Vier Wege zum Aufbau eines Integrity-first Unternehmens, bei dem die Person im Mittelpunkt steht
Lautet das gesetzte Ziel, Integrität eine hohe Priorität einzuräumen, stellt sich Führungskräften die Frage nach dem „wie“.
Es ist von grundlegender Bedeutung, dass die Person im Zentrum der Compliance- und Integritätsagenda steht, denn sowohl Mitarbeitende als auch die Führungsebene prägen maßgeblich die Integrität einer Organisation und können gleichzeitig der größte potenzielle Risikofaktor in diesem Bereich darstellen. Hierzu sind die Einführung unterstützender Rahmenbedingungen und Strukturen sowie die Schaffung einer Integrity-first Kultur erforderlich, die ein entsprechendes positives Verhalten und starkes Engagement für Integrität fördert. Für Rechtsabteilungen (GCOs) und Chief Compliance Officer (CCOs) gibt es vier Wege, solch eine Kultur in ihrem Unternehmen zu fördern:
1. Mit gutem Beispiel vorangehen
Unsere Daten zeigen, dass eine Integritätskultur nicht nur durch Kommunikation aufgebaut bzw. aufrechterhalten werden kann. Es ist zwingend notwendig, nicht nur über eine Integritätskultur zu sprechen, sondern auch danach zu handeln. Diese Notwendigkeit beginnt an der Spitze des Unternehmens, wenn es darum geht Fehlverhalten zu verhindern und einzudämmen. GCOs und CCOs sollten in Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung nicht nur für integres Verhalten auf nachgelagerten Hierarchieebenen werben oder diese dazu ermutigen. Es ist vielmehr entscheidend, dass sie selbst stets ein solches Verhalten vorleben.
Das Gleiche trifft auf die Schaffung von Strukturen für Berichte und Sonderuntersuchungen zu: Es reicht nicht aus, sie nur einzurichten. Sie müssen vor allem von den Führungskräften und der Unternehmensleitung befolgt und unterstützt werden. Um die Kluft zwischen Reden und Handeln zu schließen, ist es essenziell, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeitende nicht nur selbst integer verhalten, sondern auch bereit sind, beobachtetes Fehlverhalten zu melden oder selbst einzugreifen. Je häufiger Mitarbeitende sehen, dass Führungskräfte sich in solchen Fällen für sie einsetzen und konkrete Maßnahmen ergreifen – und es nicht zu Vergeltungsmaßnahmen gegenüber dem Hinweisgeber kommt – desto eher werden sie auch zukünftig bereit sein, beobachtetes Fehlverhalten zu melden.
2. Geeignete Strukturen zur Umsetzung der Strategie entwickeln und implementieren
Struktur folgt Strategie – dagegen kann eine Strategie ohne Struktur die Effektivität eines unternehmerischen Integritätsprogramms beeinträchtigen. Unternehmen müssen daher stabile Governance-Strukturen etablieren, die
- mit den innerhalb der Organisation definierten Rollen und Verantwortlichkeiten im Einklang stehen,
- klare Rechenschaftspflichten anhand von Leistungsindikatoren (KPI – Key Performance Indicator) und Verhaltensindikatoren (KBI – Key Behavioural Indicator) festlegen,
- Silodenken durchbrechen und den Informationsfluss an die relevanten Stellen und Stakeholder ermöglichen („aligned assurance and governance“) und
- Vertrauen durch Transparenz schaffen.
Zudem müssen – anstatt potenziell kompromittierbaren Mitarbeitenden die Schuld zuzuweisen – mittels Ursachenanalyse die tatsächlichen Hintergründe von Fehlverhalten ermittelt werden, um systemische Schwachstellen aufzudecken.
3. Die unternehmensweite Integritätskultur stärken
Unternehmen müssen erkennen, dass das Thema Integrität Teamarbeit ist. Die unternehmensinterne Compliance sollte daher nicht als reine Unterstützungsfunktion betrachtet werden, sondern vielmehr müssen Compliance- und Integritätsstandards direkt in die Unternehmensabläufe und -prozesse integriert werden. GCOs und CCOs sollten gemeinsam mit der Unternehmensleitung daran arbeiten, unternehmensweit standardisierte KPI und KBI bei der Leistungsbeurteilung und der Vergütung heranzuziehen. Das umfasst Vergütungsstrukturen, die Mitarbeitende für ihre Integritätsanstrengungen belohnen, anstatt sie für Fehlverhalten oder Non-Compliance zu sanktionieren. Die Hälfte der Befragten spricht sich ausdrücklich gegen Vergütungsstrukturen aus, die Compliance-Verstöße bestrafen. Gleichfalls sollten Steuerungskennzahlen stärker auf eine positive Verstärkung integren Verhaltens ausgerichtet sein.
4. Sensibilisieren, schulen und besser kommunizieren
Die nächsten zwei Jahre stehen eine stärkere Sensibilisierung, verbesserte Schulungen und Kommunikation, robustere Compliance-Prozesse, Verbesserungen der Corporate Governance und Mitarbeiterführung zur Eindämmung von Integritätsrisiken ganz oben auf der Agenda der befragten Unternehmen.
Anstatt ihren Mitarbeitenden zu sagen, was sie zu tun haben, um Vorschriften einzuhalten, müssen Führungskräfte ihnen klar vermitteln, weshalb integres Verhalten wichtig ist. Derzeit sprechen weniger als die Hälfte (47 Prozent) der Führungskräfte regelmäßig mit Ihren Mitarbeitenden über die Wichtigkeit eines solchen Verhaltens. Verstehen Mitarbeitende jedoch Sinn und Zweck der von ihnen geforderten Verhaltensweise besser, sind sie eher bereit den Vorschriften zu folgen.
Integrität schafft Vertrauen
Integrität ist eine essenzielle Voraussetzung für Vertrauen. Fehlt das Vertrauen von Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und Investoren bedroht dies die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.
Unternehmen können eine auf Integrität ausgerichtete Organisation aufbauen, indem sie die schwerwiegenden Folgen von potenziellem Fehlverhalten als ernsthaftes Problem anerkennen. Durch proaktive Schritte zur Verhinderung, Aufdeckung und Reaktion schaffen sie eine robuste Kultur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und von einem starken Engagement der Unternehmensführung sowie der verlässlichen Unterstützung der Mitarbeitenden getragen wird.
Ein erfolgreiches Integritäts- und Compliance-System beginnt – endet jedoch nicht – bei der Geschäftsführung und den Führungskräften, die den Ton für eine Kultur angeben, in welcher Fehlverhalten nicht toleriert wird.
Dabei reichen Worte allein nicht aus, um Loyalität zu oder gar Beteiligung an solch einer Kultur zu erzeugen. Führungskräfte sind daher gefordert zuzuhören, zu praktizieren, was sie predigen, und gegen erkanntes Fehlverhalten vorzugehen.
Einige potenziell kompromittierbare Mitarbeitende wird es immer geben. Dennoch können Unternehmen durch eine Integrity-first Kultur ein Umfeld schaffen, das ihr Wertesystem widerspiegelt. Ein Umfeld, in dem das Richtige ganz selbstverständlich auch in Zeiten von Widrigkeiten und Unsicherheit getan wird. Dabei helfen Anreizsysteme, um Mitarbeitende zu ermutigen, auch in unbeobachteten Momenten integer zu handeln.