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Warum die Green-Claims-Richtlinie der EU eine klare Ansage für grüne Produkte ist

Die EU-Richtlinie gegen Greenwashing sorgt für mehr Klarheit bei grünen Produkten. Wie Verbraucher profitieren und was Unternehmen beachten müssen.


Überblick

  • Die Green-Claims-Richtlinie der EU soll Greenwashing verhindern und das Verbrauchervertrauen in grüne Produkte stärken.
  • Grüne Werbeaussagen müssen belegbar und transparent sein.
  • Für Unternehmen, die klimafreundliche Produkte anbieten, bieten sich Chancen im Wettbewerb.

Umweltfreundlich“, „klimaneutral“, „100 Prozent recycelt“, „biologisch abbaubar“: Mit solchen Schlagworten auf ihren Produkten oder Verpackungen wollen Unternehmen beim Konsumenten als ökologisch und verantwortungsbewusst wahrgenommen werden. Das Problem dabei: Mehr als die Hälfte der Aussagen sind laut einer Studie der EU-Kommission vage, irreführend oder nicht fundiert. Im schlechtesten Fall wird der Verbraucher nicht nur verwirrt, sondern getäuscht. Um wirklich nachhaltige Kaufentscheidungen zu ermöglichen, das Greenwashing zu beenden und den Dschungel der Nachhaltigkeitssiegel zu lichten, hat die Europäische Union (EU) die Green-Claims-Richtlinie auf den Weg gebracht. Sie enthält strenge Anforderungen an grüne Werbeaussagen, Prüfungspflichten und Strafen bei Verstößen. Was aus Unternehmenssicht zunächst nach neuen bürokratischen Hürden klingt, kann für jene, die Umweltschutz ernst nehmen, zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden. Die Richtlinie bietet also einen doppelten Vorteil: Verbraucher können nachhaltiger einkaufen und Unternehmen ihren Umsatz steigern und ihr Image verbessern.

Studie der EU-Kommission von 2020
der Umweltaussagen sind vage, nicht fundiert oder irreführend.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission zu umweltbezogenen Produktangaben, die Green-Claims-Richtlinie, reiht sich ein in die Ziele und Vorgaben des Green Deal der EU von 2019, der Themen wie Klimaneutralität, saubere Energie, Biodiversität oder nachhaltige Mobilität umfasst. Die Green-Claims-Richtlinie soll als Lex Specialis neben die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken treten, die irreführende oder sogar täuschende umweltbezogene Aussagen bereits heute auf europäischer Ebene adressiert. Die Green-Claims-Richtlinie ist das dritte Paket von Vorschlägen zur Kreislaufwirtschaft zusammen mit Ideen, wie sich Produkte vermehrt reparieren lassen, statt sie bei kleinsten Defekten wegwerfen zu müssen. Sie gilt für alle Unternehmen, die Produkte für Verbraucher in der EU anbieten – unabhängig davon, ob diese in der EU hergestellt werden. Einzige Ausnahme sind Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von weniger als zwei Millionen Euro. Die Richtlinie muss nach der Verabschiedung binnen 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden. Unternehmen haben ab diesem Zeitpunkt zwei Jahre Zeit, die Pflichten zu erfüllen.

Grüne Werbeaussagen müssen transparent und nachweisbar sein

Schon heute unterliegen grüne Werbeaussagen in Deutschland strengen Anforderungen. Doch was im Zweifel irreführend ist, entscheiden Gerichte im Einzelfall. Der Richtlinienvorschlag der EU geht einen Schritt weiter. Umweltangaben über Produkte, Dienstleistungen oder das Unternehmen selbst, für die es keine spezifischen Regeln gibt, wie etwa die Bezeichnung „klimaneutral“, müssen belegbar sein und kommuniziert werden. Die Aussagen müssen

  • erkennen lassen, ob sich die Angaben auf das gesamte Produkt, das ganze Unternehmen oder nur auf Teilbereiche beziehen.
  • sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und den aktuellen Stand der Technik stützen.
  • klarstellen, inwiefern das grüne Produkt im Vergleich zu herkömmlichen Produkten tatsächlich besser ist.
  • den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen.
  • bei CO2-Bezug offenlegen, ob Emissionen reduziert oder nur kompensiert werden.

Informationen, die eine Umweltangabe belegen sollen, können den Verbrauchern etwa durch eine Beschreibung, einen QR-Code oder Weblink auf dem Produkt zugänglich gemacht werden.


