Eine Luftaufnahme zeigt den regen Gueterumschlag im Hafen Taicang in Suzhou, Provinz Jiangsu, China, im Jahr 2022.

Wie Unternehmen ihr Operating Model an die globalen Verwerfungen anpassen

Verwandte Themen

Unternehmen passen ihr Operating Model an die globalen Verwerfungen und Trends an. Hierbei spielen Steuern eine wichtige Rolle.


Überblick

  • Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die optimale Ausrichtung von Geschäftsmodellen und deren steuerliche Strukturen haben sich maßgeblich verändert. 
  • Wer angesichts dieser Veränderungen im Unternehmen nach alternativen Strukturen und Prozessen sucht, muss zwingend auch steuerliche Fragestellungen einbeziehen.
  • Bei der Analyse der am besten geeigneten Vertriebsstruktur empfiehlt es sich, die Präferenzen und Anforderungen verschiedener Fachbereiche (u. a. Vertrieb, Supply Chain, HR, Steuern, Recht und IT) ganzheitlich zu berücksichtigen.

Die jüngsten Krisen haben die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die optimale Ausrichtung von Geschäftsmodellen und deren steuerliche Strukturen maßgeblich verändert. Die Pandemie hat bereits vor gut zwei Jahren aufgezeigt, wie verletzlich globale und auf Kosteneffizienz getrimmte Lieferketten sein können. Auch stellt die neue Arbeitswelt, in der flexibles Arbeiten über Ländergrenzen hinweg zum Standard wird, Strukturen wie Prinzipalmodelle, die auf der Ansiedlung bestimmter Rollen an einem zentralen Standort basieren, auf den Prüfstand. Zu guter Letzt werfen auch neue, digitale Verkaufskanäle die Frage nach der optimalen Vertriebsstruktur auf.

Wer angesichts dieser Veränderungen im Unternehmen nach alternativen Strukturen und Prozessen sucht, muss zwingend auch steuerliche Fragestellungen einbeziehen.

Traditionelle Konzernstrukturen

Zentralisierung entlang von Konzernwertschöpfungsketten war lange Zeit das gängige Credo. In einem gesamtwirtschaftlichen Umfeld, in dem internationaler Handel weitgehend frei von Friktionen war, konnten durch Standardisierung und Zentralisierung von Unternehmensprozessen kosteneffiziente Strukturen geschaffen werden. Diese manifestierten sich in globalen Lieferketten und Shared-Service-Center-Strukturen. Gleichzeitig wurden strategische Rollen häufig in sog. Prinzipal- oder „Hub“-Gesellschaften an einem zentralen Standort zusammengefasst, was wiederum effiziente (konzerninterne) Liefer- und Leistungsbeziehungen ermöglichte.

Grafik: Durchschnittliche Entfernung im Warenverkehr

Lieferketten resilienter machen

Das entscheidende Bauteil kommt aus der Ukraine? Das technische Herzstück hängt in einem chinesischen Hafen fest? Rohstoffe fehlen wegen Sanktionen? Unternehmen, die diese Erfahrungen machen, denken um. Um die Anzahl der „Single Points of Failure“ in globalen Lieferketten zu reduzieren, überprüfen gegenwärtig viele Unternehmen ihre Produktions-, Einkaufs- und Handelsnetzwerke. Es geht darum, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu erhöhen. Dafür nehmen Unternehmen sogar höhere Kosten in Kauf.

Um Lieferketten resilienter zu machen, nehmen Unternehmen höhere Kosten in Kauf. Mehrkosten entstehen zwangsläufig, wenn zusätzliche Werke in der Nähe der Absatzmärkte errichtet werden, um die Abhängigkeit von nur einem Produktionsbetrieb zu verringern. Gleiches gilt für die Verbreiterung der Lieferantenbasis, um für Ausfälle gerüstet zu sein. In vielen Unternehmen findet ein regelrechter Paradigmenwechsel statt, weg von dem alleinigen Credo „Wie können wir die Kosten in der Lieferkette minimieren?“, hin zu „Wie können wir Kunden schnellstmöglich und ohne Unterbrechung beliefern?“.

Vielfältige Vertriebskanäle

Der Trend zu mehr Agilität und Resilienz wird weiter von den sich verändernden Kundenerwartungen befeuert. Kunden nutzen zunehmend digitale Vertriebskanäle und machen ihre Kaufentscheidung von der Existenz eines Online-Shops abhängig. Viele Unternehmen unterhalten daher nicht mehr nur einen Vertriebskanal, sondern eine Kombination aus klassischem B2B-Geschäft und einem neuen, wachsenden D2C-Geschäft, das zusätzlich noch einen nahtlosen Übergang zwischen Online- und Offline- Kanälen erforderlich machen kann. Diese Vielfalt trifft auf bestehende transaktionale und steuerliche Vertriebsstrukturen, die nur für den traditionell dominierenden Vertriebsweg (oftmals B2B) konzipiert wurden.

Dienstleistungen anstatt Produkte

Auch legen Kunden immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit und weniger Wert auf physisches Eigentum, was unter anderem zu einer stärkeren Verbreitung von Leasing oder „Product as a Service“-Geschäftsmodellen führt, bei denen der Kunde nicht das Produkt erwirbt, sondern nur dessen Nutzung bzw. Nutzen. Hier entstehen gänzlich neue Umsatzströme aus Dienstleistungserlösen, die auch steuerlich anders zu beurteilen sind als Umsätze aus klassischen Produktverkäufen.

