Hacker sitzt vor dem Laptop und tippt etwas

„Das Gefahrenpotenzial von Cyberangriffen ist endlich in den Köpfen der Führungskräfte angekommen“

Datenklaustudie 2023: Mit der Gefahr steigt auch das Risikobewusstsein.


Überblick

  • Fast drei von vier Unternehmen sagen, das Risiko, Opfer von Datenklau zu werden, sei in den vergangenen zwei Jahren gestiegen.
  • Alle Führungskräfte gehen davon aus, dass Cyberattacken weiter zunehmen werden, die Hälfte befürchtet eine starke Verschärfung des Problems.
  • Bei der Prävention setzen Unternehmen auf Klassiker wie Firewalls, VPN und Antivirensoftware. Andere Sicherheitsmaßnahmen werden weit weniger berücksichtigt.

Über 500 Führungskräfte haben EY für die Datenklaustudie 2023 einen Einblick in die Lage ihrer Unternehmen gegeben. Die EY-Partner und Autoren der Studie, Bodo Meseke und Thomas Koch, erläutern die Ergebnisse im Interview.

Herr Meseke, Herr Koch, was ist für Sie die aussagekräftigste Erkenntnis der neuen Ausgabe der EY Datenklaustudie?

Bodo Meseke: Das Wichtigste für uns ist, dass das Bewusstsein für Datenklau und Cybercrime in der Führungsetage angekommen ist. Aus Sicht der meisten Befragten hat das Risiko seit der letzten Studie zugenommen und sie rechnen mit einer Verschärfung des Problems. Allerdings ist damit weniger die Zahl der Angriffe gemeint als ihre Bedeutung. Wenn, wie jüngst bei einem großen deutschen Unternehmen geschehen, mehrere Terabyte an Daten entwendet werden, dann ist das Schadenspotenzial nur dieses einen Vorfalls bereits gewaltig.

Das Wichtigste für uns ist, dass Datenklau und Cybercrime endlich in den Köpfen der Führungskräfte angekommen sind. Aus Sicht der meisten hat das Risiko seit der letzten Studie zugenommen.

Thomas Koch: Interessant ist auch, wie stark die Umfrage von aktuellen gesellschaftlichen und politischen Ereignissen geprägt ist. Das zeigt sich beim Aspekt der Herkunft der Cyberangreifer. Obwohl wir wissen, dass einige Akteure mittlerweile auch beispielsweise vom afrikanischen Kontinent aus operieren, wird Russland von den Befragten als größte Bedrohung wahrgenommen. Das steht sicherlich mit dem Krieg in der Ukraine und der korrespondierenden Berichterstattung in Zusammenhang. Dabei haben die meisten Cyberkriminellen eigentlich keine offenkundigen politischen Motive, sondern verfolgen primär finanzielle Interessen. Es gibt allerdings auch eine Reihe von Gruppen, die staatlich gesponsort werden.

EY Datenklaustudie 2023

Virtuelle Gefahr — reale Schäden: eine Befragung von über 500 deutschen Unternehmen zur aktuellen Lage.

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Das heißt, die Wahrnehmung der Studienteilnehmer entspricht nicht Ihren Erfahrungen aus der Praxis?

 

Koch: Tatsächlich nicht immer, manchmal besteht sogar ein echter Widerspruch. Beispielsweise sagt die Mehrheit der Führungskräfte, dass bei Cyberangriffen auf ihr Unternehmen keine personenbezogenen Daten entwendet wurden. Das ist das Gegenteil dessen, was wir in der Praxis sehen. Denn die Angreifer sind nicht wählerisch und nehmen alles mit, was sie können. Wir konnten in praktisch keinem Fall mit letztendlicher Sicherheit ausschließen, dass personenbezogene Daten abgeflossen waren.

 

Meseke: Das gilt insbesondere für die Ransomware-Attacken. Es gab nicht einen einzigen Angriff, den wir untersucht haben, bei dem nicht vor der Verschlüsselung auch Daten ausgeleitet wurden – davon sind auch personenbezogene Daten betroffen. Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz zwischen Umfrage und Praxis könnte sein, dass viele Angriffe rechtzeitig erkannt und der Datenklau dadurch verhindert wurde. Erst wenn die Angriffe erfolgreich waren und wir zu Hilfe gerufen werden, wurde erkannt, dass auch personenbezogene Daten betroffen waren.

 

Wissen die befragten Unternehmen, wer sie angegriffen hat? Wie lässt sich das feststellen?

 

Koch: Bei Ransomware-Attacken geben sich die Angreifer zumindest durch die Nachricht auf dem Bildschirm, in der zur Zahlung von Lösegeld aufgefordert wird, zu erkennen. Hacktivisten möchten mit ihren Aktionen natürlich insbesondere Aufmerksamkeit erregen und reklamieren daher öffentlichkeitswirksam Angriffe auch für sich. In gewisser Weise versuchen aber alle kriminellen Gruppen, sich eine Reputation erarbeiten – selbstverständlich aus unterschiedlichen Motiven. Entsprechend überrascht es nicht, dass die Unternehmen die Angreifergruppen überwiegend kennen; nur ein Viertel sagt hier, die Täter seien gänzlich unbekannt.

