Parallel steigt von zwei Seiten die Notwendigkeit, Nachhaltigkeit in den Blick zu nehmen. Die Corporate-Sustainability-Richtlinie der EU gilt ab dem Geschäftsjahr 2024 auch für viele Mittelständler. Gleichzeitig müssen die finanzierenden Banken im Rahmen ihres Reportings vermehrt darüber berichten, wie ESG-konform ihre Portfolios sind.
Zusätzlich steigt von Finanzierungsseite der Druck, sich mit der Nachhaltigkeit des eigenen Unternehmens auseinanderzusetzen. Denn auch für Banken und Finanzdienstleister verschärfen sich kontinuierlich die Regeln und sie müssen ihre Portfolios nachhaltiger ausgestalten. Entsprechende Vorschriften sind beispielsweise die Sustainable Finance Disclosure Regulation oder die Green Asset Ratio, die ein Portfolio mithilfe der Regeln der EU-Taxonomie bewertet.
Wie rasch die Entwicklung voranschreitet, unterstreichen die Zahlen. Während vor fünf Jahren noch kaum ein Konzern über nachhaltigkeitskonforme Finanzierung nachgedacht hat, beträgt der ESG-bezogene Anteil bei syndizierten Krediten mittlerweile mehr als 30 Prozent. Und der Trend steckt noch in den Anfängen. Unternehmen sollten sich das Thema daher dringend und ausführlich vornehmen.
Bandbreite vom ESG-Rating zu individuellen KPIs
Ein wichtiger Aspekt dabei ist es, geeignete Kennziffern auszumachen, um die Nachhaltigkeit eines Unternehmens zu bewerten. Als klassischer Weg galt dafür zunächst ein ESG-Rating, das von einer unabhängigen Agentur erstellt wird. Etablierte Anbieter von Bonitäts-Ratings haben diese genauso im Programm wie spezialisierte Agenturen, die sich auf Nachhaltigkeit konzentrieren. Die Bewertungen zielen auf eine ganzheitliche Betrachtung der Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit ab und bieten auch anderen Stakeholdern einen guten Einblick in den Stand der Nachhaltigkeit des bewerteten Unternehmens. Bis heute fehlt aber eine einheitliche Methodologie – die verschiedenen Agenturen setzen unterschiedliche Schwerpunkte, was die Vergleichbarkeit erschwert.
Eine Alternative bei der Bewertung ist ein Ansatz auf der Basis ausgewählter Nachhaltigkeitskennzahlen, sogenannter Key Performance Indicators (KPIs). Im Unterschied zum komprimierten Rating setzt dieser Ansatz auf unternehmens- und branchenspezifischen Indikatoren zur Nachhaltigkeit auf. Das können die Reduktion von Stickstoffemissionen oder des Wasserverbrauchs sein, der Anteil ESG-konformer Lieferanten, der Anteil EU-Taxonomie-konformer Investitionen oder die Kundenzufriedenheit. In Abstimmung mit dem Finanzdienstleister werden diese KPIs zu individuellen Sustainable Performance Targets (SPTs) ausgearbeitet, die messbar, relevant und ambitioniert sein müssen und kein „business as usual“ darstellen. Somit können auch Reputationsrisiken, das sogenannte Greenwashing, verhindert werden.
Individueller Standard
90 %der nachhaltigen Finanzierungsinstrumente setzen laut Daten der International Finance Corporation heute auf KPIs. Bei 10 % greift ein ESG-Rating.
Der Trend zeigt dabei zunehmend in Richtung eines KPI-Ansatzes. Laut Daten der International Finance Corporation werden heute rund 10 Prozent der nachhaltigen Finanzierungsinstrumente mithilfe eines ESG-Ratings bewertet. In neun von zehn Fällen greifen die Vertragsparteien zu KPIs.
Nachhaltigkeit beeinflusst die Kosten der Finanzierung
Bei der Ausgestaltung der Finanzierung werden die entscheidenden SPTs sowie ein Rahmen für ihre Verbesserung vertraglich festgelegt. Daran orientieren sich dann auch die Kosten der Finanzierung; werden die Werte erreicht, kann die Risikomarge um 5 bis 10 Basispunkte sinken; bei Nichterreichung droht ein entsprechender Aufschlag. Die Ausgestaltungen sind jedoch von Instrument zu Instrument unterschiedlich und müssen daher an die individuelle Situation wie auch an das Instrument angepasst werden.
Bei der Auswahl der KPIs gilt es zu beachten, dass sie materiell bzw. wesentlich für das Unternehmen und seine Nachhaltigkeitsstrategie und -ziele sein müssen. Zudem muss das Reporting darauf ausgerichtet sein, dass die für die SPTs erforderlichen Daten regelmäßig, verlässlich und zeitnah erfasst und abgebildet werden können.
Spielraum bei der Auswahl der KPIs
Bisher ist die Vorgehensweise der Finanzdienstleister noch sehr individuell, eine Harmonisierung der Kennziffern steht noch aus. Darüber hinaus nutzt jeder Anbieter seine individuellen Fragebögen, um den Stand der Nachhaltigkeit des zu finanzierenden Unternehmens zu ermitteln. Für die Unternehmen besteht gerade hier ein Risiko. Sie müssen ihr ESG-Narrativ klar herausarbeiten und die zugehörigen Fakten zusammenstellen. Finanzdienstleister sind zukünftig gezwungen, ESG-Risiken in die allgemeine Risiko- und Bonitätsbewertung einzubauen. Gerade deshalb müssen die gesetzten Ziele im Rahmen der Finanzierung ambitioniert sein und die Bereitschaft zur Veränderung unterstreichen.
Drei bis fünf Kennzahlen sind heute üblich, um Fortschritte zu erkennen, aber die Komplexität nicht zu hoch werden zu lassen. Noch stehen dabei Ökologie und Soziales im Vordergrund, Governance nimmt aber an Bedeutung zu. Das Erreichen dieser vereinbarten KPIs wird mindestens einmal im Jahr geprüft, üblicherweise durch einen externen Dritten, etwa einen Wirtschaftsprüfer.
Abstimmung mit dem Finanzdienstleister ist sinnvoll
Mithilfe dieser Indikatoren lässt sich inzwischen jedes Finanzierungsinstrument nachhaltig ausgestalten. Viele Banken gehen diesen Schritt aktiv an und unterstützen ihre Kunden bei der Umstellung. Angesichts der aktuellen Entwicklung der Klimakrise wird sich der Trend dynamisch weiterentwickeln; Politik und Aufsichtsbehörden werden die Geschwindigkeit der Umsetzung eher noch erhöhen. Auch für den Mittelstand bedeutet das zunehmend, dass die Betriebe nach ihrer Nachhaltigkeit beurteilt werden – und sie es ohne klares ESG-Narrativ immer schwerer haben werden, an Finanzierungen zu gelangen.
Fazit
Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung, seien es ökologische Fragen, Soziales oder Governance. Auch bei der Finanzierung spielen diese Aspekte zunehmend eine Rolle. Unternehmen müssen sich nicht nur auf Fragen ihrer Finanzgeber einstellen, sondern auch darauf, dass Kreditkonditionen daran festgemacht werden, wie nachhaltig das Unternehmen aufgestellt ist. Das erfordert Vorbereitung, mehr Transparenz und ein adäquates Reporting – verspricht aber, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens auch bei der Kapitalbeschaffung zu sichern.