Erfahrener Schreiner mit Lehrling

Wie der Weg in den Ruhestand für Jung und Alt flexibel gestaltet werden kann

Bei zunehmendem Fachkräftemangel wird es wichtig, Beschäftigte mit Zeitmodellen zu motivieren. Nun rücken selbst Rentner in den Fokus.


Überblick

  • Die Work-Life-Balance verschiebt sich zugunsten der Freizeit. 
  • Es bedarf eines Lebensarbeitszeitmodell, das verschiedene Elemente wie Gleit- und Teilzeit, Langzeitkonten oder Altersteilzeit enthält. 
  • Ein Offboarding-Programm sollte verschiedene Bausteine enthalten, um den Wünschen und Vorstellungen der Arbeitnehmer bestmöglich entgegenzukommen.

Rund 13 Millionen Erwerbstätige werden in den nächsten 15 Jahren das gesetzliche Rentenalter erreichen, prognostiziert das Statistische Bundesamt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zählte im vierten Quartal des vergangenen Jahres knapp 2 Millionen offene Stellen. Der Anteil der unter 30-Jährigen an der Erwerbsbevölkerung zwischen 1990 und 2020 ist von 29 auf 21 Prozent gesunken; zukünftig werden rund 27 Prozent 60 Jahre oder älter sein. 

Auch wenn sich nach einer von Civey im Auftrag des Demographie Netzwerk e. V. (ddn) erhobenen Studie mit 2.500 Erwerbstätigen rund ein Viertel der höher qualifizierten Akademiker durchaus vorstellen kann, bis zum Alter von bis zu 69 Jahren zu arbeiten, können sich dies drei Viertel eben nicht vorstellen. Je jünger die Befragten, desto größer der Wunsch nach einem frühzeitigen Ausscheiden aus dem Berufsleben. Von den 18- bis 29-Jährigen möchten fast 60 Prozent höchstens bis zum Alter von 61 Jahren arbeiten. 

Die Work-Life-Balance verschiebt sich also zugunsten der Freizeit. Eine der wichtigsten Fragen für die Personalabteilungen lautet daher: Wie können wir als Unternehmen dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel begegnen? Wie können wir die besten jungen Talente akquirieren und gleichzeitig wertvolle ältere Arbeitnehmer an uns binden? Eine Antwort lautet: ein Lebensarbeitszeitmodell, das verschiedene Elemente wie Gleit- und Teilzeit, Langzeitkonten oder Altersteilzeit – und flexible Arbeit im Rentenalter enthält. 

Bewährtes ausbauen 

Als flexible Arbeitszeitmodelle sind in Deutschland Gleitzeit und Teilzeit weit verbreitet. Bei Gleitzeitmodellen legen die Beschäftigten selbst fest, zu welchen Tageszeiten sie jenseits einer vorgegebenen Kernarbeitszeit arbeiten. Bei Teilzeitmodellen reduzieren Arbeitnehmer in Absprache mit dem Unternehmen ihre wöchentliche Arbeitszeit. Daneben gibt es Modelle, die gezielt für längere berufliche Auszeiten oder für einen flexiblen Übergang in den Ruhestand genutzt werden können. Dazu zählen beispielsweise Langzeitarbeitskonten. Arbeitgebern kommt die Flexibilität eines Langzeitarbeitskontos ebenso zugute: Sie können – bei entsprechenden Vereinbarungen – schneller auf veränderte Bedingungen reagieren (z. B. saisonale Schwankungen oder veränderte Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen). Eine gute Organisation und Kommunikation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stellt sicher, dass Konflikte beim Aufbau und bei der Verwendung der Wert- bzw. Zeitkonten vermieden werden. 

Rentengrenze überwinden … 

Altersteilzeit- oder Vorruhestandsmodelle können gleichermaßen Vorteile schaffen. Attraktiver geworden ist mittlerweile die Teilzeitbeschäftigung ehemaliger Mitarbeiter im Ruhestand. Denn seit 1. Januar 2023 sind die Hinzuverdienstgrenzen gefallen, sodass alle Rentner und Pensionäre unbegrenzt entgeltlich arbeiten können, ohne dass ihnen die Ruhebezüge gekürzt werden. Für Unternehmen bietet sich hier eine Perspektive, wertvolle Mitarbeiter auch im gesetzlichen Altersruhestand noch an sich zu binden. Dies dürfte die Loyalität und das Engagement der Mitarbeitenden erhöhen – und zwar nicht nur solcher, die bereits kurz vor dem Ruhestand stehen.  

Grafik: Erwerbsbevoelkerung nach Altersgruppen

… und gleitendes Offboarding entwickeln

Um ein gleitendes Offboarding in den Ruhestand zu entwickeln, ist ein sorgfältiges Verständnis der individuellen Unternehmensziele, der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen sowie der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen erforderlich. Das betrifft auch die Frage, ob und inwieweit eine Mitbestimmung des Betriebsrats erforderlich ist. Es muss geklärt werden, welche Verpflichtungen oder Erleichterungen mit der Einführung eines gleitenden Offboarding-Programms einhergehen, etwa in Bezug auf Kosten für die Verwaltung des Programms oder Einsparungen bei Lohnsteuern oder Sozialversicherungsbeiträgen. Davon unabhängig können Unternehmen ihren Beschäftigten ein gutes Gefühl vermitteln, nämlich dass sie den Übergang in den Ruhestand ohne gravierende finanzielle Einschnitte planen können.

Fazit

Im Idealfall sollte ein solches Offboarding-Programm verschiedene Bausteine enthalten, um den Wünschen und Vorstellungen der Arbeitnehmer bestmöglich entgegenzukommen, ohne das Eigeninteresse des Unternehmens aus dem Auge zu verlieren. Bislang gibt es nicht viele Unternehmen, die ein einheitliches Offboarding-Konzept anbieten. Stattdessen sind Einzelmaßnahmen vorzufinden, die nicht immer zur individuellen Lebenssituation der Beschäftigten passen. Aber auch bereits im Unternehmen bestehende Einzelmaßnahmen in Bezug auf betriebliche Vorsorgeprodukte können in ein ganzheitliches Offboarding-Konzept integriert werden. Ein gut abgestimmtes Konzept schafft eine Win-win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

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