Christian Lindner ueberführt jetzt die globale Mindestbesteuerung, die sein Amtsvorgaenger und heutiger Bundeskanzler Olaf Scholz 2021 im Kreis der G20-Finanzminister grundsaetzlich vereinbart hatte, in deutsches Recht.

Wie Deutschland die globale Mindestbesteuerung umsetzt

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Das Bundesfinanzministerium orientiert sich eng an der EU-Richtlinie. Klar ist: Es wird kompliziert. Aber es gibt auch Vereinfachungs- und Übergangsregeln.

Überblick

  • Bei der Umsetzung der Mindestbesteuerungsrichtlinie der EU hat sich das Bundesfinanzministerium für ein dreistufiges Verfahren entschieden.
  • Das Gesetzgebungsverfahren wird sich voraussichtlich bis weit ins zweite Halbjahr 2023 ziehen.
  • Unternehmen sind gefordert, sich sehr zeitnah damit zu befassen.

Bei der verpflichtenden Umsetzung der Mindestbesteuerungsrichtlinie der EU vom 14. Dezember 2022 hat sich das Bundesfinanzministerium in ungewohnter Weise für ein dreistufiges Verfahren entschieden. So hat es am 20. März zunächst einen Diskussionsentwurf zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung in Deutschland veröffentlicht. Einen Monat lang sollen Experten aus Wirtschaft und Finanzverwaltung die Möglichkeit zur Stellungnahme bekommen. Später will Bundesfinanzminister Christian Lindner einen Regierungsentwurf (3. Entwurf) erarbeiten lassen und dem Kabinett zur Verabschiedung vorlegen. Das Gesetzgebungsverfahren wird sich voraussichtlich bis weit ins zweite Halbjahr 2023 ziehen. Wegen der starken Kritik aus Kreisen der betroffenen Unternehmen will sich Lindner aber Zeit nehmen, um eine möglichst unbürokratische Umsetzung zu erreichen. Einige Vereinfachungsregelungen sind im Entwurf bereits vorgesehen. Nicht enthalten ist im Diskussionsentwurf jedoch eine kompensierende Erleichterung bei der nationalen Hinzurechnungsbesteuerung, z. B. in Gestalt der Senkung der AStG-Niedrigsteuergrenze von derzeit 25 Prozent auf den zukünftigen Mindeststeuersatz von 15 Prozent. Es bleibt abzuwarten, ob im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens eine entsprechende Anpassung aufgenommen wird.

89 (!) neue Paragrafen

Der Diskussionsentwurf trägt den Namen „Gesetz für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG)“. Das MinBestRL-UmsG besteht formal aus lediglich einem Artikel, mit dem ein neues Stammgesetz eingeführt werden soll: das „Gesetz zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (Mindeststeuergesetz – MinStG)“. Dieses ist als eigenständiges Gesetz neben den bereits existenten Steuergesetzen geplant; der vorgelegte Entwurf enthält auf 242 Seiten insgesamt 89 Paragrafen mit ausführlicher Gesetzesbegründung und orientiert sich eng an den Vorgaben der EU-Richtlinie und der OECD Model Rules.

Grafik: So geht es weiter

Umfassende Anwendung, wenn Größenkriterien erfüllt sind

Mit dem MinStG will Deutschland ab dem Jahr 2024 sicherstellen, dass insbesondere international agierende Unternehmensgruppen und große inländische Unternehmen auf eine effektive Ertragsteuerbelastung von mindestens 15 Prozent kommen – sei es durch eine Primärergänzungssteuerregelung („Income Inclusion Rule“), eine Sekundärergänzungssteuerregelung („Undertaxed Profit Rule“) oder eine anerkannte nationale Ergänzungssteuer („Qualified Domestic Minimum Top-up Tax“). Die Regelungen gelten für alle Unternehmensgruppen mit konsolidierten Umsatzerlösen von jährlich mindestens 750 Millionen Euro in zwei der jeweils letzten vier Konzernabschlüsse, unabhängig davon, ob die Unternehmensgruppen auf rein nationaler oder auf internationaler Ebene tätig sind. Staatliche Einheiten, internationale Organisationen, Non-Profit-Organisationen, Pensionsfonds sowie Investmentfonds, die oberste Muttergesellschaften sind, werden als „ausgeschlossene Einheiten“ definiert.

