- Branche verzeichnet Umsatzminus von fast 3 Prozent auf 285 Milliarden Euro
- Umsatz in der Landtechnik bricht um mehr als 20 Prozent ein, Exporte der Ernährungsindustrie dagegen auf Rekordniveau
- Wirtschaftliche Aussichten bleiben trüb
- Vielversprechende Anwendungsfälle für Künstliche Intelligenz (KI) im Agribusiness
- Beschäftigte im Agribusiness überdurchschnittlich affin für neue Technologie
Der Umsatz sinkt, die Aussichten trüben sich ein: 285 Milliarden Euro Umsatz erzielte das deutsche Agribusiness im Jahr 2024, ein Minus von voraussichtlich fast drei Prozent im Vergleich zum Jahr zuvor. Trotzdem bleibt die Branche hierzulande mit einem Anteil von mehr als 13 Prozent der zweitstärkste Sektor im verarbeitenden Gewerbe. Die Ernährungsindustrie ist dabei der mit Abstand umsatzstärkste Bereich im Agribusiness: 230 Milliarden Euro – und damit 81 Prozent des Umsatzes – wurden in diesem Sektor erzielt. Den größten Anteil an diesem Ergebnis hatten die Fleisch- (51 Milliarden Euro) und die Milchwirtschaft (39 Milliarden Euro). Dahinter folgt die Landtechnik mit einem Umsatz von mehr als zwölf Milliarden Euro. Der Sektor Ernährung ist mit knapp 664.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beschäftigungsstärkste Bereich im Agribusiness.
Nur in zwei Sektoren stiegen in den vergangenen zwölf Monaten die Umsätze: Die Milchwirtschaft erzielte ein Plus von 1,6 Prozent, die Fleischindustrie verzeichnete einen Umsatzzuwachs von 2,6 Prozent. Die Umsätze in der Ernährungsindustrie sanken insgesamt um 0,1 Prozent. Deutlich schwerer war die Marktlage 2024 für den Bereich Landtechnik (minus 20 Prozent) und die Düngemittelindustrie (minus zwölf Prozent).
Herausfordernde Zeiten, wie Dr. Christian Janze, Partner bei EY, der Branche attestiert: „Aktuell kommen viele Faktoren zusammen, die zu einer insgesamt negativen Gemengelage im Agribusiness führen. Viele Landwirtinnen und Landwirte litten in den vergangenen zwölf Monaten unter mangelnder Planungssicherheit, auch aufgrund der zunehmenden Komplexität regulatorischer Prozesse und der aktuellen politischen Gestaltung der Rahmenbedingungen für das Agribusiness in Deutschland. Besonders schwer tut sich derzeit der Bereich Landtechnik: Hier hatten Landwirtinnen und Landwirte mit einem nassen Frühjahr 2024 und schwierig zu befahrenden Flächen zu kämpfen, was die Nachfrage nach Landtechnik dämpfte. Darüber hinaus lässt das anhaltend hohe Zinsniveau landwirtschaftliche Betriebe bei Investitionen zögern.“
Und schließlich sei der Markt aufgrund hoher Investitionen nach Corona in gewissem Maße gesättigt, so Janze. Zwar seien die Beschäftigungszahlen in der Landtechnik – wie auch in den anderen Sektoren – aktuell stabil, wie lange dies aber noch so bleibe, sei schwer zu sagen, mahnt Janze: „Die Absatzkrise, die schon das vergangene Jahr geprägt hat, hält den Sektor weiter fest im Griff. Weil kaum Besserung in Aussicht ist, mussten zahlreiche Unternehmen ihre Angestellten in Kurzarbeit schicken. Sollte es hier zu dauerhaften Abbaumaßnahmen kommen, wird die Stimmung noch schlechter.“
