Flachwinkelansicht von Firmengebäuden in der Frankfurter Innenstadt

Wie die angespannte Lage am Kreditmarkt auf das Neugeschäft drückt

Bankmanager erwarten für das laufende Jahr deutlich steigende NPL-Quoten und verweisen zur Begründung auf Inflation und Energiekrise.


Überblick

  • Fast ausnahmslos rechnen die Banking Professionals in der aktuellen EY-Kurzumfrage mit einer Zunahme notleidender Kredite.
  • Inflation und Energiekrise machen den Kreditnehmern das Leben schwer. Eine Änderung ist nicht in Sicht, das bekommt auch das Neugeschäft zu spüren.
  • Eine Mehrzahl der Befragten sieht das eigene Institut für die Situation gut aufgestellt. Bisher haben aber nur 18 Prozent ihre Exit-Readiness überprüft.

Die deutsche Kreditwirtschaft startet sorgenvoll ins Jahr 2023. Die angespannte geopolitische Lage seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die damit verbundene Energiekrise, anhaltend hohe Inflationsraten, die Wende in der Zinspolitik, schwache wirtschaftliche Aussichten – all das lässt die Sorge deutscher Bankmanager vor möglichen Kreditausfällen noch einmal deutlich steigen. 97 Prozent rechnen im vierten Quartal 2022 mit einem Anstieg der NPL-Quote in den Kreditbüchern. Das ist der höchste Wert seit Beginn der regelmäßigen EY-Kurzumfrage. Selbst in der Hochphase der Corona-Pandemie war der Pessimismus nicht so ausgeprägt.

EY-Spotlight zum NPL-Markt, März 2023 │ Angespannte Lage am Kreditmarkt: Weniger Neugeschäft, Sorge vor NPL

Das aktuelle EY-Spotlight zum deutschen NPL-Markt zeigt, dass 12 Prozent der Finanzexperten mit einem starken Einfluss der aktuellen geopolitischen und makroökonomischen Lage auf NPLs im Kreditportfolio rechnen. Weitere 50 Prozent sehen mittelschwere Effekte. Zum Vergleich: Ende 2021 hatten insgesamt nur 27 Prozent der Befragten starke oder mittelschwere Folgen auf das eigene Geschäft erwartet.

EY-Spotlight NPL-Markt
der Finanzexperten rechnen mit steigenden NPL-Quoten, der höchste Wert seit Beginn der Umfrage.

Banken bremsen beim Neugeschäft

Angesichts der trüben Aussichten ist es nur konsequent, dass die Kreditexperten für die kommenden Monate mit Zurückhaltung im Neugeschäft rechnen. 89 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass das Volumen der ausgereichten Kredite in den kommenden zwölf Monaten schrumpfen wird, 31 Prozent erwarten sogar einen starken Rückgang. Innerhalb eines Jahres hat sich die Stimmung damit erheblich verschlechtert: Im vierten Quartal 2021 war nur gut ein Viertel von einem rückläufigen Neugeschäft ausgegangen.

 

Aufgeschlüsselt nach Kreditarten machen Konsumentenkredite und Unternehmensfinanzierungen die größten Sorgen. Hier rechnen jeweils rund 85 Prozent der Befragten mit Ausfällen. In beiden Kategorien wurden auch schon bei früheren Umfragen die größten Risiken gesehen. Zunehmend halten die Fachleute aber auch die Finanzierung von Wohnimmobilien für problembehaftet. 62 Prozent rechnen damit, dass Kunden nicht in der Lage sein werden, ihre Hypotheken zu tilgen. Ein Jahr zuvor waren es lediglich 28 Prozent. Vor allem die deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten dürften dafür verantwortlich sein, dass sich einige Immobilienbesitzer ihre vier Wände nicht mehr leisten können.

 

NPL-Transaktionen bereinigen Kreditbuch

Die anhaltend hohen Unsicherheiten in Wirtschafts- und Geopolitik sorgen für weitere Bewegung im Markt für NPL-Transaktionen. Die überwiegende Mehrheit der Befragten, 91 Prozent, rechnet in den kommenden 18 Monaten mit einem nennenswerten Anstieg von Transfers notleidender Kredite, zum Beispiel um Liquidität freizusetzen oder das Portfolio zu optimieren.

 

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass längst nicht alle Befragten das eigene Institut am Zug sehen. 48 Prozent haben in der Bank bisher keinen Risikotransfer geplant, damit bleibt der Anteil quasi unverändert im Vergleich zu den letzten Umfragen. Wer eine NPL-Transaktion im Blick hat, entscheidet sich am häufigsten (23 Prozent) für das hauseigene Work-out. Dahinter folgen mit rund 10 Prozent True Sales und Verbriefungen. Syndizierung und Derivate kommen für jeweils knapp 5 Prozent der Befragten infrage.

 

Für Sanierung, Restrukturierung oder Work-out fühlen sich die Befragten in jedem Fall gut gerüstet. 83 Prozent sehen sich personell gut aufgestellt, 71 Prozent halten auch die Prozesse im eigenen Haus für geeignet, um die Übertragung von Kreditrisiken erfolgreich anzugehen. Genauer unter die Lupe genommen haben die Situation allerdings bisher nur 18 Prozent, die eine Exit-Readiness-Analyse durchgeführt haben.

 

Zinsen und Energiepreise im Fokus

Geht es um die Ursachen der deutlich eingetrübten Kreditsituation, spielen die zeitweilig zweistelligen Inflationsraten und insbesondere der Anstieg der Energiepreise eine wichtige Rolle. Jeweils rund drei Viertel der Befragten sehen darin einen entscheidenden Treiber für die erwartete Zunahme notleidender Kredite. 

Auch die Aufseher haben diese Faktoren für das Kreditgeschäft im Blick. Sie warnen die Institute seit Monaten, die Risikosteuerung in der Kreditvergabe und die Einstufung notleidender Kreditnehmer genau zu beobachten, denn hier würden viele Geldhäuser Mängel aufweisen.

 

Bisher haben 31 Prozent der Befragten die Risikovorsorge erhöht, weitere 29 Prozent haben diesen Schritt in Vorbereitung. Trotz des schwierigen Umfeldes sehen aber 39 Prozent bisher keine Notwendigkeit für eine Anpassung der Rücklagen. Die Entwicklung der kommenden Monate wird zeigen, ob sie mit dieser Einschätzung richtig lagen.

EY-Spotlight NPL-Markt
der Bankmanager haben aufgrund der höheren Zinsen und Energiekosten die Risikovorsorge ihres Instituts erhöht.

Fazit

Die kommenden zwölf Monate werden für die deutsche Kreditwirtschaft nicht einfach. Geopolitik und Konjunkturaussichten machen den Instituten zu schaffen. Die große Mehrheit der befragten Bankmanager rechnet mit einer Zunahme der notleidenden Kredite und mit weniger Neugeschäft. Besonders wichtig ist es daher, die Abläufe und Prozesse darauf zu überprüfen, ob sie für mögliche Verwerfungen im Kreditgeschäft geeignet sind. Auch das Personal muss auf die Herausforderungen vorbereitet sein. Die Bankenaufsicht warnt bereits seit Monaten, dass viele Banken in der Risikovorsorge Schwächen zeigen. Diese gilt es anzupacken.

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