Die intelligente Krankenkasse

Die intelligente Krankenkasse: So gelingt der Einsatz von KI

Die Integration von KI-Anwendungen in die Prozesse von Krankenversicherungen verspricht effizientere Abläufe, maßgeschneiderten Kundenservice und nahtlose Übergänge zu Gesundheitsanwendungen.


Überblick

  • KI- Von Chatbot bis Betrugsprävention: KI-Anwendungsmöglichkeiten in Krankenkassen
  • Es geht um weit mehr als nur Technik — wichtige Schritte zur Umsetzung
  • Krankenkasse der Zukunft: KI als Schlüssel zum Erfolg

Das KI-Modell ChatGPT besteht das medizinische Staatsexamen, diagnostiziert immer besser und wird Studien zufolge als kompetenter und einfühlsamer wahrgenommen als so manche Ärzte und Ärztinnen. Hype und Heilsversprechen, die seit dem weltweiten Erfolg von Tools wie ChatGPT, Bard & Co. mit künstlicher Intelligenz (KI) einhergehen, sind mithin riesig — gerade auch im Gesundheitswesen. Da fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass KI beispielsweise mit Expertise zum SGB V, hoher Effizienz in der Bearbeitung von Anträgen und Rechnungen, unendlicher Geduld für Kundenanfragen sowie nützlichen, individuellen Gesundheitstipps in der Kundenbetreuung die Krankenversicherungen in der Zukunft enorm verändern könnte. Eine massive Veränderung der Geschäftsprozesse der Krankenkassen wäre die Folge, und diese Transformation wäre ebenso wie die bisherige Digitalisierung des Gesundheitswesens keineswegs rein technologisch. Die Auswahl wertschöpfender Anwendungsfälle ist mindestens ebenso wichtig wie die organisatorische Begleitung, die von der dahinterliegenden Datenarchitektur über die Befähigung der Mitarbeitenden bis hin zur Governance der verschiedenen KI-Anwendungen reicht.

Von Chatbot bis Betrugsprävention: KI-Anwendungsmöglichkeiten in Krankenkassen

Die Implementierung von KI erschließt ein umfassendes Spektrum an Optimierungs- und Anwendungsmöglichkeiten im Ökosystem Gesundheit. In der aktuellen Diskussion dominieren typischerweise Themen wie Diagnostik, individuelle Patientenbetreuung sowie Ansätze für die verbesserte Steuerung ganzer Gesundheitssysteme. Es lohnt sich jedoch, die Perspektive jedes einzelnen Unternehmens einzunehmen, um Einsatzfelder und Potenziale individueller zu denken. Im Falle von Krankenkassen sind die Ziele der meisten Anwendungsfälle effizientere Abläufe, gesteigerte Kundenzufriedenheit und höhere Servicequalität.

Grundsätzlich haben wir fünf wesentliche Themenfelder unterschieden, unter die die meisten Anwendungsfälle subsumiert werden können: Kundenberatung, Marketing und Vertrieb, Versorgung und Leistung, Verwaltung sowie Gesundheitsangebote.

Langfristig dürften die größten Potenziale in der Kundenberatung liegen, sowohl in der Unterstützung der Mitarbeitenden oder der Erstellung von Inhalten als auch in der direkten Interaktion mit Kund:innen. Hier fehlt es noch an Messbarkeit und der entsprechenden Transparenz. Perspektivisch können jedoch Daten beispielsweise zu automatisch generierten Stimmungsbewertungen, Kontaktanlässen und -themen, zusammengefassten Analysen von Mitarbeiterantworten oder Beschwerden Unternehmen in die Lage versetzen, tiefere Einblicke in die Kundeninteraktion zu gewinnen. Durch den Einsatz von KI-Chatbots und virtuellen Assistenten können kontinuierliche Zugänge zu Informationen und Dienstleistungen für die Kund:innen gewährleistet, Beratungsgespräche durch die unmittelbare Verfügbarkeit von Fachwissen unterstützt, datengestützte Empfehlungen stärker individualisiert oder Übersetzungen mittels Spracherkennung erleichtert werden. Mensch und Maschine können hier optimal ineinandergreifen, um die notwendige Transparenz herzustellen, Prozesse zu vereinfachen und das Kundenerlebnis zu verbessern.

Das gilt auch für den Bereich Marketing und Vertrieb. Sowohl die stärkere Personalisierung der Inhalte für verschiedene Zielgruppen als auch die Steuerung des Vertriebs können von KI profitieren. Viele Ideen hier zielen darauf ab, die Analytik zu verbessern und die Zielgenauigkeit von Ansprache und Inhalten zu erhöhen.

