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Welche Änderungen die novellierte Verordnung zur Funktionsverlagerung mit sich bringt

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Die neue Verordnung zur Funktionsverlagerung sieht massive Verschärfungen vor. Es drohen Doppelbesteuerungen.


Überblick

  • Durch die novellierte Funktionsverlagerungsverordnung werden Berechnungsmethoden komplizierter und führen zu höheren Wertermittlungen.
  • Die FVerlV wurde Ende Oktober beschlossen und gilt rückwirkend zum 1. Januar 2022.
  • Durch die rückwirkende Anwendung sind bei künftigen Betriebsprüfungen erhebliche Diskussionen vorprogrammiert.

Mit der novellierten Verordnung zur Funktionsverlagerung (FVerlV) droht vielen international aufgestellten Unternehmen neues Ungemach. Die Berechnungsmethoden werden komplizierter und dürften zu höheren Wertermittlungen führen, die wiederum die ohnehin schon bestehenden Doppelbesteuerungsproblematiken weiter verschärfen dürften. Dabei schießt die Verordnung über die Gesetzeslage hinaus, auch wenn das Bundesfinanzministerium nur von einer im Wesentlichen redaktionellen Anpassung an das geänderte Gesetz spricht. Die Verordnung wurde Ende Oktober beschlossen und gilt rückwirkend zum 1. Januar 2022.

Berücksichtigung von Steuereffekten auf beiden Seiten

Laut Verordnung werden bei der Ermittlung des Einigungsbereichs, aus dem sich der Wert des Transferpakets bestimmt, nun auch Steuereffekte berücksichtigt, die erst aus der Funktionsverlagerung selbst resultieren. Die Verordnung zementiert damit die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, dass zum einen bei der Ermittlung des Mindestpreises aufseiten des übertragenden Unternehmens die Exit Tax, d. h. die Steuerbelastung auf den Ertrag aus der Veräußerung, zu berücksichtigen ist.

Zum anderen sind laut Verwaltung für die Berechnung des Höchstpreises des übernehmenden Unternehmens die steuerlichen Auswirkungen der Aufwendungen für den Erwerb des Transferpakets zu berücksichtigen, also die Abschreibungen (international „tax amortisation benefit“, kurz TAB). Die Einbeziehung dieser Steuereffekte führt zu einem Anstieg der Grenzpreise des Einigungsbereichs, also sowohl des Mindest- als auch des Höchstpreises. In der Folge ergibt sich regelmäßig ein signifikant höherer Verrechnungspreis der verlagerten Funktion. Im Extremfall lässt sich kein Einigungsbereich zwischen den betroffenen Jurisdiktionen mehr ermitteln.

Rechtliche Würdigung

Diese Position der Finanzverwaltung wurde bis dato in der Literatur kritisiert. Überwiegendes Argument war die mangelnde gesetzliche Grundlage, auf der die Verwaltungsauffassung fußt. Vor Änderung des § 1 AStG durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) stellten sowohl das Gesetz als auch die bisherige FVerlV auf den Terminus des Gewinns ab. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG a. F. wurde der Einigungsbereich von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt. § 3 Abs. 1 FVerlV sieht vor, dass der Wert in Übereinstimmung mit den Gewinnen stehen muss, die aus der Ausübung der verlagerten Funktion erwartet werden. Durch die Neugliederung von § 1 AStG mit dem AbzStEntModG wurde zwar § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG a. F. gestrichen; allerdings wurde weder der Wortlaut von § 1 Abs. 3 Satz 7 noch der von § 1 Abs. 3a AStG dahin gehend angepasst, dass sich daraus unmittelbar eine verpflichtende Berücksichtigung von Steuereffekten ergibt. Lediglich sollen laut Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG bei der Bewertung der Funktion auch Steuereffekte zu berücksichtigen sein, da diese bewertungsrelevant seien. Jedoch entfaltet eine Gesetzesbegründung für den Steuerpflichtigen keine Bindungswirkung. Das kann nur das Gesetz. Schon aus diesem Grund ist die Streichung des Terminus „Gewinn“ im Entwurf der FVerlV abzulehnen.

Widerspruch zu Bewertungsgrundsätzen

Zudem steht die Berücksichtigung einmaliger Besteuerungseffekte bei der Ermittlung des Einigungsbereichs auch im Widerspruch zu nationalen und internationalen Bewertungsgrundsätzen. So sieht der IDW Standard über die Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen weder eine Berücksichtigung von Exit Tax noch eines TAB vor. Auch die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien sind hier skeptisch. Vorsichtige Hinweise, dass Steuereffekte ggf. – je nach angewandter Methode – zu berücksichtigen sind, finden sich allein in Tz. 6.178 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2022 im Kapitel zu immateriellen Wirtschaftsgütern. Kapitel 9, das Stellung zur Behandlung von Funktionsverlagerungen nimmt, enthält demgegenüber keinerlei Hinweise zur Berücksichtigung von Steuereffekten. Dies ist auch sachgerecht, wenn man zugesteht, dass das „Gewinnpotenzial“ einer Funktion gerade noch nicht zu einem immateriellen Wirtschaftsgut erstarkt ist. International ist die Berücksichtigung von Steuereffekten bei der Bemessung eines fremdvergleichskonformen Ausgleichs für eine verlagerte Funktion jedenfalls alles andere als üblich. Die strikte Haltung Deutschlands in dieser Frage wird somit die Gefahr von Doppelbesteuerungen weiter erhöhen.

