Zwei Ingenieure und Konstrukteure diskutieren über die Berechnung von reiner Energie

„Die Energiewende bedarf zahlreicher Lösungen und Partnerschaften“

Interview mit Florian Unger, Leiter Vertrieb Immobilienwirtschaft – Plattform Deutschland, GETEC Group


Überblick

  • Welche Synergien ergeben sich im Zusammenwirken von Stadtwerken und privaten Energieunternehmen?
  • Warum sind Digitalisierung und Vernetzung wichtiger als jemals zuvor?
  • Wohin geht die Reise bei der Energieversorgung im Bestand?

Die GETEC feiert in diesem Jahr 30-jähriges Unternehmensjubiläum. Was zeichnet das Unternehmen aus?

Die GETEC hat sich von Anfang an durch ein klares Zielbild und Selbstverständnis ausgezeichnet. Wir waren immer sehr pragmatisch, schnell und lösungsorientiert. Das mussten wir auch sein, denn als privates Energie- und Dienstleistungsunternehmen waren wir schon immer dem Wettbewerb ausgesetzt. Das hat uns sehr geprägt, weil wir uns – anders als vielleicht die klassische Energiewirtschaft – von Beginn an gegen Konkurrenz beweisen und die Kunden von unserem Produkt überzeugen mussten. Sicherlich haben uns auch die Umstände bei der Gründung in die Karten gespielt. In Magdeburg, wo auch heute noch unser Sitz ist, bestand nach der Wende ein immenser Sanierungsbedarf in der Wohnungswirtschaft. Die Idee, die Ertüchtigung der Energie- oder Wärmeversorgung in den Objekten zu übernehmen, ist auf große Resonanz gestoßen. Es folgte der Schritt nach Berlin – wohnungswirtschaftlich bis heute der große Hotspot. Neben den beschriebenen Eigenschaften kam uns auch zugute, dass Gewinne stets in die GETEC und neue Projekte zurückflossen. Der schon sehr frühe Schritt von der Wohnungswirtschaft in die Industrie war dann die logische Konsequenz.

In welchen Märkten und mit welchen Produkten sind Sie besonders erfolgreich?

Bei allem Wachstum sind wir immer unseren Kernkompetenzen und unserem Grundmodell des Contracting treu geblieben. Im Mittelpunkt stehen unsere dezentralen Lösungen, mit denen wir in der Wohnungswirtschaft vor Ort Wärme, Strom oder auch Kälte erzeugen und im Objekt bzw. Quartier verteilen. Wir investieren stets selbst in die Erzeugungsanlagen und übernehmen daraus über die gesamte Laufzeit des Vertrags die entsprechende Versorgung. So praktizieren wir dies auch bei unseren Industriekunden, allerdings sind die Lösungen hier eben auf die Versorgung komplexer Produktionsprozesse ausgerichtet. Dieses Modell haben wir somit über die Zeit regional, branchenseitig und technologisch immer weiter gefasst, den Pfad aber nie verlassen. Es gab auch Überlegungen, in den Bereich Messdienstleistungen oder Medienversorgung einzusteigen. Im Rahmen der strategischen Ausrichtung haben wir festgehalten, dass wir hier zwar kompetent sein und Lösungen anbieten wollen, aber nicht alles selbst machen müssen. Daraufhin haben wir uns Best-in-Class-Partner dazugeholt. Solche strategischen Fragestellungen, wo man eigene Kompetenzen aufbaut oder dem Prinzip der Partnerschaft treu bleibt, beleuchten wir wiederkehrend, so auch gerade gemeinsam mit unserem neuen Investor.

Florian Unger, Leiter Vertrieb Immobilienwirtschaft – Plattform Deutschland, GETEC Group Florian Unger, Leiter Vertrieb Immobilienwirtschaft – Plattform Deutschland, GETEC Group

EY und BDEW Stadtwerkestudie 2023

Wie die Stadtwerke mit neuen Strategien auf die Energiekrise reagieren.

Erwarten Sie dabei Veränderungen?

