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Die Wärmewende im Bestand wird es erfordern, in einem Ballungsraum unzählige Wärmepumpen, PV-Anlagen, Ladesäulen etc. in kurzer Zeit ins Stromnetz zu integrieren. Wie schaffen Sie das?
Im Innenbereich der Städte kann ich mir Wärmepumpen nicht vorstellen. Wir werden dort verstärkt auf Fernwärme setzen – das muss man ganz klar sagen. Auch bei der Ladeinfrastruktur ist sicher, dass es nicht für alle 250.000 Fahrzeuge eine eigene Ladesäule geben wird – die braucht es aber auch nicht. Mittel- und langfristig müssen wir aber das Stromnetz im Niederspannungsbereich ausbauen, um den Bedarf zu decken.
Wärmepumpen wird es eher im Bereich der Einfamilienhäuser geben. Dafür müssen Mittel- und Hochspannungsnetze ausgebaut werden. Auch durch Industrie- und Gewerbekunden, die von Gas auf Strom umstellen wollen, steigt der Bedarf. Hier wird noch viel Netzausbau erforderlich sein.
Digitalisierung und Flexibilität werden zentrale Stellhebel für die Integration der Energiewende in den Verteilnetzen darstellen – woran krankt es seit Jahren, dass der Rollout intelligenter Messsysteme und die Thematik „Steuerbarkeit“ inkl. „zustandsorientierte Netzentgelte“ nicht in Schwung kommen? Erwarten Sie sich durch die letzten politischen bzw. regulatorischen Veränderungen (u.a. GNDEW, Neuregelung § 14a EnWG) eine Beschleunigung?
Wir sind froh, dass die Bundesregierung den Smart-Meter-Rollout beschleunigen will und versucht, bürokratische Hemmnisse zu beseitigen. Für mich ist immer die Frage, was die Erwartungshaltung dabei ist. Auch als Netzbetreiber brauchen wir Smart Meter zur Steuerung, es wird jedoch nicht so sein, dass jeder Kunde ständig den Verbrauch ablesen kann.
Ein weiteres Thema ist der Preis, der gleich bleiben soll. Einen erheblichen Teil der Kosten für die Smart Meter soll der Netzbetreiber zahlen. Für den Bürger ist das schön, der Energiewende wird das jedoch nicht helfen. Es ist noch vollkommen unklar, wie dieses Geld für Smart Meter in die Regulierung eingepasst werden soll. Bei zwei Millionen Messpunkten sprechen wir über ein Investitionsvolumen von rund 100 Millionen Euro – zusätzlich zum Netzausbau. Das ist aus meiner Sicht zu kurz gedacht.
Hinzu kommt, dass die Marktkommunikation komplizierter wird. Natürlich werden wir Smart Meter ausrollen. Aber wenn jeder Kunde sich den Einbau unabhängig von unserer Planung wünschen darf, können wir den Ausbau nicht adäquat planen. Es macht die Sache komplizierter und ich bin nicht sicher, ob das den Rollout endgültig beschleunigt.
Die Netzentgelte für Haushaltskunden haben das Niveau von Beginn der Anreizregulierung erreicht. Sehen Sie die möglichen Effizienzpotenziale bei den Netzbetreibern vollständig abgeschmolzen und welche weitere Entwicklung der Netzentgelte erwarten Sie?
Die Netzentgeltregulierung stammt aus Jahren, in denen es darum ging, Effizienzen zu heben. Wir sind inzwischen schon sehr viel effizienter geworden. Nicht umsonst sind die Netzentgelte zwischenzeitlich deswegen gesunken. Mittlerweile steckt sehr viel Energiewende in der Infrastruktur, und die Netzbetreiber übernehmen viele zusätzliche Aufgaben seit Beginn der Anreizregulierung. Die Energiewende und damit der Netzausbau müssen uns etwas wert sein. Wir werden viel Geld dafür investieren, deshalb gehe ich von steigenden Netzentgelten aus.
Die Frage ist, ob wir im Niederspannungsbereich nicht künftig Flatrate-Netzentgelte sehen werden und sich bei den Commodities über die Preise Vorteile für die Kunden generieren lassen. Das Thema Netzentgelte bedarf einer Überarbeitung.
Welche Bedeutung wird der Fernwärmenetzausbau in Köln haben?
Der Fernwärmenetzausbau hat eine sehr hohe Bedeutung für unsere Klimaziele 2035. Die Ziele sind nur erreichbar, wenn viel Wärme zentral über grünen Wasserstoff erzeugt wird und durch den Netzausbau möglichst viele Haushalte angeschlossen werden. Es wird daher einen massiven Ausbau des Fernwärmenetzes geben.
