Zukunftsprognose: potenzielle Entwicklungen in der KI-gestützten internen Untersuchung

Zukunftsprognose: potenzielle Entwicklungen in der KI-gestützten internen Untersuchung

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Auswirkungen von KI auf die Methoden und Prozesse in der internen Untersuchung und ein Ausblick in die Zukunft

In der sich rasant entwickelnden Welt der Technologie hat die künstliche Intelligenz (KI) eine Vorreiterrolle übernommen und bahnbrechende Entwicklungen in verschiedenen Bereichen ermöglicht. Von alltäglichen Anwendungen bis hin zu komplexen wissenschaftlichen Forschungen prägt und verändert KI die Art und Weise, wie wir arbeiten, lernen und leben. Die Compliance-Welt bildet hier keine Ausnahme: Auch in einer internen Untersuchung kann der Einsatz von KI entscheidend zur Steigerung von Effizienz und Effektivität beitragen

Bei einem Verdacht auf Fehlverhalten, sei es durch interne Meldungen, behördliche Maßnahmen oder externe Vorwürfe, ist eine schnelle, gründliche interne Untersuchung notwendig. Im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung werden dabei auch die Anforderungen an die internen Ermittler immer komplexer. Insbesondere die riesigen Mengen digitaler Daten, die gesichert, analysiert und interpretiert werden müssen, stellen eine enorme Herausforderung dar. An dieser Stelle kann der KI-Einsatz eine entscheidende Rolle spielen. Mit der Fähigkeit, große Datenmengen effizient zu verarbeiten und Muster zu erkennen, die für den Menschen zu komplex sind, spart KI Zeit wie auch Ressourcen und verbessert die Genauigkeit und Effektivität der internen Untersuchungen. Durch den Einsatz von Algorithmen und maschinellem Lernen können KI-basierte Systeme ungewöhnliche Muster etwa in Finanztransaktionen oder in der Kommunikation identifizieren. Zudem sind bestimmte KI-Anwendungen in der Lage, im Bereich von People Analytics auffällige Aktivitäten von Mitarbeitenden auszuwerten.

Allerdings bringt die Integration von KI in die interne Untersuchung auch ihre eigenen Herausforderungen mit sich: Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften aus dem Arbeits-, Zivil- und Strafrecht wie auch ethische Bedenken müssen berücksichtigt werden. Auch können die nötigen technischen Anforderungen wie die Notwendigkeit, exakte und zuverlässige Algorithmen zu entwickeln und die Qualität und Vollständigkeit der verfügbaren Daten sicherzustellen, eine nicht zu unterschätzende Hürde sein. Trotz dieser Herausforderungen bietet KI das Potenzial, die Arbeitsweise bei internen Ermittlungen zu verändern und sie effektiver, effizienter und transparenter zu machen.

Anwendungsbereiche der KI in internen Untersuchungen

Schon heute und in naher Zukunft bieten sich konkrete Einsatzmöglichkeiten für KI-basierte Anwendungen, um Sonderuntersuchungen umzugestalten:

Durch maschinelles Lernen können große Mengen von E-Mails und Dokumenten effizient durchsucht werden, um Anzeichen doloser Handlungen zu erkennen oder Verbindungen zwischen einzelnen Personen herzustellen. KI kann große Mengen von Daten in hoher Geschwindigkeit durchsuchen und über Large Language Models wie beispielsweise GPT-4 interpretieren; dies steigert die Effizienz gegenüber einer Untersuchung, die ausschließlich von natürlichen Personen durchgeführt wird, insbesondere bei E-Mail-Reviews bzw. Kommunikationsauswertungen im Allgemeinen.

Darüber hinaus kann KI große Mengen Finanz- und Betriebsdaten analysieren, um verdächtige Zahlungsmuster oder ungewöhnliche Transaktionen aufzudecken – beides mögliche Indikatoren für Betrug oder finanzielles Fehlverhalten. Überdies können KI-Algorithmen entwickelt und trainiert werden, um spezifische Datenmuster zu erkennen. Im Einzelfall können so Auffälligkeiten entdeckt werden, die von einem Menschen möglicherweise übersehen werden.