In der Versorgungssteuerung und im Leistungsmanagement trifft KI auf langjährige und hoch strukturierte Daten und regelbasierte Prozesse. Wenig verwunderlich sind daher Themen wie Rechnungsprüfung, Betrugserkennung und priorisierte Steuerung schon länger automatisiert und teilweise KI-optimiert. Die neuen KI-Modelle erlauben es hier, künftig noch stärker auch komplexe oder textlastige Vorgänge mit einzubeziehen, etwa Anträge für Zahnersatz oder häusliche Krankenpflege oder Selektivverträge. Kassen wie Versicherte können aber auch von Vorschlägen zur Unterstützung des Fallmanagements beim Krankengeld oder zu spezieller Betreuung in Disease-Management-Programmen profitieren.

Innerhalb der reinen Verwaltung kann künstliche Intelligenz Informationen leichter zugänglich machen, Dokumente erstellen oder administrative Abläufe automatisieren. Hier dürfte es sich nur in wenigen Fällen lohnen, GKV-eigene Anwendungen zu bauen. Das Texten von Jahresberichten, das Erstellen von Controlling-Berichten oder die Unterstützung von HR-Prozessen sind meist nicht krankenkassenspezifisch ausgeprägt. Insofern dürfte es sich hier lohnen, auf Marktlösungen zu setzen, die sich bald herausbilden dürften, und dann deren Vorteile wie Effizienz und bessere Bedienbarkeit zu nutzen. Wichtig ist allerdings, dass mit dem breiteren Einsatz von KI für ein vielfältiges Spektrum interner Prozesse klare Compliance-Regelungen geschaffen und die Mitarbeitenden für die Fallstricke im Umgang mit KI geschult und sensibilisiert werden.

Bei Gesundheitsangeboten geht es im Kern darum, maßgeschneiderte Angebote, Informationen und Anreize zu vermitteln, um kurzfristig das Gefühl der individuellen Betreuung und langfristig die allgemeine Lebensqualität der Versicherten zu verbessern.

Im Folgenden stellen wir eine Auswahl unterschiedlicher Anwendungsfälle vertieft dar.

Unterstützung der Kundenberatung durch Wissensmanagement-Chatbot

In der immer größeren Bandbreite komplexer Beratungsthemen können Mitarbeitende in der Kundenberatung durch intelligente Unterstützungssysteme bei der Suche nach Informationen entlastet werden. GenAI-basierte Chatbots bieten rasche und präzise Antworten auf komplexe Fragen und ermöglichen dadurch einen effizienten Wissensabruf aus umfangreichen Datenbanken. Die meist über Jahre gewachsenen Wissensmanagement-Tools können auf diese Weise wieder schneller und leichter zugänglich gemacht, langwierige Suchen durch klare Antworten auf gezielte Fragen ersetzt und aus komplizierten Fachtexten stammende Antworten in laienverständliche Sprache übersetzt werden. Krankenkassen können auf diese Weise auf die Herausforderungen der nach Corona auf hohem Niveau verbleibenden Telefonie reagieren und weniger erfahrene Mitarbeitende schneller einlernen und somit effektiver einsetzen. Da ein reines Wissensmanagement-Tool noch ohne Sozialdaten auskommt, eignet sich dieser Anwendungsfall, um bei relativ geringer Komplexität erste Erfahrungen im Umgang mit generativer KI zu sammeln und für das Unternehmen erfolgreiche Piloten zu schaffen.

Wirkung: verkürzte Gesprächsdauer, gesteigerte Fallabschlussquoten, Standardisierung der Antwortqualität und höhere Zufriedenheit von Mitarbeitenden und Kund:innen.

Mithörende und empfehlende Assistenz

Während beim Wissensmanagement-Chatbot die Servicemitarbeitenden alle Fragen aktiv an das Tool richten und in der gesamten Beratung das Gespräch steuern, übernimmt in diesem Szenario die KI aktiv Aufgaben. Das Tool kann proaktiv beispielweise passende Produktangebote vorschlagen oder hilfreiche Textvorschläge zu den genannten Themen anzeigen. Aus dem Mithören ergibt sich sinnvollerweise auch eine Dokumentation, wodurch der Erfassungsaufwand durch Mitarbeitende entfällt. Was davon bei den Kund:innen ankommt, bleibt jedoch im Ermessen der Berater:innen und wird auch weiterhin persönlich überbracht.

Wirkung: geringerer Bearbeitungsaufwand für Mitarbeitende, geringerer Personaleinsatz, personalisierte Betreuung.

Optimale Fallsteuerung

Abhängig von den bisherigen Interaktionen, der jeweiligen medizinischen Vorgeschichte oder von Alter, Wohnort und Mobilität können die nächsten Schritte im Krankheitsfall für Versicherte jeweils ganz unterschiedlich ausfallen. In der Betreuung beim Krankengeld, bei Ablehnung bestimmter Leistungen angesichts fehlender Voraussetzungen (z. B. Reha) oder wenn Kund:innen angesichts der Komplexität der verschiedenen Vorgänge Rat suchen, kann die Kundenberatung hier eine aktive Rolle übernehmen. KI kann dabei helfen, in diesen Fällen die bestmögliche und situativ wirksamste Unterstützung auszuwählen und dabei beliebig viele Faktoren zu berücksichtigen, die in der unmittelbaren Gesprächssituation vermutlich gar nicht alle zusammengesucht werden könnten.