 

In den zurückliegenden Jahren waren wir vor allem im Umfeld von Projektentwicklungen aktiv, sind mit Bauträgern gewachsen und haben Lösungen für die grüne Wiese konzipiert. Im Bestand kommt man nicht umhin, sich mit dem Gebäude als Ganzem zu beschäftigen. Da spielt die Musik nicht mehr nur in den Kellern der Gebäude, sondern aufgrund der veränderten Technologien zum Beispiel auch auf deren Dächern. Wir sprechen nicht mehr nur von einem Gaskessel oder dem Blockheizkraftwerk. Neben der Wärmepumpe gibt es nun auch noch die Photovoltaikanlage auf dem Dach, idealerweise perspektivisch einen Batteriespeicher oder andere Speichermöglichkeiten und in der Tiefgarage steht das zu ladende E-Auto usw. All das müssen wir vernetzt denken und intelligent umsetzen.

 

Energieversorger sehen große Synergiepotenziale mit der Wohnungswirtschaft, tun sich aber schwer, außerhalb des Commodity-Geschäfts große Renditen in dezentralen Lösungen zu erzielen. Was macht die GETEC anders?

 

Hier komme ich noch einmal auf unsere DNA zurück und auf die Tatsache, dass wir von Anfang an im Wettbewerb standen, keineswegs gesetzt waren und daher mit kundenorientierten Lösungen antreten mussten. Wer dagegen lange Zeit als Monopolist unterwegs war, kann das nicht einfach abschütteln. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen weiterhin politisch gesteuert sind, was den angestoßenen Kulturwandel tendenziell eher verlängert.

 

Der zweite Aspekt ist, dass wir als GETEC durch die Vielzahl von Projekten eine wahnsinnige Lernkurve erlebt haben. Gerade kleinere und mittlere Stadtwerke haben Anwendungsfälle in dieser Breite naturgemäß gar nicht. Gegenüber den großen Energieversorgern wiederum ist unser Vorteil, dass wir schnell entscheiden und finanzierungsseitig trotzdem die nötige Firepower haben. Bei der GETEC können wir im Grunde innerhalb von 14 Tagen alle Gremien passieren und loslegen.

 

Die Stadtwerke sehen geringere Synergieeffekte mit der Wärmeindustrie – dies ist ein Trend, der sich seit einigen Jahren fortschreibt. Wie arbeitet die GETEC derzeit mit Stadtwerken zusammen bzw. wie sehen Sie zukünftige Synergiepotenziale oder Kooperationsmöglichkeiten mit Stadtwerken?

Grundsätzlich sind solche Potenziale vorhanden und wir haben sie auch schon gehoben, etwa im Pioneer Park, einer ehemaligen Kaserne in Hanau. Bei diesem großen Entwicklungsprojekt war schnell klar, dass ein gemeinsames Vorgehen sinnvoll ist. In Gestalt einer Gesellschaft mit konkreter Aufgabenteilung und langfristigem Ansatz gehen die Stadtwerke Hanau und die GETEC das gemeinsam an. Auch auf Sylt gibt es ein Beispiel, wo wir zwar ohne gemeinsame Gesellschaft, aber mit klarer Arbeitsteilung hinsichtlich Erzeugung und Verteilung operieren.

 

Es gibt nicht die eine richtige Konstellation. Wichtig ist zu schauen, welche Aufgabe gelöst werden muss und wer dafür welche Kompetenzen mitbringt. Hier sind die Stadtwerke meiner Beobachtung nach sehr unterschiedlich aufgestellt. Sicherlich können sie kleinere und dadurch weniger komplexe Projekte genauso gut bewerkstelligen wie eine GETEC. Unterm Strich ergibt es aber immer mehr Sinn, miteinander zu marschieren als gegeneinander. Das gilt insbesondere für komplexe Themen, die mit Blick auf die Dekarbonisierung von bestehenden Versorgungslösungen in Bestandsquartieren zunehmen werden. Nicht zuletzt die Aufgabenfülle der Stadtwerke, der politische Erwartungsdruck und die Frage der Finanzierung schreien geradezu danach, jemanden wie uns ins Boot zu holen. In der Tat sehen wir auch, dass wir inzwischen leichter ins Gespräch kommen als noch vor einiger Zeit und dass sich die Stadtwerke offener zeigen, die Möglichkeiten auszuloten.

 

Welche Vorteile haben die Stadtwerke gegenüber der GETEC aus Ihrer Sicht?