Andere Zinssätze …

Der Wert des Transferpakets ergibt sich aus den diskontierten Gewinnerwartungen. Maßgeblich ist der Kapitalisierungszinssatz, der sich aus dem Zins für eine risikolose Investition (Basiszins) und einem Zuschlag ergibt. Bisher ist der Zuschlag so zu bemessen, dass er die unternehmensübliche Risikobeurteilung berücksichtigt. Nach der neuen Verordnung soll sich der Risikozuschlag nicht mehr auf unternehmensübliche Vergleichsparameter beziehen, sondern sowohl für das übernehmende als auch für das verlagernde Unternehmen an vergleichbaren Fällen zwischen fremden Dritten bemessen werden. Der Steuerpflichtige hat somit marktübliche Zinssätze zu bestimmen und kann sich nicht mehr ohne weiteres auf unternehmensinterne Übung beziehen.

… sind problematisch

Problematisch ist, dass sich regelmäßig keine marktüblichen Renditen für Funktionen ermitteln lassen, sondern nur für das börsennotierte Unternehmen insgesamt. Sofern keine ausreichend vergleichbaren Renditeerwartungen ermittelt werden können, ist laut den Verwaltungsgrundsätzen der funktions- und risikoadäquate Zuschlag aus den Gewinnerwartungen des Gesamtunternehmens abzuleiten. Hierfür wird in der Praxis regelmäßig die Unternehmens-WACC (Weighted Average Cost of Capital) verwendet, sprich die gewogenen Gesamtkapitalkosten des Unternehmens. Die Anpassung der FVerlV an marktübliche Zinssätze führt dazu, dass der Steuerpflichtige nicht mehr ohne weiteres auf die Unternehmens-WACC abstellen kann. Unklar ist auch, wie der Steuerpflichtige die Risikobeurteilung eines fremden Dritten nachweisen soll. Denn Funktionen sind in aller Regel nicht vergleichbar. Das bereits ohnehin äußerst komplexe Bewertungsverfahren wird die Steuerpflichtigen somit vor noch größere Herausforderungen stellen. Die Hürde für den Nachweis des fremdüblichen Risikozuschlags wird das Verfahren verkomplizieren und den Aufwand auch hinsichtlich der Verrechnungspreisdokumentation erhöhen. Bei zu rigider Auslegung des Begriffs „marktüblich“ durch die Betriebsprüfer steigt auch hier die Gefahr von Doppelbesteuerungen. Denn international wird regelmäßig weiterhin auf unternehmensübliche Diskontsätze abgestellt.

Beweislastumkehr

Für weitere Verschärfungen sorgt die Einführung einer Nachweispflicht. Bislang reichte es aus, glaubhaft zu machen, dass auch fremde Dritte einen Ausgleichsanspruch auf zivilrechtliche Ansprüche beschränkt hätten. Gleiches gilt für die Glaubhaftmachung eines begrenzten Kapitalisierungszeitraums. In der Praxis genügte hier in der Regel, dass plausible Überlegungen vorgetragen wurden. Nun soll der Steuerpflichtige sowohl den begrenzten Kapitalisierungszeitraum nachweisen als auch beweisen, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile übertragen wurden. Dadurch wird die Beweislast, die bislang trotz einer Verpflichtung zur Glaubhaftmachung bei der Finanzverwaltung lag, auf die Steuerpflichtigen übertragen. Diese Umkehr der Beweislast steht nicht in Einklang mit den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen und der gesetzlichen Grundlage von § 1 AStG sowie der ständigen Rechtsprechung.

Verunglückte Funktionsverlagerungen

Grundsätzlich ist stets zu prüfen, ob tatsächlich eine Funktionsübertragung, d. h. ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, stattgefunden hat oder ob eine reine Nutzungsüberlassung vorliegt. Im Zweifelsfall wurde bislang auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung ausgegangen. Damit wurde dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eröffnet, um insbesondere bei verunglückten Funktionsverlagerungen die hohe Einmalbesteuerung zu vermeiden. Denn im Einzelfall kann die mit der Aufdeckung stiller Reserven einhergehende Sofortversteuerung zu erheblichen Liquiditätsproblemen führen. Jetzt hat das Bundesfinanzministerium aber den entsprechenden § 4 Abs. 2 FVerlV gestrichen. Gemäß Begründung sollen diese Zweifelsfälle bereits durch das geltende Steuerrecht zuverlässig geregelt sein. Es soll weiterhin von einer Nutzungsüberlassung auszugehen sein, wenn keine endgültige Verlagerung einer Funktion vorliegt. Im Klartext bedeutet dies, dass der Steuerpflichtige hier angehalten ist, den Sachverhalt frühzeitig zu erkennen, einzuordnen und zu dokumentieren.

Co-Autorinnen: Dr. Juliane Sassmann, Sophia Schuhmann

Fazit 

Die rückwirkende Anwendung der neuen Verordnung stellt eine zwar grundsätzlich wohl zulässige unechte Rückwirkung dar, da die relevante Rechtsprechung zu Gesetzen auf Verordnungen wohl übertragen werden muss; bereits im ersten Halbjahr vollzogene sowie derzeit laufende Funktionsverlagerungen erfolgten aber auf der Basis der alten FVerlV. Damit sind bei künftigen Betriebsprüfungen erhebliche Diskussionen programmiert.

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