung der Day 1 Readiness beginnen. Das gilt auch für übergeordnete Funktionen wie Finanzen, Personal und IT – hier sollte die Umsetzung von Nachhaltigkeitsprozessen integrativ definiert werden. Die zentrale Frage ist jedoch eigentlich, wie sichergestellt und dem (potenziellen) Käufer auch nachgewiesen werden kann, dass die ESG-Organisation zum Closing wie im Verkaufsprozess avisiert aufgestellt ist. Dies wird im Rahmen der Day 1 Readiness geprüft und so letztlich auch für den Käufer dokumentiert.

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    Wie sieht so eine Day-1-Readiness-Prüfung aus?

     

    Kathrin Rennertseder: Im Rahmen der Day-1-Vorbereitungen werden mittels speziell auf das jeweilige Transaktionsobjekt zugeschnittener Checklisten die wesentlichen Themen für Day 1 über nahezu alle Funktionen hinweg, einschließlich der ESG-Organisation, gemeinsam mit den jeweiligen Verantwortlichen im Rahmen von dezidierten oder funktionsübergreifenden Workshops geprüft. Dabei werden auch etwaige Maßnahmen für noch offene Punkte erarbeitet und im Nachgang fortlaufend kontrolliert. Etwa acht Wochen vor dem Day 1 bieten sich Day-1-Readiness-Workshops mit allen Geschäftsbereichen in den betroffenen Ländern an, um sicherzustellen, dass die regulatorischen und operativen Anforderungen für den Abschluss der Transaktion erfüllt sind. Hauptziel ist es, alle Verantwortlichen rechtzeitig an einen Tisch zu bekommen und ein gemeinsames Verständnis über die noch kritischen Themen zu entwickeln.

     

    Das klingt nach viel Arbeit. Was hat das Unternehmen davon?

     

    Luisa Eichkorn: Keine Frage, wenn man von null anfängt, ist der Aufbau einer ESG-Organisation – womöglich noch unter Zeitdruck mit Blick auf den anstehenden Unternehmensverkauf – eine Herausforderung. Aber die Arbeit zahlt sich aus! Unternehmen, die eine klare Nachhaltigkeitsstrategie mit einer effizienten Organisation untermauern, bergen weniger versteckte Risiken im Geschäftsbetrieb wie auch in der Integration. Potenzielle Käufer wissen das zu schätzen.

    Viele Unternehmen sorgen sich wegen der ESG-Vorschriften.

     

    Luisa Eichkorn: Zugegeben, die Komplexität der ESG-Regulierungen kann überwältigend sein. Unternehmen kommen jedoch nicht umhin, die Vorschriften wie die CSRD, die EU-Taxonomie oder das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) einzuhalten. Es geht darum, die ESG-Risiken und -Chancen transparent zu machen und einen funktionierenden Prozess für die ESG-Berichterstattung zu etablieren.

     

    Andrea, was würdest du Unternehmen raten, die einen Verkauf planen?

     

    Andrea Weinberger: Mein Rat wäre, ESG von Anfang an in den Transaktionsprozess zu integrieren. Unternehmen sollten frühzeitig in eine solide ESG-Strategie und -Organisation investieren. In der heutigen Geschäftswelt ist ESG keine nette Option mehr, sondern eine Notwendigkeit für erfolgreiche Unternehmenstransaktionen.

    Fazit

    Bei Unternehmensverkäufen können eine gut aufgestellte ESG-Organisation und durchdachte Nachhaltigkeitskonzepte dem Verkäufer den besten Preis sichern. Sinnvoll ist es, ESG von Anfang an in den Transaktionsprozess zu integrieren. Die Vorteile überwiegen den Aufwand.

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