Wachstumschancengesetz

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Was lange währt, wird manchmal nur teilweise gut

Der Bundesrat hat am 22.03.2024 nun doch den Weg für das Wachstumschancengesetz frei gemacht – allerdings in stark abgespeckter Form. Das Gesetz enthielt ursprünglich umfangreiche Änderungen, die unter anderem die Lohn- und Einkommensteuer betrafen. Der Bundesrat war mit dem Regierungsentwurf jedoch nicht einverstanden und es musste der Vermittlungsausschuss hinzugezogen werden. Einige der geplanten Erleichterungen sind daher in der endgültigen Fassung weggefallen. Beibehalten wurde allerdings die Abschaffung der sogenannten Fünftelregelung im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens, die der Bundesrat zunächst kritisiert hatte.

Es stimmt nicht, dass alles teurer wird; man muss nur einmal versuchen, etwas zu verkaufen.
Robert Lembke (1913–1989)
deutscher Journalist und Fernsehmoderator

Fünftelregelung

Derzeit geltendes Recht

Wenn außerordentliche Einkünfte im Sinne von § 34 EStG in einem Veranlagungszeitraum zufließen, hat dies in der Regel einen erhöhten Steuersatz für alle Einkünfte zur Folge (Progressionswirkung). Zu diesen außerordentlichen Einkünften gehören im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit Entschädigungen im Sinne von § 24 Nr. 1 EStG (z. B. Abfindungen) oder Vergütungen, die einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten betreffen (sog. Arbeitslohn für mehrere Jahre). Die Fünftelregelung soll diesen unerwünschten Progressionseffekt verhindern bzw. reduzieren, indem der Zufluss der betreffenden Einnahmen über einen Zeitraum von fünf Jahren fingiert wird.

Derzeit hat der Arbeitgeber die Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren anzuwenden, wenn die betreffenden Einnahmen die Voraussetzungen dafür erfüllen. Ein Wahlrecht sieht das Gesetz nicht vor.

In diesen Fällen besteht zudem eine Verpflichtung zur Veranlagung zur Einkommensteuer (§ 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG). Dies gilt seit 2020 auch bei beschränkter Steuerpflicht und damit verbunden auch die Anwendung des Progressionsvorbehalts (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. c EStG i. V. m. § 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG und § 32b EStG). Das heißt, die ausländischen Einkünfte werden bei der Bestimmung des Steuersatzes, der auf die in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte anzuwenden ist, einbezogen. 

Dies hat in zahlreichen Fällen zur Folge, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die beispielsweise Einkünfte aus Long-Term-Incentive-Plänen (LTIs) bezogen haben, aufgrund der Anwendung der Fünftelregelung eine höhere Einkommensteuer entrichten müssen als bei einer regulären Besteuerung (mit Abgeltungswirkung durch den Lohnsteuereinbehalt und ohne Progressionsvorbehalt) – ein Ergebnis, das der Intention der Fünftelregelung zuwiderläuft.

Änderung durch das Wachstumschancengesetz

Die Fünftelregelung ist ab 2025 (statt 2024) nicht mehr im Lohnsteuerabzugsverfahren anzuwenden. Betroffene Beschäftigte sollen künftig jedoch die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragen können. Sie dürfen also ab 2025 selbst entscheiden, ob die Einkünfte mit dem Regelsteuersatz oder nach der Fünftelregelung besteuert werden. So können sie vermeiden, dass durch die Berücksichtigung steuerfreier Einkünfte bei der Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer eine höhere Steuer anfällt (es sei denn, eine Veranlagung mit Anwendung des Progressionsvorbehalts ist bereits aus anderen Gründen durchzuführen).

Wird die Veranlagung beantragt, gilt die Einkommensteuerschuld nicht mehr mit dem Lohnsteuerabzug als abgegolten und es ist wie bisher im Fall der Antragsveranlagung der Progressionsvorbehalt anzuwenden.