Wirkung: effizientere Betreuung durch reduzierten Suchaufwand, stärkere Kundenloyalität, zielgerichtete Betreuung der Versicherten.

Rechnungsprüfung

Die Identifikation auffälliger Rechnungen wird schon länger maschinell unterstützt. Je komplexer die dazugehörigen gesetzlichen Regelungen sind, desto stärker müssen dabei auch die Algorithmen verändert werden. So geht es bei der Auswahl auffälliger Krankenhausrechnungen für eine Prüfung beispielsweise sowohl um die höchsten Einsparbeträge (um bei der reduzierten Anzahl von Prüfungen hohe Erträge zu er[1]zielen) als auch um die höchsten Erfolgsaussichten (um die künftige Prüfquote zu maximieren). Angesichts solch multifaktorieller Abwägungen drängt sich eine KI-gestützte Fallauswahl in einem lernenden System nahezu auf. Von der Identifikation von Auffälligkeiten über die Priorisierung nach Erfolgswahrscheinlichkeiten sowie der potenziellen Kürzungssumme bis hin zum Kanal der Intervention können Algorithmen die Rechnungsprüfung unterstützen.

Wirkung: effizientere Bearbeitung, Einsparung von Leistungskosten, Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten und Betrug.

Personalisiertes Gesundheitscoaching

Erinnerungen an den nächsten Arzttermin oder die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, Rückmeldungen zum eigenen gesundheitsrelevanten Verhalten wie Schlaf, Ernährung und Bewegung oder trendgemäße Nudges (motivierende Stupse) zur neuesten Longevity-Challenge persönliches Gesundheitscoaching kann ganz unterschiedliche Formen annehmen. KI kann in jeder Variante unterstützen und damit die Motivation und die Gesundheitskompetenz der Kund:innen erhöhen. Natürlich sind dazu sämtliche Spielarten der hybriden Verschränkungen mit realen Ansprechpartner:innen oder eingebundenen Leistungserbringenden denkbar. Mit zunehmender Datenverfügbarkeit, neuen gesetzlichen Möglichkeiten und steigender Bereitschaft der Versicherten zur Nutzung dieser Angebote steht dieser Bereich nicht nur technisch, sondern auch in der realen Erprobung noch ganz am Anfang.

Wirkung: stärkere Kundenloyalität, höhere Adhärenz, mehr Erfolg bei Behandlung und Prävention.

Die beispielhaft beschriebenen Anwendungsmöglichkeiten zeigen, dass KI ein bedeutender Meilenstein für die Zukunftsfähigkeit der Kundenbetreuung, die operative Effizienz und die Bereitstellung personalisierter Dienstleistungen ist. 

Es geht um weit mehr als nur Technik — wichtige Schritte zur Umsetzung 

Die Anwendungsfälle sind greifbar, technisch ist vieles vorstellbar — doch bei den ersten Gehversuchen geht es längst nicht nur darum, „die Technik zum Laufen“ zu bringen. Wie bei anderen anwenderrelevanten digitalen Themen zuvor ist auch KI nicht „nur ein IT-Thema“, sondern erfordert ein Zusammenspiel der gesamten Organisation. 

Krankenkasse der Zukunft: KI als Schlüssel zum Erfolg

Die Integration von KI in die Prozesse der Krankenversicherung verspricht effizientere Prozesse, maßgeschneiderten Kundenservice und direkte Übergänge von der Beratung in verschiedene Gesundheitsanwendungen. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Technik dürften die technologischen Lösungen in wenigen Jahren zunehmend standardisiert und selbstverständlicher werden.

Allerdings wird es notwendig sein, sowohl die Technologie selbst als auch diejenigen, die sie anwenden, kontinuierlich weiterzubilden und weiterzuentwickeln, um das volle Potenzial der KI auszuschöpfen und den dynamischen Anforderungen des Gesundheitswesens gerecht zu werden. Eine erfolgreiche Nutzung setzt somit eine fundierte Strategie, ein entsprechendes Budget, den gezielten Einsatz geeigneter Technologien, eine effektive Sicherung sensibler Ressourcen, sinnvolle Datenschutzkonzepte und die adäquate Einbindung der Nutzenden voraus. Und den Mut anzufangen.


Fazit

Die Hauptanwendungen von KI in Krankenkassen lassen sich in fünf Bereiche aufteilen. Langfristig liegen die größten Potenziale in der Kundenberatung, in der virtuelle Assistenten eingesetzt werden können, um kontinuierlichen Zugang zu Informationen und Dienstleistungen zu gewährleisten

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