Umweltangaben über Produkte, Dienstleistungen oder das Unternehmen selbst müssen belegbar sein.


Umweltbezogene Angaben und deren Nachweise sollen vor Veröffentlichung durch eine unabhängige Akkreditierungsstelle überprüft werden, die eine sogenannte Konformitätsbescheinigung ausstellt. Alle Umweltangaben müssen aktualisiert und spätestens nach fünf Jahren überprüft werden.

 

Wildwuchs der Umweltzeichen beenden

Neben umweltbezogenen Werbeaussagen will die Green-Claims-Richtlinie gegen den zunehmenden Wildwuchs öffentlicher und privater Umweltzeichen und Siegel vorgehen. Bei aktuell rund 230 verschiedenen Zeichen verwundert es nicht, dass Verbraucher verwirrt und misstrauisch reagieren. Zumal die vielen Umweltsiegel nicht dazu geführt haben, dass der Plastikmüll weniger wird. Im Gegenteil: Jedes Jahr produzieren wir rund 300 Millionen Tonnen – Tendenz steigend. Gemäß der Green-Claims-Richtlinie sind neue öffentliche Umweltlabels nur noch zulässig, wenn sie auf EU-Ebene entwickelt werden. Bei neuen privaten Systemen muss nachgewiesen werden, dass ihre Umweltziele ehrgeiziger sind als bereits bestehende. Zudem müssen sie vorab genehmigt werden, verlässlich und transparent sein sowie unabhängig geprüft und regelmäßig validiert werden.

Nachhaltigkeitssiegel
verschiedene Nachhaltigkeitssiegel gibt es in der EU.

Strafen bei Verstößen

Nach dem Richtlinienvorschlag können sowohl Behörden als auch Privatpersonen oder Organisationen mit berechtigtem Interesse, etwa NGOs oder Verbraucherschützer, Beschwerden gegen umweltbezogene Angaben einreichen. Der Sanktionskatalog umfasst

  • die Beschlagnahme von Einnahmen, die der Händler mit den betreffenden Produkten erzielt hat.
  • den zeitweisen Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen, Zuschüssen und Konzessionen.
  • Geldbußen von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes.

Handlungsbedarf für Unternehmen

Zwei Jahre klingt vielleicht nach genügend Zeit, um die Anforderungen der Green-Claims-Richtlinie zu erfüllen. Die Dimension wird jedoch deutlich, wenn man sich beispielsweise deutsche Supermärkte anschaut, die rund 200.000 einzelne Lebensmittelprodukte anbieten. Bedenkt man zudem, dass es mindestens ein Jahr dauert, um eine neue Verpackung zu entwickeln, die Umweltaspekte zu belegen und zu prüfen, die Werbeaussagen für die Verbraucher zu kommunizieren und dazu bei Verkäufen im Ausland die nationalen Gesetze zu berücksichtigen, wird die Zeit knapp.

 

Schon jetzt ist klar, dass die neue EU-Regelung nur Unternehmen nutzt, die ernsthaft um Umweltschutz bemüht sind. Wer sich nur einen grünen Anstrich verpassen will, wird es künftig schwerer haben. Immer mehr Konsumenten achten auf nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen und reagieren empfindlich auf Greenwashing. Unternehmen, die statt Einweggläsern oder Plastiktüten Mehrwegsysteme wie wiederverwendbare Glasbehälter oder Stofftaschen entwickeln, Verpackungen aus biologisch abbaubaren Materialien wie pflanzlichen Stärken (z. B. Mais, Zuckerrohr, Algen oder Holzfasern) oder aus leicht recycelbaren Materialien wie Pappe oder Papier herstellen bzw. Produkte kompakter machen, sodass sie weniger Verpackung benötigen, können von dieser Entwicklung künftig profitieren.

Fazit

Die Green-Claims-Richtlinie der Europäischen Union zielt darauf ab, Greenwashing zu bekämpfen, das Vertrauen der Verbraucher in grüne Produkte zu stärken und einen Beitrag zum Schutz der Umwelt zu leisten. Sie legt fest, dass Umweltaussagen zu Produkten und Dienstleistungen wahrheitsgemäß, klar und verständlich sein müssen. Unternehmen müssen über verlässliche Nachweise für ihre Umweltbehauptungen verfügen und die spezifischen Kriterien für eine umweltfreundliche Produktgestaltung erfüllen. Für Unternehmen, die sich ernsthaft um zum Beispiel mehr Klimaschutz bemühen, kann die Regelung Wettbewerbsvorteile eröffnen.

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