Umfang der beschränkten Einkommensteuerpflicht von Arbeitnehmern

Bei beschränkter Steuerpflicht sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unter anderem dann als inländische Einkünfte steuerbar, wenn die betreffende Tätigkeit in Deutschland ausgeübt oder verwertet wird oder wurde. Die Ausübung setzt hierbei ein persönliches Tätigwerden im Inland voraus. Der Tatbestand der Verwertung wird von der ständigen Rechtsprechung eng ausgelegt, sodass er in der Regel nicht erfüllt ist.

Übt ein Grenzpendler seine Tätigkeit in seinem ausländischen Homeoffice aus, unterliegt die anteilige Vergütung demnach grundsätzlich nicht der deutschen Besteuerung. Deutschland hat zwar mit Luxemburg eine Vereinbarung getroffen, wonach bei einer Tätigkeit im luxemburgischen Homeoffice von höchstens 34 Tagen (bis 2023 19 Tage) das Besteuerungsrecht auch insoweit Deutschland zusteht, da jedoch ein Doppelbesteuerungsabkommen bzw. Vereinbarungen dazu kein Besteuerungsrecht begründen, sondern nur ein bereits nach innerstaatlichem Recht vorhandenes Besteuerungsrecht einschränken können, hätte Deutschland ohne Gesetzesänderung diese Einkünfte nicht besteuern können.

Darüber hinaus geht der Gesetzgeber davon aus, dass es wegen der zunehmenden Mobilisierung der Arbeit auch mit anderen Staaten Bagatellregelungen wie mit Luxemburg geben wird. Er will daher erreichen, dass diesen abkommensrechtlichen Besteuerungsmöglichkeiten nationales Recht nicht entgegensteht. Deshalb hat er § 49 Nr. 4 Buchst. a EStG um einen neuen Satz 2 erweitert, der dies ab 2024 sicherstellt. Dort ist geregelt, dass auch eine Tätigkeit, die in einem anderen Staat ausgeübt wird, als im Inland ausgeübt oder verwertet gilt, soweit ein DBA (oder eine andere zwischenstaatliche Vereinbarung) Deutschland für diese Tätigkeit ein Besteuerungsrecht zuweist.

Wie vom Bundesrat empfohlen wurde hierzu eine Ausnahmeregelung für Bordpersonal aufgenommen, das unter Art. 15 Abs. 3 OECD-MA fällt, um zu verhindern, dass diese Personen in Deutschland voll steuerpflichtig werden

Versorgungsfreibetrag

Von Versorgungsbezügen (wie beispielsweise Betriebsrenten) bleiben ein bestimmter (auf einen Höchstbetrag begrenzter) prozentualer Anteil und ein Zuschlag steuerfrei. Diese Einkünfte werden auf eine nachgelagerte Besteuerung umgestellt, indem der steuerbare Teil der Bezüge schrittweise steigt und gleichzeitig ein immer größerer Teil der Beiträge während der Ansparphase steuerlich abzugsfähig ist. 

Um das Risiko einer doppelten Besteuerung von Renten zu verringern, erhöht sich allerdings der steuerpflichtige Teil langsamer als bisher vorgesehen. Im Gegenzug sinkt nun auch der Versorgungsfreibetrag weniger schnell. 

Jahr Prozentsatz Höchstbetrag in Euro Zuschlag in Euro
2023 14,0 (bisher 13,6) 1.050 (bisher 1.020) 315 (bisher 306)
2024 13,6 (bisher 12,8) 1.020 (bisher 960) 306 (bisher 288)

Bei einem Versorgungsbeginn ab 2058 reduziert sich der Versorgungsfreibetrag auf 0 Euro.

Privatnutzung von Firmenwagen

Das Gesetz senkt die Hürden für die bereits bestehende Vergünstigung für Elektrofahrzeuge bei der Versteuerung der privaten Nutzung von Firmenwagen.

