Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Vorgründungsphase ist der wirtschaftliche Nutzen. Das MVZ muss in der Lage sein, die Kosten für die Infrastruktur, die Fachkräfte und die Ausrüstung zu decken und gleichzeitig einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Die Wirtschaftlichkeit des MVZ sollte durch eine effiziente Nutzung der Ressourcen und eine Optimierung der Prozesse gesichert sein.
Aufbauend auf der definierten Unternehmensvision gilt es abzuwägen, inwieweit das MVZ wirtschaftlich unabhängig vom Mutterunternehmen „Krankenhaus“ betrieben werden soll oder ob der MVZ-Betrieb und der stationäre Betrieb ineinandergreifen sollen. Im Rahmen weiterer Analysen gilt es folglich, die Frage nach dem Warum zu klären. Steht die Verlagerung stationärer Fälle bzw. die stationäre Entlastung im Mittelpunkt, dann sollte gegebenenfalls keine Verbreiterung, sondern eine Vertiefung des Portfolios in Betracht gezogen werden.
Neben der Unternehmensvision gilt es also, das aktuelle Leistungsspektrum des Krankenhauses, an das das zu gründende bzw. zu kaufende MVZ angegliedert werden soll, zu betrachten und einzuschätzen. Dabei lassen sich Leistungsbereiche identifizieren, die demografiebedingt zukünftig an Bedeutung gewinnen oder sich zunehmend in den ambulanten Sektor verlagern werden. Daraus resultierend können Ansätze zur intersektoralen Versorgungssteuerung und Synergiepotenziale abgeleitet werden.
Hier ist die Bewertung des Ambulantisierungspotenzials ein wichtiger Grundbaustein für die Erarbeitung einer Entscheidungsgrundlage. Es gilt zu analysieren, welches ambulante Potenzial derzeit im Krankenhaus behandelt wird und welches ambulante Potenzial im regionalen Versorgungsmarkt gegebenenfalls unerschlossen ist und folglich zukünftig in ambulanten Strukturen wie denen des MVZ abgebildet werden sollte. Je nach individueller Situation kann das Ambulantisierungspotenzial durchaus bis zu 25 Prozent1 betragen. Ist das primäre Ziel jedoch die Sicherstellung einer ganzheitlichen Versorgung oder die Zuweisung von Patienten an das stationäre Geschäft, dann könnte auch eine Ausweitung des Leistungsportfolios infrage kommen.
Es gilt zu klären, welche MVZ-Fachrichtungen sich an die bestehenden stationären Fachbereiche angliedern können und die Behandlungspfade der Patienten erweitern bzw. ergänzen. Typische Fachrichtungen, die meist viele Synergien mit den stationären Fachbereichen haben, sind Orthopädie, allgemeine Chirurgie und Unfallchirurgie. Zudem sollten mögliche strukturelle Synergiepotenziale bewertet werden. Hierunter fällt unter anderem die kooperative Nutzung von Infrastruktur verbunden mit für Mitarbeitende interessanten Beschäftigungsverhältnissen und Ausbildungsmöglichkeiten.
Darüber hinaus ist es notwendig, nicht nur das interne Leistungsportfolio zu betrachten, sondern auch den externen Leistungsbedarf. Außerdem sind die Marktabdeckung und der Wettbewerb durch eine Markt- und Standortanalyse zu berücksichtigen. Wird ein MVZ gegründet oder erworben, ohne zuvor eine Einschätzung stationärer und ambulanter Wettbewerber sowie der Bedarfsabdeckung vorzunehmen, kann dies einen negativen Einfluss auf die zukünftige Leistungsentwicklung und somit auch auf die Rentabilität des MVZ haben.
Demnach sollte in Abhängigkeit vom Marktanteil des gründungsinteressierten Krankenhauses entschieden werden, welche zukünftige Funktion es mit dem MVZ-Erwerb auf dem regionalen Markt auszufüllen plant. Hierzu kann man sich folgende Fragen stellen:
- Besteht eine hohe Wettbewerbsintensität, sodass Marktanteile perspektivisch von Konkurrenten abgeworben bzw. Patientenströme umgelenkt werden sollen?
