Beschaeftigte von Ford und Mitarbeiter anderer Betriebe versammeln sich zu einer Demonstration und Kundgebung der Gewerkschaft IG Metall am Tor 24 des Ford-Werks in Koeln Niehl.

Welche wesentlichen Handlungsfelder bei der strategischen Personalplanung zu berücksichtigen sind

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Der Transformationsprozess erfordert mehr als Kurzarbeit, Tarifflucht oder Arbeitsplatzabbau. Ein Überblick über die Optionen.


Überblick

  • Nach der aktuellen EY-Befragung gehen 64 Prozent der Unternehmen davon aus, dass sich ihr Geschäftsmodell in den kommenden fünf Jahren grundlegend ändern wird. 
  • Gleichzeitig fühlen sich nur 26 Prozent der Personalabteilungen für die anstehende Transformation gerüstet. Ein Alarmzeichen für Geschäftsführungen und Vorstände, sich näher mit dem Thema zu befassen.
  • Zur personalseitigen Realisierung der Geschäftsplanung lassen sich vier wesentliche Handlungsfelder skizzieren: Retain, Reskill, Recruit, Restructure.

Deutschlands Personalabteilungen stehen vor großen Herausforderungen und viel Arbeit. So planen 36 Prozent der Unternehmen noch in diesem Jahr Einschnitte bei der Beschäftigung sowie Umstrukturierungen, so ein Ergebnis des EY CEO Survey 2023. Damit erreicht die „Stapelkrise“, die von der Corona-Pandemie über den russischen Krieg in der Ukraine bis hin zum Energie- und Inflationsschock reicht, auch die Personaler mit voller Wucht. Hinzu kommen die Dauerbrenner Demografie, Dekarbonisierung und Digitalisierung. Nach der aktuellen EY-Befragung gehen 64 Prozent der Unternehmen davon aus, dass sich ihr Geschäftsmodell in den kommenden fünf Jahren grundlegend ändern wird. Gleichzeitig fühlen sich nur 26 Prozent der Personalabteilungen für die anstehende Transformation gerüstet. Ein Alarmzeichen für Geschäftsführungen und Vorstände, sich näher mit dem Thema zu befassen.

Gestaltungsoptionen

Die Zeiten, in denen die Personalabteilung einen rein ausführenden Charakter bei der Umsetzung der Geschäftsplanung hatte, sind spätestens durch den hohen Transformationsdruck Geschichte. Die Geschäftsstrategie muss durch eine daten- und faktengestützte sowie strategische Personalplanung flankiert werden. Bisher sind – über die reine Kapazitätsbetrachtung hinausgehende – Ansätze der kompetenzbasierten Planung in den meisten Unternehmen allerdings nicht verankert. Zur personalseitigen Realisierung der Geschäftsplanung lassen sich vier wesentliche Handlungsfelder (4 R) skizzieren:

  • Retain: Erhalt und Weiterentwicklung der Arbeitgebermarke während der Transformation und individuell zugeschnittene Maßnahmen, um die Talente für den Geschäftserfolg zu halten
  • Reskill: Umschulungen und Kompetenzausbildung, um neue Anforderungen mit den bestehenden Mitarbeitenden abbilden und diese in Wachstumsbereichen einsetzen zu können
  • Recruit: Identifikation bestehender Kapazitäts- und Kompetenzlücken und Entwicklung eines Rekrutierungsplans auch unter Berücksichtigung alternativer Möglichkeiten, wie z. B. das Eingehen von Partnerschaften oder Outsourcing
  • Restructure: sozialverträglicher und kostenschonender Personalabbau in den Bereichen außerhalb des Zielbildes

Personalplanungen und insbesondere Personalanpassungen sind also nicht gleichbedeutend mit Entlassungen. Umsetzungs- und Qualifizierungsmaßnahmen stellen Unternehmen jedoch teilweise vor noch größere Herausforderungen. So müssen die benötigten Fähigkeiten genau ermittelt und festgelegt werden. Dabei fehlt es häufig an den notwendigen Daten und Informationen bzgl. der aktuellen Fähigkeiten und Kenntnisse der Beschäftigten.