 

Fast alle Unternehmen haben in Präventionsmaßnahmen wie Virenschutz, VPN und Firewalls investiert. Viele andere Möglichkeiten werden weit weniger berücksichtigt. Wie ist das zu bewerten?

 

Meseke: Hier hat sich das Bild über die letzten beiden Studien nur wenig verändert. Zum einen werden hier nicht nur Investitionen in neue Maßnahmen genannt, sondern auch Updates von Bestehenden. Zum anderen ist die Fokussierung auf VPN immer noch vor dem Hintergrund der Corona-Zeit zu verstehen. Die gute Nachricht ist: Die Unternehmen bleiben mit ihren Investitionen am Ball und schaffen sich eine gute Grundsicherheit.

 

Koch: Im direkten Vergleich zur vorherigen Studie hat sich das Thema Security Operations Center (SOC), in dem die sicherheitsrelevanten Informationen im Unternehmen ausgewertet werden, erheblich weiterentwickelt. Allerdings hat eben nicht jedes Unternehmen die Ressourcen und Budgets, die dafür benötigt werden. Dasselbe gilt für Information-Security-Management-Systeme (ISMS), die bei weitem nicht flächendeckend zum Einsatz kommen.

 

Wenn der Ernstfall eingetreten ist, kommt es auch auf eine schnelle Reaktion an. Sind die Unternehmen darauf gut vorbereitet?

 

Koch: Was die Krisenpläne angeht, sehen wir durchaus messbare Fortschritte: Deutlich mehr als noch im Jahr 2021, nämlich sieben von zehn Unternehmen, haben einen Krisenplan, und 45 Prozent testen dessen Umsetzbarkeit auch mindestens einmal im Jahr. Überrascht hat mich jedoch im Vergleich zu 2021, dass über die Hälfte der Unternehmen angab, gar kein zentrales Krisenteam zu haben, und 11 Prozent der Befragten wissen nicht einmal sicher, ob ein definiertes Krisenteam existiert.

Überrascht hat mich jedoch, dass über die Hälfte kein zentrales Krisenteam hat. Hinzu kommt, dass 11 Prozent der Unternehmen sagen, sie wüssten nicht, ob sie ein Krisenteam haben.

Sie haben auch das Thema Cyberversicherung umfangreich abgefragt.

Meseke: Die Studie zeigt, dass hier im Vergleich zu 2021 eine Veränderung stattgefunden hat. Die Zahl der Unternehmen mit einer Cyberversicherung ist deutlich gestiegen, ebenso die Höhe der Prämien, während immer mehr Leistungen ausgeschlossen werden – beispielsweise die Zahlung von Lösegeld. Bemerkenswert aus unserer Sicht ist aber vor allem, dass ein großer Teil der Unternehmen von den Versicherungsgesellschaften zur Nachbesserung ihrer Schutzmaßnahmen aufgefordert wurde. Insofern helfen die Versicherer, das Schutzniveau anzuheben.

Wie sieht die Zukunft aus, worauf sollten sich die Unternehmen einrichten?

Koch: Ransomware wird das bestimmende Thema bleiben, weil es aus Sicht der Kriminellen ein funktionierendes Geschäftsmodell darstellt, das leider eine ganze Reihe von Möglichkeiten bietet. Die Rede ist von Single, Double oder Triple Extortion. Erst sollen die Unternehmen dafür bezahlen, dass die verschlüsselten Daten wieder entschlüsselt werden, dann dafür, dass die Daten nicht veröffentlicht werden. Im dritten Schritt nehmen die Angreifer dann mittels der aus den gestohlenen Daten gewonnenen Erkenntnisse z. B. Kunden oder Lieferanten des betroffenen Unternehmens ins Visier.

Und wie könnten die Unternehmen dieser Entwicklung begegnen?

Meseke: Angesichts dieser und anderer Bedrohungen sollten die Unternehmen zum einen mehr in ihre Cybersicherheit investieren und zum anderen eine stärkere Harmonisierung anstreben. Industriezweige und Sektoren arbeiten beim Thema zwar schon zusammen, allerdings könnte dies noch deutlich verstärkt werden. Es wäre beispielsweise nützlich, wenn Methoden zur Identifikation und Nachweise von Malware in Daten intensiver und zentralisiert ausgetauscht würden. Von der Arbeit solcher Interessengruppen könnten insbesondere auch kleinere Unternehmen profitieren, die sich selbst keinen starken Schutz leisten können.

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    Fazit

    Unternehmen in Deutschland sehen eine weiterhin zunehmende Bedrohung durch Cyberangriffe. Fast drei von vier der befragten Führungskräfte sagen, das Gefährdungsrisiko für das eigene Unternehmen habe in den vergangenen beiden Jahren zugenommen. Alle Befragten rechnen damit, dass die Gefahr, Opfer von Cyberangriffen und Datenklau zu werden, in Zukunft zunehmen wird. Der Trend zur Cyberkriminalität, den EY mit dieser Studie seit 2011 dokumentiert, ist ungebrochen.

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