Gesonderte Berechnung

Für jeden Staat müssen Unternehmensgruppen selbst den effektiven Steuersatz für alle dort ansässigen Einheiten der Unternehmensgruppe in ihrer Gesamtheit ermitteln. Dabei werden die von den Unternehmen im jeweiligen Hoheitsgebiet gezahlten und gebuchten (angepassten) Steuern (im Zähler) ins Verhältnis zu den sogenannten Mindeststeuer-Gewinnen bzw. -Verlusten (im Nenner) gesetzt. Beide Größen sind für diesen Zweck gesondert zu ermitteln. Ausgangspunkt dieser Berechnung sind die nach einem anerkannten Rechnungslegungsstandard (u. a. IFRS, HGB oder US-GAAP) aufgestellten Konzernabschlüsse, die anschließend einer Reihe von Anpassungen (beispielsweise für Dividenden) unterzogen werden. Diese Anpassungen dienen faktisch einer Annäherung des Zählers an die tatsächliche nationale Steuerbelastung, der im Nenner eine aus der Rechnungslegung abgeleitete steuerliche Bemessungsgrundlage gegenübergestellt wird. Besonderes Augenmerk ist aus Praxissicht auf die Erfassung der latenten Steuern zu legen, die hier anzuwendenden Regeln sind umfangreich und komplex. Sofern der effektive Steuersatz in einem Staat am Ende unter 15 Prozent liegt, wird die Unternehmensgruppe mittels einer Ergänzungssteuer nachbesteuert, bis der effektive Mindeststeuersatz in diesem Staat erreicht ist.

Erhebung auf Ebene der obersten Muttergesellschaft

Die Nachversteuerung für sämtliche niedrig besteuerte Einheiten in einem Staatsgebiet findet in der Regel auf der Ebene der obersten – ggf. in einem anderen Staatsgebiet ansässigen – Muttergesellschaft statt. Bei einer deutschen obersten Muttergesellschaft würde eine Nachversteuerung demnach auf deren Ebene greifen. Hat sich der ausländische Staat aber dafür entschieden, die Niedrigbesteuerung für in seinem Gebiet belegene untergeordnete Einheiten selbst durch eine Qualified Domestic Minimum Top-up Tax (QDMTT) auf das geforderte Mindestniveau von 15 Prozent anzuheben, so wird diese Ergänzungssteuer auf der Ebene der deutschen obersten Muttergesellschaft grundsätzlich angerechnet (zum QDMTT Safe Harbour siehe unten). Verschiedene Länder, wie die Schweiz, Singapur oder das Vereinigte Königreich planen dies bereits. Auch für Deutschland selbst sieht der Diskussionsentwurf eine nationale Ergänzungssteuer vor. Hierdurch will Berlin sicherstellen, dass im unwahrscheinlichen Fall einer Niedrigbesteuerung in Deutschland die Nachversteuerung an den deutschen Fiskus erfolgt.

Safe Harbours

Die im Detail äußerst komplexen Regelungen sollen durch eine Reihe von Vereinfachungen abgemildert werden, die zum Großteil erst nach der Veröffentlichung der finalen EU-Richtlinie im Inclusive Framework on BEPS vereinbart und dort als sog. Safe Harbours ausformuliert wurden. Wird beispielsweise die ausländische nationale Ergänzungssteuer in Übereinstimmung mit einem anerkannten Rechnungslegungsstandard der obersten Muttergesellschaft oder auf der Grundlage der IFRS erhoben, wird der für dieses Land zu veranschlagende Steuererhöhungsbetrag für die Zwecke des MinStG auf null reduziert („QDMTT Safe Harbour“). Zudem ist im Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums ein weiterer Safe Harbour für aus Wesentlichkeitsgründen nicht konsolidierte Gesellschaften (sog. unwesentliche Geschäftseinheiten) enthalten.

Übergangszeit: CbCR-Safe-Harbour

Darüber hinaus enthält das MinStG insbesondere zeitlich befristete CbCR-Safe-Harbour-Regelungen. Diese erlauben es, die Hochbesteuerung anhand der länderbezogenen Berichterstattung (Country-by-Country Reporting, kurz CbCR) nach § 138a AO nachzuweisen, sofern der länderbezogene Bericht auf einem qualifizierten Konzernabschluss beruht (sog. qualifizierter länderbezogener Bericht). Die zeitlich befristeten CbCR-Safe-Harbour-Regelungen sollen allerdings nur während einer Übergangszeit – bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr von 2024 bis 2026 – gewährt werden.

Auf Antrag wird der nationale Steuerhöhungsbetrag für ein Land mit null angesetzt, wenn einer der drei folgenden Tests für dieses Land erfüllt wird:

  1. Die gesamten Umsatzerlöse in diesem Gebiet betragen weniger als 10 Millionen Euro und der gesamte Gewinn/Verlust vor Steuern weniger als 1 Million Euro (vereinfachter Wesentlichkeitstest).
  2. Der vereinfacht berechnete effektive Steuersatz (vereinfachter Effektivsteuersatztest) beträgt mindestens 15 Prozent (2024), 16 Prozent (2025) bzw. 17 Prozent (2026).
  3. Der Gewinn/Verlust vor Steuern gemäß dem qualifizierten länderbezogenen Bericht ist höchstens so hoch wie der sogenannte substanzbasierte Freibetrag (Substanztest).