Betriebsrat einbinden

Sowohl die Erhebung dieser Daten als auch eine beabsichtigte Änderung der Betriebsorganisation erfordern die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat. Die Arbeitnehmervertretung hat bei Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten ein doppeltes Mitbestimmungsrecht: das Recht auf Verhandlungen über einen Interessenausgleich und gegebenenfalls einen Sozialplan sowie ein Zustimmungsverweigerungsrecht bezüglich jeder individuellen Umsetzungsmaßnahme (dieses Recht besteht unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten). Darüber hinaus haben Mitarbeitende das Recht, angebotene Qualifizierungsmaßnahmen abzulehnen und gegen eine mögliche Versetzung oder Änderungskündigung Klage vor dem Arbeitsgericht zu erheben. Die sorgfältige Planung einer unternehmerischen Transformation inklusive einer Prüfung und kontinuierlichen Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen auch während des Projekts ist somit unerlässlich.

Kurzfristig Kosten senken

Derzeit erscheint für viele Unternehmen eine kurzfristige Reduzierung der Personalkosten unabwendbar. Daran ändern auch die staatlichen Unterstützungsleistungen wie Kurzarbeitsprogramme nichts, von denen viele Unternehmen in den vergangenen Jahren profitierten. Zwar konnten dadurch vielerorts unmittelbare Entlassungen vermieden werden, doch strukturelle Anpassungen wurden nur aufgeschoben. Auch tarifliche Maßnahmen bieten meist nur die Möglichkeit, die Personalkosten kurzzeitig zu begrenzen. Öffnungsklauseln beschränken sich darauf, Lohnerhöhungen nur kurzfristig auszusetzen oder zu verschieben.

Drei Stufen

Maßnahmen zum Personalumbau oder -abbau sollten in drei Stufen erfolgen:

  1. eine solide Bestandsaufnahme des Ist-Zustands und der Ableitung des Zielzustands mithilfe einer durchgängigen Verknüpfung von Finanz- und Personaldaten
  2. eine klare, rechtskonforme Zielsetzung und Vorbereitung durch eine widerspruchsfrei handelnde Unternehmensleitung
  3. eine transparente Kommunikation der aktuellen Maßnahmen, eingeordnet in eine langfristige Perspektive für das Unternehmen und die Beschäftigten gleichermaßen

Kommunikation

Weitgehende Veränderungen im Unternehmen – ob struktureller Stellenabbau, geschäftsstrategische Neuausrichtung oder Wachstumsprogramme – erfordern immer eine geplante und angemessene interne und externe Kommunikation gegenüber den Beschäftigten, Arbeitnehmervertretern, Geschäftspartnern, Medien und Politik. Häufig wird dieser Aspekt unterschätzt. Aufgrund fehlender oder unprofessioneller Kommunikationsplanung passieren unnötige Fehler, wie z. B. die Bekanntgabe von Informationen, die noch nicht mit der Arbeitnehmervertretung abgestimmt sind. Solche Fehler können schnell die Gesamtplanung gefährden und sollten deshalb unbedingt vermieden werden.

Gezielte Mitarbeiterbindung

Die Transformation einer Gesellschaft bietet eine gute Gelegenheit zu prüfen, welche Mitarbeitenden das Unternehmen voranbringen und was ihnen das Unternehmen im Gegenzug bieten kann. In Ergänzung zu einer transparenten Kommunikation und einem fairen Umgang können Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung eine entscheidende Rolle spielen. Als Erstes müssen dafür klare Ziele definiert und datenbasiert Entscheidungen ermöglicht werden: Ist der bzw. die Beschäftigte langfristig ein Potenzialträger für das Unternehmen oder werden die individuellen Fähigkeiten gegebenenfalls nur während der Transformationsphase benötigt? Ein durchdachtes Retention-System berücksichtigt jede beschäftigte Person einzeln, bewertet ihre Wechselwahrscheinlichkeit und empfiehlt passende monetäre wie auch weitere Maßnahmen.