Aktuell arbeiten wir daran, unser Gaskraftwerk in Niehl auf Wasserstoff-Beimischung und künftig komplett auf Wasserstoff umzustellen. Ebenso planen wir konkret zwei Großwärmepumpen, eine bis 150 MW Leistung. Auch Anlagen, die derzeit mit Braunkohle arbeiten, ersetzen wir durch Gas und gestalten sie H2-ready. In Zukunft wird auch die Klärschlammverbrennung eine Rolle spielen. Wenn wir unsere Wärmeerzeugung auf grün umbauen, können wir durch die zentrale Bereitstellung alle darüber versorgten Haushalte mit einem Schlag umstellen. So entfalten zentrale Energienetze ihre wahre Wirkung für die Energiewende gerade in Ballungsräumen.
Wie blicken Sie auf das Gasnetz? Werden Sie das Gasnetz in Köln rückbauen (müssen)? Mit welchen Ausspeisemengen rechnen Sie 2023? Wie werden sich Netzentgelte entwickeln?
Das Thema Netzentgelte spielt auch dabei eine zentrale Rolle und das kommunizieren wir deutlich in Richtung Bundesnetzagentur. Dafür muss die Politik Vorgaben machen, wie der Infrastrukturumbau eingepreist werden soll. Ein Teil der vorhandenen Rohrnetzinfrastruktur bleibt erhalten und lässt sich für grünen Wasserstoff nutzen. Die Politik muss sich Gedanken machen, wie man das Gasnetz umwidmen und ein stückweit auch zurückbauen kann.
Wenn ich Energiewende ernst meine, werden wir es ohne große Mengen an grünem Wasserstoff nicht schaffen – auch in den bisherigen Gasnetzen. Welcher Anteil des Gasnetzes dafür nutzbar ist, wird aktuell ermittelt. Das hängt auch damit zusammen, wie die Nachfrage der Kunden sein wird. Die komplexe Netzplanung ist nicht trivial.
Welchen Einfluss werden Rohstoffknappheit, Fachkräftemangel oder Lieferkettenprobleme auf den Ausbau und die Weiterentwicklung Ihrer Netze haben?
Wir merken deutlich, dass die Materialien und Dienstleistungen teurer werden. Das hat auch Einfluss auf unsere Investitionen. Darüber hinaus haben wir signifikant längere Lieferzeiten. Dauerte es bei einigen Teilen – beispielsweise Motoren – früher zwei Wochen, vergehen jetzt zum Teil sechs Monate bis zur Lieferung. Das ist schon eine Herausforderung.
Was die Fachkräfte angeht, ist klar: Wir brauchen Zuwanderung. Wir reißen uns jetzt schon um die Fachkräfte. Aktuell sind wir sehr anspruchsvoll in unseren Ausbildungsgängen und ziehen Menschen mit guter Schulbildung an. Dennoch hinterfragen wir den hohen Standard in den Prüfungen und Anforderungen. Vor allem im technischen Bereich bauen wir daher die Ausbildung aus und um: Hin zu einer passgenaueren Ausbildung. Daher haben wir auch wieder angefangen, zweijährige Ausbildungsgänge anzubieten. Nicht jeder muss alles können. Wenn ich Betriebselektroniker bin, muss ich nicht eine komplette Hausanlage digital planen und steuern können. Da muss ich genau hinschauen: Welche Menschen brauche ich wofür? Ein Vorteil: Viele, vor allem junge Menschen interessieren sich wahnsinnig für die Umsetzung der Energiewende. Dieses Interesse spüren wir: Viele finden es spannend, aus diesem Grund bei uns zu arbeiten.
Es geht aber auch darum, die Organisation zukunftsfähig für den Netzausbau zu machen. Weg vom Silodenken hin zu einer verzahnten agilen Arbeitsweise und einer Projektorientierung. In den vergangenen Jahren haben wir die Führungsstruktur konsequent daraufhin angepasst. Transparenz, Kommunikation auf Augenhöhe, eine agile Arbeitsweise und crossfunktionale Teams, die an kundenorientierten Prozessen arbeiten, sind uns wichtig. Auch viele altgediente Mitarbeiter lassen sich mitreißen und erkennen den Mehrwert – auch wenn sie zu Beginn vielleicht skeptisch gegenüber den neuen Arbeitsweisen waren. Ein klassisches Beispiel sind Planung und Bau. Nicht alles, was früher „im stillen Kämmerlein“ geplant wurde, ließ sich in der Praxis auch baulich umsetzen. Dort zeigen sich die Vorteile einer frühzeitigen organisationsübergreifenden Zusammenarbeit sehr deutlich. Wir arbeiten daran, dass wir einer der modernsten Netzbetreiber Deutschlands werden.