Grafik: Eine Weiterentwicklung von Multi-Hub-Modellen kann zusaetzliche geschaeftliche Flexibilitaet und/oder eine robustere Resilienz bewirken. Vergleich Traditionelle Prinzipalstruktur, Prinzipalstruktur mit partiell ausgelagerten Funktionen und Multi-Hub-Modelle

Passt die steuerliche Struktur noch?

Fraglich ist, ob die unter anderen Rahmenbedingungen errichteten Operating Models und steuerlichen Strukturen den genannten Anforderungen nach wie vor gerecht werden. Insbesondere stehen sog. Hub-/Prinzipalstrukturen sowie Vertriebsstrukturen, die auf klassischen Landesvertriebsgesellschaften basieren, auf dem Prüfstand.

Trend zu Multi-Hub-Modellen?

Die geopolitisch weitgehend konstante Phase der 2000er und 2010er-Jahre hat zentralisierte Prinzipalmodelle bzw. „Hub“ Strukturen begünstigt. Die o. g. Trends setzen Prinzipalmodelle nun jedoch zunehmend unter Druck. Insbesondere in den Fällen, in denen die Prinzipalgesellschaft im günstiger besteuerten Ausland angesiedelt ist, stellt sich angesichts der neuen, flexiblen Arbeitswelt in vielen Fällen die Frage nach der notwendigen „Mindestsubstanz“, um bestehende Steuer- und Verrechnungspreisstrukturen aufrechterhalten zu können. Konzerninitiativen mit dem Titel „Work from anywhere“ oder „Hire from anyware“ machen den Schutz bestehender Strukturen vor hohen steuerlichen Risiken zu einem anspruchsvollen Unterfangen. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden zwischen der wünschenswerten Flexibilität, der unternehmerischen Notwendigkeit und den aus steuerlicher Sicht notwendigen „Spielregeln“.

Oftmals lassen sich Wege finden, wie bestehende Hub-Strukturen zwar leicht angepasst werden müssen, jedoch in ihrer Grundkonzeption und ihrem und ihren steuerlichen Auswirkungen im Wesentlichen erhalten bleiben können. Beispielsweise können bestimmte Mitarbeitergruppen, die bisher in der Prinzipalgesellschaft angestellt waren, auch von Gesellschaften in ausgewählten anderen Standorten angestellt werden. Ein solches Outsourcing mag allerdings nicht mehr funktionieren, wenn zu viele Entscheidungsträger ausgelagert werden und die Substanz der Prinzipalgesellschaft damit zu sehr ausgehöhlt wird. In diesen Fällen sollte über weitere Optionen nachgedacht werden, z. B. über Multi-Hub-Modelle, bei denen Residualgewinne effektiv zwischen mehreren Hubs aufgeteilt werden.

Höhere Flexibilität

Der Vorteil von Multi-Hub-Modellen besteht vor allem in der höheren Flexibilität bzgl. der Ansiedlung wichtiger strategischer Rollen. Darüber hinaus kann ein Multi-Hub-Modell, verglichen mit einem substanzschwachen „Single Principal“-Modell, steuerliche Risiken maßgeblich reduzieren. Natürlich sollten auch die Unternehmenssteuersätze (unter Berücksichtigung der globalen Mindestbesteuerung) sowie steuerliche und nicht steuerliche Fördermaßnahmen bei der Analyse der optimalen Hub-Struktur Berücksichtigung finden (siehe auch Artikel ab Seite 60).

Grafik: Eine einzige europaeische Vertriebseinheit mit Niederlassungen kann das Verkaufs- und Vertriebsmodell vereinfachen

Eine einzige europäische Vertriebsgesellschaft?

Auf der Vertriebsseite des Operating Model agieren Unternehmen in vielen Branchen traditionell über Landesvertriebsgesellschaften, die Fertigprodukte konzernintern einkaufen und mit einer aus Verrechnungspreissicht angemessenen Marge an Kunden verkaufen. Diese Strukturen haben sich als steuerlich robust erwiesen, u. a. weil sie das Risiko der Entstehung von Vertreterbetriebsstätten in der Regel vermeiden. Allerdings ist ein Netzwerk aus vielen, mitunter sehr kleinen Landesvertriebsgesellschaften unter Kosten- und Komplexitätsgesichtspunkten nicht zwingend die ideale Vertriebsstruktur. Denn jede Legaleinheit, insbesondere wenn sie als Eigenhändler mit den dafür notwendigen IT-Prozessen ausgestattet sein muss, löst Infrastruktur- und Compliance-Kosten aus. In vielen Fällen soll auch der interne Aufwand für die Pflege konzerninterner Transaktionen (etwa Verrechnungspreissteuerung) auf ein Minimum reduziert werden.

Hinzu kommt, dass gerade der Trend zu E-Commerce bzw. „Direct to Consumer“-Vertriebskanälen oftmals ein zentralisierteres Vertriebsmodell begünstigt, bei dem eine zentrale Gesellschaft an Kunden in einer Region wie Europa verkauft. Eine solche zentrale Vertriebsgesellschaft dient typischerweise der Vereinfachung des transaktionalen Geschäftsmodells, während gleichzeitig die aus kommerzieller Sicht notwendige lokale Vertriebspräsenz in Form von Niederlassungen bzw. steuerlichen Betriebsstätten aufrechterhalten werden kann.

Co-Autorin: Anastasia Salostey 

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    Fazit 

    Bei der Analyse der am besten geeigneten Vertriebsstruktur empfiehlt es sich, die Präferenzen und Anforderungen verschiedener Fachbereiche (u. a. Vertrieb, Supply Chain, HR, Steuern, Recht und IT) im Rahmen einer Machbarkeitsstudie ganzheitlich zu berücksichtigen.

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