Flachwinkelansicht von Firmengebäuden in der Frankfurter Innenstadt

NPL in Krisenzeiten: Unsicherheit erhöht Sorge um neue Kreditausfälle

Finanzexperten rechnen mit steigenden NPL-Quoten, sind aber etwas optimistischer als zu Jahresbeginn. Einige Finanzierungen bereiten Sorgen.


Überblick

  • In der jüngsten EY-Kurzumfrage zum Kreditmarkt rechnet eine große Mehrheit der Banking Professionals mit einer Zunahme notleidender Kredite.
  • Einen deutlichen Anstieg erwarten trotz schwächelnder Wirtschaftslage, hoher Zinsen und unsicherer geopolitischer Lage aber inzwischen weniger Experten als zuletzt.
  • Von der regulatorischen Änderung des NPL-Backstop erwartet nur ein Drittel der Bankfachleute eine nennenswerte Erleichterung bei der Trennung von notleidenden Krediten.

Deutschlands Wirtschaft schwächelt – das sorgt auch in der Kreditwirtschaft für trübe Stimmung. Die Sorge vor einer rasant steigenden Welle an Kreditausfällen hat sich im vergangenen halben Jahr dennoch abgeschwächt. In der aktuellen EY-Kurzumfrage „Spotlight zum NPL-Markt“ erwarten 43 Prozent der befragten Bankmanager für die kommenden 12 bis 18 Monate einen hohen oder mittleren Anstieg der NPL-Quoten (NPL = Non-Performing Loan, auf Deutsch notleidender Kredit). Zum Jahresende 2022 waren es noch 62 Prozent. Die Hälfte der Fachleute prognostiziert nur einen leichten Anstieg der notleidenden Kredite,  7 Prozent erwarten gar keinen. Das bedeutet eine leichte Verbesserung verglichen mit den 3 Prozent vor sechs Monaten.

Die gedrückte Stimmung in der Finanzbranche und einer der schwächsten Werte zum Ausblick für notleidende Kredite seit Beginn der Umfrage vor drei Jahren spiegeln das wirtschaftliche Umfeld wider. Nach einer technischen Rezession – zwei Quartale mit schrumpfender Wirtschaftsleistung – im Winterhalbjahr rechnet unter anderem der Internationale Währungsfonds (IWF) auch für das Gesamtjahr mit einem Minus des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland. Unter den großen Industriestaaten steht das Land derzeit besonders schlecht da. Gestiegene Zinsen, hohe Materialkosten und Energiepreise belasten Industrieproduktion und Exportwirtschaft. Hinzu kommen die Konsumzurückhaltung der Verbraucher, knappe Rohstoffe und immer wieder Unterbrechungen der Lieferketten.

Noch zeichnet sich keine Trendwende ab, Frühindikatoren und Stimmungsbarometer weisen nach unten. Die Inflation dürfte zwar ihren Höchststand hinter sich gelassen haben, die Preise steigen aber immer noch spürbarer als in den vergangenen Jahren. Eine rasche Rückkehr zu den Niedrigzinsen der vergangenen beiden Jahrzehnte gilt Beobachtern zufolge als wenig wahrscheinlich. Auch geopolitisch bleibt die Lage fragil. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine dauert unvermindert an, hinzu kommt die zunehmende Unsicherheit über die künftige Rolle Chinas.

EY Spotlight NPL-Markt
der Finanzexperten rechnen mit einem hohen oder mittleren Anstieg der NPL-Quoten, nur 7 % halten gar keine Verschlechterung für wahrscheinlich.

Zurückhaltung bei neuen Krediten

Bei vielen Banken drücken die unsicheren Aussichten auf die Risikotoleranz. Gleichzeitig sinkt auch die Nachfrage nach Darlehen. Deren Finanzierung ist durch die höheren Zinsen kostspieliger geworden, zudem zögern Unternehmen im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld mit hohen Anlageinvestitionen.

Da ist es nur konsequent, dass 89 Prozent der Befragten von einem schrumpfenden Volumen neu ausgereichter Kredite in den kommenden zwölf Monaten ausgehen. 31 Prozent erwarten sogar einen starken Rückgang, 58 Prozent ein leichtes Minus. Vor einem Jahr hatten 75 Prozent der Befragten eine rückläufige Entwicklung prognostiziert. 