 

Ein großer Vorteil ist natürlich die Vernetzung vor Ort und auch die Unterstützung, die Stadtwerke genießen. Man sieht sich regelmäßig auf Veranstaltungen und die Kommune ist in der Regel Anteilseigner. Oberbürgermeister und Gemeinderäte haben ein hochrangiges Interesse daran, dass die Stadtwerke an der Wertschöpfung von energetischen Projekten in der jeweiligen Kommune partizipieren. Die enge Verzahnung betrifft auch die Kunden – die Einbindung der Stadtwerke ist hier oftmals auch ein stark politisch motiviertes Instrument im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben. Auch vor diesem Hintergrund sehe ich große Vorteile in Partnerschaften.

 

Die GETEC verfügt über ein großes Portfolio an gasbetriebenen Wärmeanlagen – wie haben Sie das Jahr 2022 wahrgenommen?

 

Unsere Welt hat sich massiv gedreht, zum einen weil sich mit der Zinswende und den galoppierenden Baupreisen für die Immobilienwirtschaft und damit unsere Kunden das wirtschaftliche Umfeld dramatisch verändert hat, zum anderen weil die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Gaskrise für maximale Unsicherheit bei der Entscheidung für die richtige Wärmeversorgung gesorgt hat. Dies hatte zur Folge, dass ab dem 24. Februar 2022 quasi in jedem Projekt, auch in jenen auf der Zielgerade, auf die Bremse getreten wurde. Alle Projekte mussten noch einmal neu angepackt und die Frage beantwortet werden, ob die geplante Versorgungslösung die beste ist. Gleichzeitig standen wir vor dem Problem, dass die Kunden keine Präferenz hatten. Sie wollten vielfach nur die Alternativen sehen, ohne dass das zwingend zu einer Entscheidung geführt hat. Im Ergebnis haben wir einen hohen Aufwand betrieben, die Projekte blieben dennoch oftmals „on hold“ und wir haben dies natürlich auch in Form eines zurückgehenden Auftragseingangs gespürt.

 

Im Laufe des Jahres 2022 hat sich zwar bereits herauskristallisiert, wohin die Lösungen gehen. Wir sind im Neugeschäft zu 90 Prozent mit Wärmepumpen und elektrisch unterwegs. Was aber bleibt, ist ein höherer Aufwand als in der Vergangenheit, weil die Lösungen komplexer und die Untersuchungen drum herum deutlich aufwendiger sind. Insgesamt ist das nicht weniger als eine komplette Kehrtwende.

 

Sie deuten es bereits an – wie wird die Wärmeversorgung 2030 aussehen?

 

Im Neubau ist die Sache im Prinzip schon klar – hier basiert die Wärmeversorgung nahezu vollständig auf der Wärmepumpe, ist also voll elektrisch. Der Schlüssel liegt hier in einer möglichst netzdienlichen Einbindung, auf Einzelobjekt- wie auch auf Quartiersebene, und der Kombination etwa mit Photovoltaik und entsprechenden Speicher- und E-Lademöglichkeiten. Ohne eine solche intelligente Vernetzung vom Kleinen ins Große, inklusive mitgedachter Beschaffung und Einspeisung, wird es nicht funktionieren, vor allem mit Blick auf die Verteilnetze. Die große Frage wird sein, wie man mit dem Bestand umgeht. Hier ist die Herausforderung ungleich höher. Das wird länger dauern, bis er in die elektrische Welt überführt ist, aber genau deshalb müssen wir da jetzt ran.

 

Ein Blick vielleicht noch auf Wasserstoff: Während dieser als Energiequelle in der Immobilienwirtschaft nur vereinzelt eine pilotartige Rolle spielt und bis 2030 wohl von untergeordneter Bedeutung bleiben wird, sieht das in der Industrie natürlich deutlich anders aus. Dort wird eben nicht alles elektrisch funktionieren und Wasserstoff für die Temperaturniveaus dringend gebraucht.

 

Wie positioniert sich die GETEC im Bereich der Wärmeversorgung 2030, zum Beispiel mit Blick auf neue Produkte im Aufbau, Unterstützungsleistung bei kommunalen Wärmeplanungen etc.?

 

Wir gehen es technologieagnostisch an und schauen, was im regulatorischen Umfeld wirtschaftlich Sinn ergibt und dem Kundenwunsch entspricht. Wir legen uns weder auf eine Technologie fest noch stellen wir sie selbst her. Dadurch bleiben wir komplett offen und können schnell reagieren.