Künftiges Geschäftsmodell klar beschreiben

Eine genaue Beschreibung des künftigen Geschäftsmodells nebst einer genauen Planung auf Stellenebene schaffen eine Grundlage für die Gespräche mit allen Beteiligten, insbesondere mit der Arbeitnehmervertretung. Das Zielbild ist letztlich eine unternehmerische Entscheidung, die zunächst von der Arbeitnehmervertretung, aber letztlich auch von den Arbeitsgerichten auf ihre Nachvollziehbarkeit hin überprüft wird – insbesondere ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Die rechtlich geforderte umfassende Unterrichtung und Verhandlung mit der Arbeitnehmervertretung zielt letztlich auf den Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan. Eine solche Pflicht besteht nicht nur bei reinen Personalabbaumaßnahmen, sondern auch bei anderen wesentlichen Änderungen der Betriebsorganisation, etwa einer Teilstilllegung oder Spaltung eines Betriebs.

Interessenausgleich …

Ein Interessenausgleich dient der Festlegung, wie und in welchem Zeitraum die geplante Umstrukturierung durchgeführt und umgesetzt werden soll. Der Sozialplan dient dem Ausgleich und der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Beschäftigten infolge der geplanten Maßnahme entstehen. Der Abschluss eines Interessenausgleichs ist – anders als der eines Sozialplans – nicht erzwingbar, es muss jedoch ernsthaft und mit dem Willen zu einem Abschluss verhandelt werden. Dies wird in der Praxis häufig unternehmensseitig übersehen, mit der Folge, dass der Zeitrahmen für die Verhandlungen dann falsch eingeschätzt wird.

… und Sozialplan

Sozialpläne sehen meist Abfindungszahlungen vor. Diese bemessen sich in der Regel nach einer Formel, die neben Betriebszugehörigkeit und (Grund-)Gehalt einen zu verhandelnden Faktor zugrunde legt. Die Höhe dieses Faktors liegt – theoretisch – im alleinigen Ermessen der Betriebsparteien. Die Realität zeigt, dass häufig ein zuvor bereits erstelltes und als verkraftbar angesehenes Sozialplanbudget den Rahmen vorgibt. Ob und welches Sozialplanvolumen aber tatsächlich für das Unternehmen wirtschaftlich zumutbar ist, darüber entzündet sich in der Praxis häufig ein Streit. Als grobe Richtschnur gilt, dass Unternehmen nicht an die Grenzen der Liquidität gehen müssen und dass neben dem berechtigten Sicherungsinteresse der ausscheidenden Belegschaft die unternehmerische Fortführung des Unternehmens und damit die verbleibenden Arbeitsplätze gewährleistet bleiben.

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    Fazit

    Üblicherweise erfordern die Verhandlungen mit der Arbeitnehmervertretung eine gewisse Zeit, die wesentlich von den individuellen Umständen abhängt. Oft unterschätzt die Unternehmensseite aber die konkrete Dauer. Dabei hängt das Tempo erfahrungsgemäß maßgeblich von der beschriebenen Vorbereitung und Planung ab: Je fundierter und vollständiger die Informationen, je verständlicher und arbeitsrechtlich nachvollziehbarer die gesetzten Ziele, desto konstruktiver verlaufen üblicherweise die Verhandlungen, sofern auch das angebotene Sozialplanbudget von der Arbeitnehmervertretung als angemessen empfunden wird. Letztlich gilt es, die unternehmerische Transformation durch eine strategisch, wirtschaftlich und arbeitsrechtlich professionelle Vorbereitung und Durchführung umzusetzen.

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