Stellt die Unternehmensgruppe für ein Geschäftsjahr keinen Antrag oder erfüllt sie für ein Geschäftsjahr nicht die Voraussetzungen, sollen die CbCR-Safe-Harbour-Regeln für alle folgenden Geschäftsjahre nicht mehr in Anspruch genommen werden können. Sofern nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt waren, entfällt rückwirkend sowohl für das betroffene Geschäftsjahr als auch für alle folgenden Geschäftsjahre der Safe Harbour.

Mindeststeuer-Erklärung ans Finanzamt und Mindeststeuer-Bericht ans BZSt

Um das Verfahren zu zentralisieren, sieht der Diskussionsentwurf die Einführung einer Mindeststeuergruppe vor, die alle inländischen Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe umfasst. Der Gruppenträger (z. B. eine in Deutschland belegene zwischengeschaltete Muttergesellschaft) ist für die elektronische Abgabe der Steuererklärung beim zuständigen Finanzamt verantwortlich. Bei der Mindeststeuer-Erklärung müssen die Unternehmen selbst die fällige Steuer berechnen. Diese ist einen Monat nach der Erklärungsabgabe fällig.

Darüber hinaus muss jede Geschäftseinheit (oder eine Geschäftseinheit im Auftrag für die Unternehmensgruppe) grundsätzlich einen Mindeststeuer-Bericht elektronisch beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) einreichen. Dieser Bericht muss umfassende Informationen zur Unternehmensgruppe und alle für die Berechnung des effektiven Steuersatzes und der Ergänzungssteuerbeträge notwendigen Informationen enthalten. Der Mindeststeuer-Bericht ist im ersten Jahr der Mindeststeuerpflicht 18 Monate, danach 15 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres an das BZSt zu übermitteln. Die Verpflichtung zur Abgabe kann unter bestimmten Bedingungen entfallen, z. B. wenn bereits eine gebietsfremde oberste Muttergesellschaft einen Mindeststeuer-Bericht in ihrem Belegenheitsstaat abgegeben hat.

Sanktionen für Pflichtverletzung offen

Die in der EU-Richtlinie nicht näher definierten Sanktionen sind auch im Diskussionsentwurf im Rahmen der Bußgeldvorschrift bislang noch unvollständig: Wer vorsätzlich oder leichtfertig den Mindeststeuer-Bericht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt, handelt zwar ordnungswidrig, die maximal mögliche Geldbuße lässt der Entwurf jedoch derzeit noch offen.

Zeitliche Anwendung des MinStG

Wie von der EU vorgegeben, soll das MinStG für Geschäftsjahre anwendbar sein, die nach dem 30. Dezember 2023 beginnen. Die Sekundärergänzungssteuerregelung soll grundsätzlich ein Jahr später greifen und auf Geschäftsjahre anwendbar sein, die nach dem 30. Dezember 2024 beginnen.

Grafik: Mindestbesteuerung: Noch hoehere Einnahmen erwartet

Mindestbesteuerung: Noch höhere Einnahmen erwartet

Neuen OECD-Schätzungen zufolge wird die globale Mindestbesteuerung (Pillar II) weltweit zu jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von rund 220 Milliarden US-Dollar führen; das entspräche 9 Prozent der globalen Unternehmenssteuereinnahmen und ginge deutlich über die bisher avisierten 150 Milliarden Dollar hinaus. Auch bezüglich Pillar I, die eine gerechtere Verteilung der Gewinnbesteuerung der größten und ertragsstärksten multinationalen Unternehmen gewährleisten soll, überarbeitet die OECD ihre Schätzung: Gewinne in Höhe von etwa 200 Milliarden Dollar jährlich sollen der Besteuerung durch die Marktstaaten unterliegen und zu Mehreinnahmen von 13 bis 36 Milliarden Dollar führen. In Deutschland geht man insgesamt von Mehreinnahmen im niedrigstelligen Milliardenbereich aus, was aber auch von den derzeit geplanten nationalen Umsetzungen abhängt.

Co-Autor: Dr. Moritz Glahe

Fazit

Mit der Einführung der globalen Mindestbesteuerung betreten Wirtschaft und Finanzverwaltung Neuland. Es handelt sich um nichts weniger als die größte Steuerreform der vergangenen 100 Jahre. Die Umsetzung der Mindestbesteuerung ist in weiten Teilen sehr komplex. Unternehmen sind gefordert, sich sehr zeitnah damit zu befassen. Trotz des Versuchs, das Steuersystem zu vereinheitlichen, kommt es zu sensiblen Unterschieden in der nationalen Umsetzung. EY verfügt über ein transparentes Monitoring zu diesen Gesetzgebungsverfahren, ein internationales Netzwerk und die erforderliche Technologie-Kompetenz und stellt Ihnen all dies gerne auf Anfrage zur Verfügung (siehe auch Fast Tracks for BEPS).

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