 

Bei der kommunalen Wärmeplanung werden wir als Netzbetreiber und Versorger heute schon einbezogen, indem wir etwa dazu beitragen, Daten zu erheben. Das ist eine zwingende Voraussetzung, um auf einer validen Datenbasis überhaupt einen Prozess aufzusetzen. Auch in der Umsetzung sind wir dann gerne an Bord. Gleichzeitig ist es unser Anspruch, in unseren eigenen Netzen Dekarbonisierungsmöglichkeiten auszuloten und umzusetzen und dadurch unseren eigenen Bestand Stück für Stück zu dekarbonisieren. In diesem Zusammenhang können und wollen wir dann auch den Stadtwerken anbieten, sie bei der Dekarbonisierung ihrer Infrastruktur zu unterstützen.

Was sind für Sie die größten Chancen und die größten Hemmnisse in der Wärmewende?

Die größten Chancen liegen darin, dass die Anforderungen sehr viel komplexer geworden sind. Dadurch brauchen viele unserer Kunden in der Wohnungswirtschaft, aber auch in der Industrie deutlich mehr Unterstützung. Zugleich kommt die Finanzierungskomponente wieder stärker zum Tragen, was viele – neben der Komplexität und damit verbundenen Risiken – offener gegenüber einem Outsourcing dieser Themen macht. Auch in Richtung Stadtwerke ist es für uns eine Chance, da die Offenheit für Kooperationen wächst. Hier spielt auch hinein, was ich schon als Schlüssel für den Erfolg erwähnt habe: Eine Wärmepumpe kann jeder installieren. Der erhoffte Mehrwert entsteht aber nur durch eine intelligente Digitalisierung und Vernetzung.

Wenn Sie einen Wunsch an die Bundesregierung äußern könnten, welcher wäre das?

Der entscheidende Punkt ist Verlässlichkeit und damit eine langfristige Planbarkeit. Das Schlimmste für langfristig angelegte Geschäftsmodelle wie unseres ist Unsicherheit. Insofern ist es unser Wunsch, Stringenz, Verlässlichkeit und Planbarkeit in all das zu bringen, was man da vorgibt. Ein zweiter Wunsch ist die Gleichbehandlung und Gleichstellung unserer Branche, wohlgemerkt keine Bevorzugung.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen: Überall dort im Bestand, wo wir heute keine gewerbliche Wärmelieferung, also kein Contracting abbilden, kommen wir laut BGB mit unserem Angebot nur dann zum Zug, wenn wir Kostenneutralität nachweisen können. Das ist im Moment ein echtes Hemmnis, weil wir die Wärmepumpe plus Photovoltaik auf heutigem Preisniveau verglichen mit den letzten drei Jahren einer abgeschriebenen Gasanlage nicht darstellen können. Das heißt, dass innovative Lösungen und Finanzierungsmöglichkeiten, die eine GETEC einbringen könnte, außen vor bleiben. Wir haben derzeit eine Reihe von Anfragen, bei denen wir schon nach der Erhebung der Ist-Kosten und einem Kostenvergleich die Fahne direkt wieder einrollen müssen. Sicherlich aus ursprünglich wohlgemeinten Gründen wird Contracting hierdurch heute faktisch benachteiligt und ein riesiges Potenzial liegen gelassen. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen wird es schwer, die Transformationsziele im erklärten Zeitrahmen zu erreichen, denn so müssten erst einmal noch etliche Jahre vergehen, bis sich die Vergleichsbasis so weit verändert hat, dass die ja grundsätzlich erwünschten Lösungen zum Zug kommen. Technisch und auch finanziell sind die Ziele erreichbar – wenn der Rahmen richtig gesteckt ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Fazit

Florian Unger absolvierte ein Studium der Politischen Wissenschaft, der Volkswirtschaftslehre und des Öffentlichen Rechts an der Universität Heidelberg und begann seine berufliche Laufbahn als Referent eines Bundestagsabgeordneten und Staatsministers. 2005 wechselte er in die Energiebranche und war dort bereits in Führungspositionen diverser Unternehmen tätig, unter anderem für einen Stadtwerke-Konzern. Seit Juni 2016 übernahm er bei der GETEC Group verschiedene Führungspositionen im Segment der Immobilienwirtschaft. Derzeit verantwortet er die vertrieblichen Aktivitäten des Segments in der Plattform Deutschland.

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