Durch die Analyse historischer Daten und mithilfe maschinellen Lernens kann KI Muster und Trends identifizieren, um zukünftige Risiken oder mögliche Verstöße vorherzusagen. Durch diese prädiktive Analyse können potenzielle Risiken erkannt und vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden, bevor es tatsächlich zu einem Fehlverhalten kommt. Diese KI-gestützte Vorhersageanalyse kann zwar keine hundertprozentige Sicherheit bieten, sie liefert jedoch wertvolle Indikatoren, die zur Verbesserung von Präventivmaßnahmen und deren Durchsetzung genutzt und zur effizienten Ausrichtung von Ressourcen in den internen Kontrollsystemen werden können.

In Interviews kann KI ebenfalls auf verschiedene Weise von Nutzen sein. So kann sie analysieren, welche Arten von Fragen in bestimmten Kontexten eingesetzt werden können. Darauf basierend kann sie dann einen Fragenkatalog zusammenstellen, der gezielt die Informationen zu den Schlüsselthemen der Untersuchung sammelt. Darüber hinaus können generative KI-Systeme Sprache in Echtzeit transkribieren, wodurch eine sofortige schriftliche Aufzeichnung des Gesprächs ermöglicht wird. Dies hat den Vorteil, dass sich die Interviewpartner vollkommen auf die zu stellenden Fragen fokussieren können und die Erstellung des Interviewprotokolls nicht zu einer Unterbrechung des Gesprächsflusses führt. Selbst nonverbale Hinweise wie Tonfall oder Pausen können erfasst und analysiert werden: Durch Stimmanalysen wird ermittelt, ob der Gesprächsteilnehmer z. B. müde oder nervös ist, wodurch zusätzliche Einblicke in das Aussageverhalten des Gegenübers gewonnen werden können. Technisch ist dies bereits in weiten Teilen möglich, jedoch ist aus datenschutzrechtlicher Sicht eine solche Anwendung höchst fraglich.

Im Rahmen von Hintergrundrecherchen kann künstliche Intelligenz ebenfalls eingesetzt werden, um teilautomatisiert öffentlich zugängliche Quellen zu durchsuchen und Beziehungen zwischen Personen und Unternehmen darzustellen. Sogenanntes Natural Language Processing (NLP) dient dazu, die gesammelten Daten zu analysieren, Themen zu clustern und Zusammenfassungen zu erstellen.

Risiken im Zusammenhang mit KI-basierten Untersuchungshandlungen

Der Einsatz einer spezialisierten KI, unabhängig von ihrer fortschrittlichen Verarbeitungs- und Analysefähigkeit, ist und bleibt sehr komplex. Entscheidend sind immer die zugrunde liegenden Daten und wie diese in die Anwendungen eingebracht werden, und auch die Formulierung der Texteingaben („Prompts“). Sind die Daten oder die „Fragen“ fehlerhaft oder ungenau, führt dies zu irreführenden Ergebnissen – frei nach dem Motto „Garbage in, garbage out“. Außerdem ist KI bis heute nur begrenzt in der Lage, Kontextnuancen und menschliche Urteile zu erfassen, die oft bei forensischen Untersuchungen entscheidend sind, um beispielsweise kodierte Absprachen zwischen Tatbeteiligten zu identifizieren. Dazu ist stets eine detaillierte Beschreibung der Prompts notwendig, was wiederum spezialisiertes Wissen für den operativen Betrieb und die Interpretation der Ergebnisse erforderlich macht. Man darf auch nicht der irrigen Annahme aufsitzen, dass KI die Denkarbeit des Ermittlers, insbesondere im konzeptionellen Bereich, überflüssig macht – je unstrukturierter und komplexer der Sachverhalt, desto mehr ist nach wie vor der Mensch gefragt.