Es reduziert den Listenpreis (1-Prozent-Regelung) bzw. die Anschaffungskosten oder vergleichbare Aufwendungen (Fahrtenbuchmethode) auf ein Viertel (keine CO2-Emissionen) bzw. bei einem Bruttolistenpreis von bis zu 70.000 Euro (bisher 60.000 Euro), wenn das Fahrzeug nach dem 31.12.2023 angeschafft wurde.

Der auf die Hälfte verringerte Listenpreis greift weiterhin auch für Fahrzeuge, deren Reichweite bei ausschließlicher Nutzung des elektrischen Antriebs mindestens 60 bzw. künftig 80 Kilometer beträgt, die jedoch mehr als 50 Gramm Kohlendioxid je gefahrenen Kilometer ausstoßen.

Weitere für Arbeitgeber und Arbeitnehmer relevante Punkte

Außerdem wurden insbesondere die folgenden für Arbeitgeber und Arbeitnehmer interessanten Punkte durch das Wachstumschancengesetz umgesetzt:

  • Erhöhung der abzugsfähigen Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, auf 50 Euro je Empfänger im Wirtschaftsjahr (rückwirkend ab 01.01.2024) 
  • Abschaffung der Grenze von durchschnittlich 100 Euro pro Kopf und Kalenderjahr für die pauschale Versteuerung der Beiträge für eine Gruppenunfallversicherung
  • Anhebung der Pauschale für Arbeitnehmer, die im Rahmen ihrer auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers (oder eines von diesem beauftragten Dritten) übernachten, von 8 Euro auf 9 Euro  

Nicht verabschiedet wurden dagegen unter anderem

  • die Anhebung des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen von bisher 110 auf 150 Euro, 
  • die Anpassung der Verpflegungspauschbeträge 
    • von 28 auf 30 Euro bzw. sogar 32 Euro laut Vorschlag des Finanzausschusses (Abwesenheit von 24 Stunden) bzw.  
    • von 14 auf 15 Euro bzw. 16 Euro wie vom Finanzausschuss empfohlen (Abwesenheit von mehr als 8 Stunden ohne Übernachtung bzw. An- und Abreisetag bei Abwesenheit mit auswärtiger Übernachtung) und
  • die Anhebung der Grenze für den Sofortabzug der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten von geringwertigen Wirtschaftsgütern von 800 auf 1.000 Euro. 

Fazit

Für die Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung wird es eine große Erleichterung sein, wenn Arbeitgeber ab 2025 nicht mehr abklären müssen, ob bei bestimmten Vergütungsbestandteilen die Fünftelregelung greift. Die Erweiterung der Vergünstigung für Elektrofahrzeuge dürfte auch viele Befürworter finden, ebenso die Abschaffung der Grenze von 100 Euro für Gruppenunfallversicherungen.

Weniger erfreulich ist insbesondere im Hinblick auf die gestiegenen Preise, dass auf die längst fällige Erhöhung der Verpflegungspauschbeträge und des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen verzichtet wurde. Letzteres und die Anhebung der Grenze für den Sofortabzug der Aufwendungen für geringwertige Wirtschaftsgüter wären hilfreich gewesen, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Es bleibt zu hoffen, dass es gelingt, diese Anpassungen möglichst bald nachzuholen.

Handlungsempfehlung

Arbeitgeber sollten klären, welche der beschlossenen Änderungen für sie relevant sind, und rechtzeitig untersuchen, inwieweit interne Prozesse anzupassen sind.

Außerdem könnte es ratsam sein zu prüfen, ob die Beschäftigten ab 2025 darauf hingewiesen werden sollen, wenn möglicherweise eine begünstigte Besteuerung nach der Fünftelregelung (im Wege einer Antragsveranlagung) in Betracht kommt. Weder Gesetz noch Gesetzesbegründung gehen auf diese Frage ein.

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