Autos und Wohnmobile fahren auf den deutsch-schweizerischen Grenzuebergang zu.

Wie Sie Ihr Sozialversicherungssystem wählen können

Bei grenzüberschreitender Telearbeit will die EU-Kommission für Klarheit sorgen, wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Sozialabgaben zahlen.


Überblick

  • Pandemiebedingte Sonderregelungen waren nur befristet und laufen aus. 
  • Die Brüsseler Verwaltungskommission entwickelte ein Multilateral Framework Agreement (MFA). Dieses gewährt Beschäftigten, die zwischen 25 und weniger als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit im Wohnsitzstaat arbeiten, das Wahlrecht, im Sozialversicherungssystem des Arbeitgeberstaates zu bleiben.
  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer können demzufolge eine Ausnahmevereinbarung samt A1-Bescheinigung beantragen.

Auch nach der Pandemie bleiben Telearbeit und hybrides Arbeiten beliebt. Sie bergen in grenzüberschreitenden Fällen jedoch das Risiko, dass ungewollt eine Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzstaat ausgelöst wird. Denn pandemiebedingte Sonderregelungen sind bzw. waren nur befristet und laufen aus. Deutschland hat deshalb bereits mit Österreich und Tschechien Rahmenvereinbarungen getroffen, um bei Telearbeit eine Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzstaat ab Juli 2023 zu verhindern. Nun liegt auch ein Lösungsvorschlag auf EU-Ebene vor. Die Brüsseler Verwaltungskommission hat ein Multilateral Framework Agreement (MFA) erarbeitet, das ein Wahlrecht für den Verbleib im Sozialversicherungssystem des Arbeitgeberstaates für Beschäftigte vorsieht, deren Tätigkeit im Wohnsitzstaat zwischen 25 und weniger als 50 Prozent der gesamten Arbeitszeit umfasst. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können demzufolge eine Ausnahmevereinbarung samt A1-Bescheinigung beantragen. Sie soll für drei Jahre gelten und auf Antrag verlängert werden können.

Deutschland, Rheinland Pfalz, Trier, Ausflugsschiff auf der Mosel mit Stadtbild
Blick von Trier auf Luxemburg

Einvernehmlicher Antrag

Der Antrag muss im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gestellt werden. Er ist in dem Mitgliedstaat zu stellen, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Das MFA gilt grundsätzlich nicht für bereits abgelaufene Zeiträume, es sei denn,

  • der Antrag betrifft höchstens die letzten drei Monate vor dem Zeitpunkt der Antragstellung oder
  • er betrifft die letzten zwölf Monate vor dem Zeitpunkt der Antragstellung und wird spätestens am 30. Juni 2024 gestellt.

Außerdem müssen im betreffenden Zeitraum für den Arbeitnehmer im Sitzstaat des Arbeitgebers Sozialversicherungsbeiträge geleistet worden sein.

    Beispiel

Stefan ist seit 2018 in Frankreich für einen französischen Arbeitgeber tätig. Er hat immer zwei Tage von zu Hause aus in Deutschland gearbeitet und unterliegt seit 2018 dem deutschen Recht (wesentliche Tätigkeit). Am 1. Januar 2025 beantragt sein Arbeitgeber eine Ausnahmeregelung nach dem Rahmenabkommen für einen Zweijahreszeitraum vom 1. Oktober 2024 bis zum 1. Oktober 2026. Dem wird nicht stattgegeben, da sich der Antrag auf einen vergangenen Zeitraum bezieht und die Beiträge in das deutsche System eingezahlt wurden.

Anwendungsbereich

Das MFA erfasst alle Mitgliedstaaten der EU und des EWR sowie die Schweiz, sofern sie dem Vorschlag zustimmen. Die Regelungen finden nur Anwendung, wenn sich der Wohnsitz und der Sitz des Arbeitgebers in Staaten befinden, die die Rahmenvereinbarung unterzeichnet haben. Vorsicht geboten ist bei Dreieckskonstellationen. Klar ist bereits, dass das Vereinigte Königreich das MFA nicht unterzeichnen wird. Es soll allerdings Pläne geben, entsprechende bilaterale Vereinbarungen mit den einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu treffen.

Beispiel

Monique arbeitet 40 Prozent ihrer Arbeitszeit von ihrem Wohnsitz in Belgien aus und zu 60 Prozent in den Niederlanden in der Niederlassung ihres Arbeitgebers, der seinen satzungsmäßigen Sitz in Deutschland hat. Da Monique stets außerhalb des Staates arbeitet, in dem sich der satzungsmäßige Sitz ihres Arbeitgebers befindet, ist das Rahmenabkommen nicht anwendbar. Das MFA ist allerdings nur eine auf fünf Jahre befristete Übergangslösung, bis die EU-Verordnung Nr. 883/2004 an die neue Arbeitswelt angepasst ist.

Co-Autor: Dr. Marko Loose und Thomas Koch

Fazit

Arbeitgeber können durch die Anwendung des MFAs eine mögliche Sozialversicherungspflicht im Wohnstaat der Arbeitnehmer verhindern. Die Übergangsregelungen der Pandemie sind zum 30.06. 2023 ausgelaufen, so dass Arbeitgeber prüfen sollten, ob das MFA für ihre Beschäftigten in Betracht kommt. Eine einheitliche europäische Lösung wäre dabei zu begrüßen. Allerdings steht es den betreffenden Staaten frei, dem MFA zuzustimmen. Folglich ist nicht klar, ob Arbeitgeber und Berater innerhalb der EU bzw. des EWR (einschließlich Schweiz) mit einem Flickenteppich kämpfen müssen. Es bleibt daher zu hoffen, dass die entsprechende EU-Verordnung Nr. 883/2004 bald angepasst wird.

Für Homeoffice im EU- bzw. EWR-Ausland, in der Schweiz und auch im Vereinigten Königreich sollten spätestens ab 1. Juli 2023 Höchstgrenzen für die Anzahl der Arbeitstage im Homeoffice festgelegt werden. Im Einzelfall kann – insbesondere aus steuerlichen Gründen – ein Verbot des Homeoffice im Ausland ratsam sein. Es ist angebracht, diese dynamischen Entwicklungen generell im Blick zu behalten. Zuletzt erfolgte eine Anpassung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Luxemburg. Demnach können deutsche Grenzgänger demnächst 34 Tage im Jahr im Homeoffice arbeiten, bevor sie in Deutschland Steuern zahlen müssen. Die neue Regelung tritt 2024 in Kraft.

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