Weitere Herausforderungen liegen im Bereich des Datenschutzes und rechtlicher Vorgaben. Bei der Analyse großer Datenmengen besteht immer die Gefahr einer Verletzung persönlicher Rechte, wenn sensible Daten unsachgemäß gehandhabt werden. Es ist daher essenziell, den Schutz privater Informationen der betroffenen Personen zu gewährleisten und das gesetzlich erforderliche Datenschutzniveau einzuhalten. Zudem variieren die Datenschutzvorgaben trotz eines europäischen Standards je nach Land, was die Verwendung von KI, insbesondere in länderübergreifenden Untersuchungen (besonders im Zusammenhang mit Drittstaaten), weiter erschwert. Insgesamt entwickelt sich die Technologie der künstlichen Intelligenz im Eiltempo unaufhaltsam weiter – die Gesetzgebung kann hier nur schwer Schritt halten. Da die interne Untersuchung in Deutschland immer noch einer spezifischen Rechtsgrundlage entbehrt, gibt es auch (noch) keine eindeutigen rechtlichen Rahmenbedingungen, Standards oder Best Practices für viele Aspekte eines Einsatzes von KI in forensischen Untersuchungen. Was als „lege artis“ gilt, wird sich erst noch entwickeln müssen.

Zuletzt sind auch die Entscheidungswege von KI oft nur schwer nachvollziehbar – ein Phänomen, das als „Black Box“-Problem der KI bekannt ist. Die fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit kann es schwierig machen, Entscheidungen zu überprüfen und die Ergebnisse der Untersuchung gerichtsverwertbar zu präsentieren.

 

Die Zukunft: Wie wird sich KI in der internen Untersuchung entwickeln?

Künstliche Intelligenz ist ein sich exponentiell weiterentwickelndes Feld, und aufgrund der hohen Lern- und Adaptionsgeschwindigkeit der Large Language Models ist von einschneidenden Veränderungen im Bereich interner Untersuchungen auszugehen.

Zukünftige generative KI-Systeme werden in der Lage sein, komplexe Muster und Beziehungen innerhalb von Daten noch genauer zu identifizieren und präzisere Vorhersagen über zukünftige Ereignisse zu treffen. Die Fortschritte bei der natürlichen Sprachverarbeitung könnten dazu führen, dass KI in der Lage sein wird, verdächtige Konversationen zu identifizieren oder die Bedeutung verschlüsselter oder kodierter Nachrichten zu entschlüsseln – auf einem Niveau, das weit über das heute bestehende hinausgeht.

Denkbar wäre auch, dass Maschinen Interviews audiovisuell durchführen und in Echtzeit Angaben der Gesprächspartner mit Feststellungen aus den Datenanalysen oder dem E-Mail-Review vergleichen. Gleichzeitig erkennt das System menschliche Auffälligkeiten und trifft Einschätzungen über den Wahrheitsgehalt von Angaben. Was nach Science-Fiction klingt, erscheint plötzlich denkbar.

Auch das Reporting wird sich dadurch vereinfachen, dass insbesondere bei der Darstellung repetitiver Vorgänge (beispielsweise mehrere Betrugs- oder Diebstahlsdelikte mit gleichem Modus Operandi) KI dem Ermittler unter die Arme greift. Fragen der rechtlichen Verwertbarkeit bleiben bis dato offen.

Fazit

Die künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert die (Arbeits-)Welt, und auch an der internen Untersuchung geht die rasante Entwicklung nicht spurlos vorüber. Insbesondere standardisierte Aufgaben und die Auswertung großer Datenmengen kann die KI übernehmen. EY setzt diese Technologien bereits ein, beispielsweise im Kontext von E-Mail-Reviews, Daten- oder Netzwerkanalysen oder Hintergrundrecherchen. Durch die Weiterentwicklung generativer KI werden die Einsatzmöglichkeiten in der Zukunft weiter zunehmen. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die Compliance-Welt verändert.

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