Welche Erkenntnisse werden Ihnen nachhaltig in Erinnerung bleiben?
Diversität muss „oben“ beginnen
Es ist auch klar, dass wir auf Führungsebene eine größere Vielfalt brauchen. Derzeit gehören nur 30 % der Führungskräfte einer unterrepräsentierten Gruppe an, bei den nicht leitenden Angestellten sind es 61 %. Vielfalt in der Führung wirkt sich jedoch positiv auf die Unternehmenskultur und die DE&I-Bemühungen aus, wie zum Beispiel die Erhöhung der flexiblen Arbeitsmöglichkeiten zeigt.
Wir scheitern nach wie vor daran, DE&I ganzheitlich zu betrachten
Ein Viertel der Unternehmen hat noch keine Schritte zur Verbesserung der kulturellen Vielfalt unternommen und 36 % haben noch keine Maßnahmen zur Förderung der LGBTQIA+-Diversität eingeleitet. Dies ist alarmierend und zeigt, dass Vielfalt in einigen Unternehmen noch nicht ausreichend priorisiert wird.
Ein Alarmsignal: Die DE&I-Maßnahmen kommen nicht da an, wo sie gebraucht werden
Erschreckend ist, dass deutlich weniger als die Hälfte der nicht leitenden Angestellten (42 %) ihr Unternehmen in vielen Dimensionen der Vielfalt als „gut“ bewertet, im Gegensatz zu zwei Dritteln (60 %) der Befragten in leitenden Positionen. Hinzu kommt, dass die Werte noch einmal weiter auseinanderklaffen, wenn man sich nur die unterrepräsentierten Gruppen ansieht. Genau da, wo DE&I am notwendigsten wäre, verfehlen die Maßnahmen demnach ihre Wirkung, mit negativen Konsequenzen für alle Mitarbeitenden und das Unternehmen.
Der Wert der Freiheit funktioniert nur, wenn alle davon profitieren
Ein Drittel der nicht leitenden Angestellten gab an, diskriminierendes Verhalten erlebt zu haben, sowohl durch Vorgesetzte als auch durch Kolleg:innen. Besonders hervorzuheben ist, dass sich ausgerechnet die Gruppe, die am meisten von Diskriminierung betroffen ist, am wenigstens darin befähigt sieht, diese auch zu berichten. Dazu passt, dass sich nicht leitende Angestellte, die einer unterrepräsentierten Gruppe angehören, auch in Alltagssituationen der Arbeit weitaus seltener trauen, ihre Meinung oder Sichtweise klar zu äußern.
Deutschland – ein Fortschritt, der keiner zu sein scheint
Unabhängig von Erfolgen im Bereich DE&I ragt Deutschland in unserer Erhebung in einigen Bereichen negativ heraus. Insbesondere in Bezug auf die Bewertung von Unternehmensansätzen zur ethnischen oder sozialen Herkunft gibt es noch großen Nachholbedarf. Auch bei der oftmals debattierten Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtervielfalt fällt Deutschland im Europavergleich ab.
Diese Erkenntnisse zeigen eindeutig, dass der Weg zu einer inklusiven Kultur für viele Unternehmen noch recht weit ist. In Anbetracht der positiven Indikationen für den Unternehmenswert könnte das doch ein Anstoß sein, oder?
Tatsächlich ist gerade das Gegenteil der Fall. Momentan steigen weltweit die Erfahrungen rund um ein Phänomen, das als „Diversity Fatigue“ bezeichnet wird. Dabei werden Gegenstimmen lauter, erzielte Erfolge in Abrede gestellt, Diversity als Luxusproblem abgetan.
„Diversity Fatigue“ ist ein Ausdruck, der genutzt wird, um das Phänomen zu beschreiben, bei dem Mitarbeitende und Führungskräfte desensibilisiert, desinteressiert und müde von Diversity- und Inklusionsbemühungen werden. Diese Erschöpfung kann verschiedene Ursachen haben. Beispielsweise kann es sein, dass die Unternehmen eine Vielzahl von Diversitätsmaßnahmen schnell und ohne ausreichende Planung einführen. Damit können sie Widerstände hervorrufen und die Bereitschaft zur Teilnahme oder Unterstützung solcher Maßnahmen verringern. Um dem entgegenzuwirken, ist es unabdingbar, Vielfalt und Inklusion nicht als isolierte Projekte zu behandeln, sondern als integrale Bestandteile der Unternehmensstrategie, wobei sowohl die Führungsebene als auch die Belegschaft eingebunden sein sollten.
Dem gegenüber steht zurzeit leider die Herausforderung auf emotionaler Ebene. Unsere eigenen Studien haben die positiven Effekte von Diversität bestätigt. Weitere Erkenntnisse zeigen, dass diverse Teams in einer Vielzahl von Bereichen, einschließlich Innovation, Problemlösung und allgemeiner Teamleistung, überlegen sind. In Zeiten komplexer Herausforderungen unterstreicht dies zwar die Notwendigkeit der Implementierung von Diversitätsmaßnahmen, macht diese jedoch nicht selbstverständlich. Sowohl das Anerkennen dieser Erkenntnisse als auch das Ergreifen entsprechender Maßnahmen erfordern Offenheit – eine Offenheit, die durch anhaltende Krisen wie Kriege, Energiekrisen und Umweltkatastrophen gerade geschmälert ist. Denn Offenheit braucht eine Menge kognitiver Ressourcen.
Die Theorie des „cognitive load“ kann eine Erklärung dafür liefern, warum in Zeiten erhöhter Belastung oder Stress die Tendenz besteht, sich auf vertraute und beständige Muster zu besinnen, was sich in einer erhöhten Intoleranz äußern kann. Auf das Bekannte und relativ Sichere zu setzen, anstatt innezuhalten und Ressourcen in die Verwirklichung von Diversity zu investieren, diese Tendenz ist gerade besonders zu beobachten.
So ist zumindest teilweise zu erklären, warum bereits erzielte Erfolge in Abrede gestellt werden. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Gender Equity. Trotz der Tatsache, dass viele Unternehmen ihre Anstrengungen auf die Schaffung von Geschlechtergerechtigkeit gerichtet haben, gibt es derzeit eine zunehmende Anzahl Stimmen, die eine Verschiebung hin zur Diskriminierung von Männern sehen und lautstark dafür plädieren, jegliche weiteren Bemühungen zur Aufrechterhaltung und Verbesserung des Status quo fallen zu lassen.