- Besteht ein unerschlossener Bedarf, z. B. in ländlichen Gebieten, und führt das MZV die Versorgungssicherheit herbei?
Mit Blick auf eine Konkurrenzsituation sind u. a. die eigenen Einzugsgebiete mit denjenigen der Wettbewerber abzugleichen und unter Berücksichtigung von Demografie und der medizinischen Entwicklung das zukünftige Marktpotenzial abzuleiten. Im Falle unerschlossener Gebiete spielt neben dem Marktpotenzial auch die Standortanalyse eine bedeutende Rolle. Ein MVZ erfordert eine entsprechende Infrastruktur, beispielsweise im Sinne personeller, aber auch baulicher und verkehrstechnischer Ressourcen, die zur Sicherstellung des Betriebs essenziell sind.
Basierend auf der initial festgelegten Vision des MVZ-Erwerbs und der Analyse des aktuellen Leistungsspektrums im Abgleich mit der Markt- und Standortanalyse gilt es im nächsten Schritt, die geplante Ausrichtung des MVZ mit der zukünftigen Leistungs- und Fachausrichtung abzugleichen. Dementsprechend sollten die stationären und ambulanten Leistungskennzahlen je Fachbereich für die Folgejahre im Krankenhaus und im MVZ geplant und in Abstimmung mit den Leistungserbringern reflektiert werden.
Die zukünftige Leistungsplanung gibt zusätzlich Aufschluss darüber, ob die am Markt verfügbaren MVZ für einen Erwerb infrage kommen bzw. welche MVZ-Sitze für eine Beantragung relevant und sinnvoll sind. Sie liefert den Input zur Erstellung des Business Case für den Erwerb des MVZ und unterstützt die konsequente Umsetzung der Unternehmensvision. Der Businessplan entwickelt sich hierbei mit fortschreitender Unternehmensplanung weiter und stellt ein strategisches Steuerungselement dar.
Anschließend ist zu klären, wie der Aufbau bzw. die Anbindung des MVZ an das Krankenhaus erfolgen soll. Entschließt sich ein Krankenhaus beispielsweise, einen MVZ-Sitz zu beantragen und damit ein MVZ zu gründen, so kann insbesondere die Bewertung und Ausweitung des aktuellen Leistungsportfolios im Fokus stehen. Eine Alternative zur MVZ-Neugründung ist der Erwerb einer bestehenden Vertragsarztpraxis oder eines bestehenden MVZ. Hierbei wird analysiert, inwiefern die bestehenden Leistungsspektren der am Markt verfügbaren und käuflichen Praxen bzw. MVZ das Leistungsspektrum des Krankenhauses ergänzen.
Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen und der eigenen rechtlichen Voraussetzungen
Neben den unternehmensstrategischen Punkten der Leistungsentwicklung und Marktplatzierung sind im Rahmen der Vorgründungsphase auch rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, um die Grundvoraussetzungen für die MVZ-Gründung oder den MZV-Erwerb zu erfüllen.
Die Gründung eines MVZ ist nur in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform möglich. Gründer von MVZ können nur für die Versorgung gesetzlich Versicherter zugelassene Ärzte, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Abs. 3 SGB V, anerkannte Praxisnetze nach § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V, gemeinnützige Träger, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder Kommunen sein. MVZ selbst sind nicht als Gründer vorgesehen. Damit ist die Gründung einer MVZ-Trägergesellschaft als Tochtergesellschaft einer „MVZ-Muttergesellschaft“ ausgeschlossen.2 Möglich ist nach alledem
a) die Gründung einer oder mehrerer MVZ-Trägergesellschaften, die rechtlicher Betreiber einer oder mehrerer MVZ-Betriebsstätten sind, durch einen gründungsberechtigten MVZ-Gründer (z. B. Gründung einer MZV-Betreiber-GmbH durch eine Krankenhaus-Trägergesellschaft) oder
b) der Betrieb einer oder mehrerer rechtlich unselbstständiger MVZ-Betriebsstätten direkt durch einen berechtigten MVZ-Gründer (ohne Zwischenschaltung einer MVZ-Trägergesellschaft).