„Die Situation im Agribusiness bleibt schwierig“, urteilt auch Dr. Stefan Seifert von der Universität Göttingen: „Hoffnung auf eine deutliche und dauerhafte Verbesserung der wirtschaftlichen Lage hatten die meisten Landwirtinnen und Landwirte ohnehin nicht, umso ernüchternder waren die vergangenen zwölf Monate: Extreme Wetterereignisse stellten die Branche vor enorme Herausforderungen, gleichzeitig bleiben die Kosten für Rohstoffe, Energie und Arbeitskräfte hoch.“
Potenzial und Herausforderung von Künstlicher Intelligenz in der Landwirtschaft
Schwache Zahlen, düstere Prognosen: Was kann der Branche Hoffnung machen? „Die Menschen müssen essen und werden immer Nahrungsmittel kaufen. Gerade in den zahlreichen wirtschaftlichen, gesundheitlichen und geopolitischen Krisen hat sich die deutsche Landwirtschaft all diesen Herausforderungen zum Trotz als robust erwiesen, die Lebensmittel- und Versorgungssicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher hierzulande sichergestellt und damit ihre Bedeutung eindrucksvoll unterstrichen“, so Seifert. Zudem konnten Deutschland und Europa in den vergangenen Jahren durchaus Erfolge bei der Transformation der Branche vorweisen, bspw. eine leicht sinkende Tendenz von CO2-Emissionen. Janze zeigt sich deshalb grundsätzlich optimistisch: „Die Landwirtschaft in Deutschland hat bereits in der Vergangenheit viele technologische Innovationen zu nutzen gewusst, jetzt eröffnet Künstliche Intelligenz (KI) möglicherweise einen weiteren Innovationssprung für die Branche. Deutschland kann mit einer Kombination aus sehr gut ausgebildeten landwirtschaftlichen Unternehmern, Technologie- und Know-How-Führern im vor- und nachgelagerten Bereich punkten und bietet mit einem funktionierenden Forschungsnetzwerk insgesamt gute Voraussetzungen für das Agribusiness der Zukunft.“
Beschäftigte im Agribusiness überdurchschnittlich offen für neue Technologie
Fakt ist: Beschäftigte aus dem Bereich Agribusiness bewerten Künstliche Intelligenz überdurchschnittlich positiv, sowohl wenn es darum geht, die neue Technologie bereits zu nutzen, als auch was die Einstellung zu KI allgemein betrifft: In einer von EY im Frühjahr 2024 durchgeführten Befragung von Beschäftigten in unterschiedlichen Branchen bewerteten 72 Prozent der Befragten aus dem Agribusiness den Einfluss von KI-Anwendungen auf ihre Branche positiv. Über alle Branchen hinweg lag dieser Wert nur bei 63 Prozent. Und sogar 87 Prozent der Befragten aus dem Agrarsektor gaben an, bereits positive Erfahrungen in ihrem Arbeitsalltag mit KI gemacht zu haben. Im Durchschnitt aller Branchen hinweg sagten das nur 80 Prozent.
Vielversprechende KI-Anwendungen
„Im Ackerbau sind digitale Techniken bereits seit Jahren verbreitet und machen es unter anderem möglich, Dünge und Pflanzenschutzmittel sowie Saaten bedarfsgerecht auszubringen. KI kann beim Einsatz dieser Technologien zusätzlich unterstützen, zudem bietet diese Technologie nahezu unbegrenzte Kapazitäten bei der Auswertung großer Datenmengen. So wird es bald schon in der Landwirtschaft möglich sein, KI-Technologien etwa für die grafische Daten- und Bildverarbeitung zum Zweck der Tier und Pflanzenerkennung zu nutzen. Beispielsweise können Kameras auf Traktoren oder Drohnen eingesetzt werden, um Pflanzen und Tiere zu überwachen und zu beurteilen – eine Aufgabe, die der Mensch mit seinen eingeschränkten Sinnen nicht übernehmen kann“, erläutert Janze.