Als besonders gefährdet gelten inzwischen Projektfinanzierungen. Mittlerweile halten 60 Prozent der Bankmanager Ausfälle für wahrscheinlich. 2021 hatte hier nur ein Viertel der Fachleute Risiken gesehen. Immer deutlicher schlagen dabei die gestiegenen Zinsen durch, Investitionsvorhaben werden teurer, die Rentabilität der Projekte wird schwieriger. Als wackligste Kategorien werden Gewerbeimmobilienfinanzierungen und Unternehmensfinanzierungen wahrgenommen, bei denen jeweils rund 72 Prozent der Befragten mit Ausfällen rechnen.

NPL-Transaktionen für Liquidität und Portfolio-Optimierung

Um Liquidität, Kapital und Ressourcen freizusetzen, werden NPL-Transaktionen wichtiger. Oder sie dienen der Portfolio-Optimierung. 82 Prozent der Befragten rechnen mit einer Zunahme dieser Aktivitäten. Vor sechs Monaten waren es noch 91 Prozent. Doch längst nicht alle Banker planen diese Transaktionen im eigenen Haus. Trotz der anhaltend wirtschaftlich schwierigen Lage sehen nur 42 Prozent das eigene Institut bei diesen Risikotransfers am Zug.

Wer den Schritt geht, nutzt am ehesten das eigene Work-out (30 Prozent), gefolgt vom Kreditverkauf (28 Prozent). Derivate, synthetische und True-Sale-Verbriefungen kommen dagegen nur selten zum Einsatz.  

Für eine Übertragung von Kreditrisiken fühlt sich die Mehrzahl der Finanzexperten in puncto Prozesse und Personal gut aufgestellt. Einer genaueren Überprüfung haben aber nur wenige ihr Institut unterzogen: Nur 18 Prozent haben bisher eine Exit-Readiness-Analyse durchgeführt.

NPL-Backstop findet als zusätzlicher Risikopuffer Verbreitung

Seit Jahresmitte 2021 gelten innerhalb der Europäischen Union (EU) neue Regularien für die Kapitalanforderungen. Die Capital Requirements Regulation (CRR) wurde um einen sogenannten NPL-Backstop erweitert, um die Altlasten in den Bilanzen vieler europäischer Banken anzugehen. Kreditinstitute, deren Risikovorsorge für notleidende Kredite die von der CRR vorgegebene Mindestdeckung unterschreitet, müssen den Differenzbetrag an die europäische Bankaufsichtsbehörde EBA melden. Die entsprechende Mitteilung muss alle drei Monate erfolgen.

EY Spotlight NPL-Markt
der Fachleute rechnen damit, dass die Regelungen des NPL-Backstop dazu führen, dass sie sich schnell von notleidenden Krediten trennen.

Entsprechende Maßnahmen zur Anwendung der neuen Regeln ergriffen oder in Vorbereitung haben bereits 63 Prozent der Geldhäuser. Weitere 11 Prozent planen derzeit die nötigen Veränderungen. Überzeugt von der Backstop-Regelung sind die Kreditinstitute aber auch zwei Jahre nach dem Start noch nicht. Lediglich 36 Prozent glauben, dass sie sich dank der Vorschrift in Zukunft schneller von notleidenden Krediten trennen werden. 24 Prozent sehen keine positive Wirkung.

Fazit

Die deutsche Kreditwirtschaft leidet unter unsicheren Konjunkturaussichten, hohen Zinsen und Investitionszurückhaltung. Eine große Mehrheit der befragten Bankexperten rechnet mit einer Zunahme der notleidenden Kredite, außerdem mit weniger Neugeschäft. Die meisten Institute halten sich zwar für gut aufgestellt für die anhaltend schwierige Situation, nicht einmal jedes sechste hat seine Prozesse aber im Rahmen einer Exit-Readiness- Analyse überprüft. Die Bankenaufsicht hat die Vorschriften zur Vorsorge zwar verschärft, doch längst nicht alle Experten sehen den Schritt als ausreichend für eine einfachere Trennung von notleidenden Krediten.

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