„Lösungen und Anwendungen aus dem Bereich KI müssen einen klaren Mehrwert bringen“, ergänzt Seifert – auch wegen der Kosten und des Schulungsaufwands, die diese Anwendungen mit sich bringen: „Aktuell gibt es viele Angebote auf dem Markt, die zwar spannend, aber noch nicht komplett ausgereift sind.“ Ein weiteres Anwendungsgebiet wäre beispielsweise der optimierte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln: „Diese sind für die Landwirtschaft zwar essenziell, um Erträge zu sichern und Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen, jedoch befindet sich ihr Einsatz seit Jahren auf einem hohen Niveau. Mithilfe von KI-Anwendungen lässt sich die Menge an eingesetzten Pflanzenschutzmitteln reduzieren – in intensiven Feldfrüchten teilweise sogar deutlich.“ Janze ergänzt: Besonders spannend ist zudem die Möglichkeit, KI-generierte Daten für die Inwertsetzung von Ökosystemleistungen zu nutzen, etwa bei der Bewertung von Mooren oder der Förderung des Tierwohls.“
Allerdings warten auch Herausforderungen auf die Anwenderinnen und Anwender von KI, beispielsweise im Bereich Governance. Denn auch wenn Nutztiere im Vergleich zu Menschen keine Persönlichkeitsrechte haben – und dies die Überwachung und Datenerfassung erleichtert – gilt es hier trotzdem, Datensicherheit zu gewährleisten und damit Vertrauen bei den Anwendern zu schaffen. „Die Politik muss dabei einen Rahmen schaffen, der zwar Sicherheit im Blick behält, jedoch nicht zu ausufernder Bürokratie und Investitionshemmnissen führt“, fordert Janze.
Entwicklung in den Teilbranchen des Agribusiness im Detail
Absatzkrise in der Landtechnik
Nach Rekorderlösen im Jahr 2023 geriet der Absatz von Landmaschinen in den vergangenen zwölf Monaten ins Stocken: Lag der Gesamtumsatz 2023 noch bei 15,4 Milliarden Euro, rutschte er auf 12,2 Milliarden Euro im Jahr 2024 ab – ein Minus von 3,2 Milliarden Euro. Besonders betroffen: der Export, der um 2,7 Milliarden Euro (minus 22 Prozent) einbrach. Janze: „Der Landmaschinensektor hat sich in den vergangenen Jahren klar exportorientiert entwickelt. Der Krieg in der Ukraine hat die Unternehmen getroffen, da wichtige Abnehmer über Nacht wegfielen. Zwar gibt es auch andere interessante Zukunftsmärkte mit enormem Wachstumspotential, beispielsweise China, Nord- und Südamerika. Allerdings lag der Fokus der deutschen Hersteller in den vergangenen Jahren nicht in diesen Regionen, sodass die internationale Konkurrenz hier die Nase vorn hat.“ Doch auch in Deutschland ging der Umsatz des Sektors zurück, auf 0,45 Milliarden Euro (minus 13 Prozent). Stabil bleibt dagegen die Zahl der Beschäftigten im Sektor – auch wenn zahlreiche Betriebe ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken mussten oder dies planen. Fakt ist: Seit 2014 wuchs die Zahl der Beschäftigten in der Landtechnik hierzulande um fast 11.000 Personen, was einem Wachstum von rund 30 Prozent entspricht. Die Zahl der Betriebe blieb in den vergangenen Jahren weitgehend konstant und liegt weiterhin bei etwa 194 Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeitenden.
Ernährungsindustrie: Stabiler Umsatz, steigender Anteil
230 Milliarden Euro Umsatz erzielte die Ernährungsindustrie voraussichtlich in den vergangenen zwölf Monaten – und damit genauso viel wie im Jahr 2023. Der Anteil des Sektors am gesamten Agribusiness liegt aktuell bei 87 Prozent, damit ist sie die mit Abstand größte Teilbranche. 54 Milliarden Euro (23,6 Prozent) des Umsatzes wurden durch den Export realisiert – ein erneuter Anstieg, nachdem sowohl Gesamtumsatz als auch Exportquote bis einschließlich 2021 nahezu stagnierten. Allerdings: Dieser Anstieg ist auch im Jahr 2024 vorwiegend preisgetrieben, die Verbraucherpreise – speziell für frische Lebensmittel – lagen auch im Jahr 2024 auf einem hohen Niveau. Die Anzahl der Betriebe blieb exakt gleich: 6.112 Betrieben im Jahr 2023 steht 2024 die gleiche Anzahl gegenüber. Die Zahl der Beschäftigten wuchs dagegen prognostiziert um mehr als 16.000 auf mehr als 664.000 Mitarbeitende. Positiv: Die Geschäftserwartungen sind aktuell im Vergleich zum Jahr davor deutlich besser. Allerdings bleiben Unsicherheiten – hinsichtlich der zukünftigen Energieversorgung, der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und der zukünftigen Konsumentscheidungen. Seifert: „Die Erzeugerpreise blieben 2024 auf einem hohen Niveau.“ Im März 2022, mit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, stiegen diese stark an. Ein Rückgang auf das Vorkriegsniveau sei aktuell nicht in Sicht, so Seifert: „Der Agribusiness-Sektor ist stark von Preis- und Mengeneffekten beeinflusst, die sich auf die Rentabilität und Stabilität der Branche auswirken. Hohe Preise können zu höheren Einnahmen für Landwirte führen, jedoch auch die Produktionskosten erhöhen, wenn beispielsweise die Preise für Düngemittel oder Saatgut steigen.“
Fleischwirtschaft mit einem Umsatz von mehr als 51 Milliarden Euro
Stetiger Anstieg seit 2021: Nachdem der Umsatz im Jahr 2021 deutlich zurückgegangen war, konnte die Fleischwirtschaft seitdem an Umsatz zulegen – ein Trend, der sich auch 2024 fortsetzte: Aktuellen Prognosen zufolge steigt der Umsatz des Sektors um 1,3 Milliarden Euro (plus 2,6 Prozent) auf 51,3 Milliarden Euro. Die Exportquote lag dabei bei 22 Prozent, ein Rückgang um einen Prozentpunkt im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Beschäftigten liegt aktuell bei 146.000 – und ist damit im dritten Jahr in Folge gesunken. Auch die Zahl der Betriebe ging leicht zurück, von 1.475 im Jahr 2023 auf 1.441 im vergangenen Jahr.
Umsatz der Milchwirtschaft bleibt auf Rekordniveau
In der Milchwirtschaft stieg der Jahresumsatz 2024 leicht und übertraf mit 38,9 Milliarden Euro sogar den bisherigen Rekordwert von 2022 um 400 Millionen Euro. Auch 2023 war mit 38,3 Milliarden Euro ein umsatzstarkes Jahr. Zum Vergleich: 2021 lag der Wert bei 31 Milliarden Euro. Insgesamt sind aktuell schätzungsweise mehr als 47.000 Mitarbeitende in der Milchwirtschaft beschäftigt. Wie die Fleischproduktion ist auch die Milchproduktion – und damit die Molkereien – von der Umstellung des deutschen Lebensmitteleinzelhandels auf Produkte aus den Haltungsformen 3 und 4 bis zum Jahr 2030 betroffen. Gleichzeitig sorgt der fortschreitende Strukturwandel in der Landwirtschaft innerhalb der Molkereibranche für einen zunehmenden Wettbewerb um den Rohstoff Milch, was bei den deutschen Molkereien mögliche Werksschließungen und einen Rückgang der Investitionen nach sich ziehen könnte. Insgesamt blickt die Molkereiwirtschaft im Vergleich zu den anderen Sektoren aber optimistischer in das neue Jahr.
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