Vogelperspektive eines grünen Waldes mit schlangenartigem Pfad, der Naturpracht und nachhaltige ESG-Prinzipien zeigt.

Warum Biodiversität im Asset-Management wichtig ist

Über die Chancen und Herausforderungen des Biodiversitätsmarktes für die Produktgestaltung und das Risikomanagement


Überblick

  • Biodiversität ist eine zunehmend bedrohte Schlüsselressource, deren Schutz essenziell für langfristige wirtschaftliche Stabilität und Nachhaltigkeit ist.
  • Asset-Manager können Biodiversität mithilfe etablierter Metriken und innovativer Datensätze in ihre Risiko- und Investitionsstrategien integrieren.
  • Der Markt für Biodiversitätsfonds wächst schnell und bietet wertvolle Diversifikationsmöglichkeiten sowie das Potenzial für langfristige Wertschöpfung.

Die Biodiversität und funktionierende Ökosysteme sind essenziell für die Menschheit und die Erde. Sie sind die Grundlage für unsere Lebensqualität, Ernährung und Medizin und für den Schutz vor Naturkatastrophen. Allerdings ist die Biodiversität weltweit bedroht, was durch den Ressourcenverbrauch und Eingriffe in Ökosysteme verstärkt wird. Die EU hat sich Ziele gesetzt, um den Nettoverlust an funktionierenden Systemen bis 2030 zu stoppen und bis 2050 widerstandsfähige Ökosysteme zu gewährleisten.

Eine Studie des World Economic Forum (WEF) zeigt, dass 25 Prozent der Tier- und Pflanzenarten durch menschliches Handeln bedroht sind und sich Ökosysteme im Vergleich zu früher um 47 Prozent verringert haben. Biodiversität ist für viele Wirtschaftssektoren wichtig, da 50 Prozent des weltweiten BIP von Ökosystemdienstleistungen abhängen. Zudem beschleunigt der Verlust der Biodiversität den Klimawandel, da Ökosysteme eine wichtige Rolle in der Klimaregulierung spielen, indem sie circa 50 Prozent der vom Menschen verursachten Kohlenstoffemissionen absorbieren. Bei einem Rückgang der biologischen Vielfalt ist eine Beschleunigung des Klimawandels zu befürchten. Der Klimawandel wiederum trägt zum Verlust der biologischen Vielfalt bei, indem dauerhafte Veränderungen des Klimas unumkehrbare Auswirkungen auf die Ökosysteme haben.

Wirtschaftsfaktor Biodiversität
des weltweiten BIP hängen von Ökosystemdienstleistungen ab.

Für Asset-Manager und Asset Owners ist es wichtig, Biodiversitätsfaktoren in den Anlageprozess und in das Risikomanagement zu integrieren, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen, Risiken zu minimieren und neue Chancen zu realisieren. Frühzeitige Maßnahmen können Verluste vermeiden und neue Geschäftsfelder erschließen.
 

Daten und Metriken zur Biodiversität

Um die Biodiversität effektiv in den Investitionsprozess zu integrieren, ist es entscheidend, sie messbar zu machen. Nur durch verlässliche Daten und präzise Metriken lassen sich die Auswirkungen auf Ökosysteme und Artenvielfalt wirklich verstehen und bewerten – doch genau hier liegen erhebliche Herausforderungen im Umgang mit Biodiversität. Die Vielzahl von Datenanbietern und die mangelnde Offenlegung von Standort- und Naturdaten durch Unternehmen erschweren eine verlässliche Bewertung. Es gibt keine einheitliche Marktpraxis und oft fehlen Standortdaten, um Risiken präzise zu erfassen.

Um sich im unübersichtlichen Umfeld der Datenprovider zurechtzufinden, hat EY eine umfassende Analyse von über 37 Anbietern durchgeführt. Die Untersuchung bietet Einblicke in die Biodiversitätsmetriken und -standards der verschiedenen Provider und schafft eine Vergleichsgrundlage für Nutzer. Sollten Sie Interesse an dieser Analyse und an unserer Grafik haben, die die Bandbreite der Ansätze und die Messung von Biodiversitätsfaktoren darstellt, kommen Sie gerne auf uns zu.

 

Neben der Analyse bestehender Datenprovider gibt es stetig neue Entwicklungen und innovative Ansätze, um Biodiversitätsrisiken messbar zu machen, etwa Geodatensätze zur Messung von Biodiversitätsrisiken, die mithilfe von Weltraumtechnologien detaillierte Daten über die Erde liefern. Dazu zählen sichtbare, thermische, Radar- und Lasertechnik-Daten. Sie bieten neue Möglichkeiten, Biodiversität zu quantifizieren und Risiken zu erkennen, die zuvor nur schwer zugänglich waren.

 

Um Biodiversitäts-Impacts standardisiert darzustellen und messbar zu machen, sind etablierte Indikatoren entscheidend – auch wenn der Markt bisher wenig Standardisierung bietet. Erste Metriken, die sich abzeichnen, sind beispielweise MSA (Mean Species Abundance), PDF (Potentially Disappeared Fraction) oder STAR (Species Threat Abatement and Restoration). Während MSA ein Indikator für die die Integrität von Ökosystemen in Bezug auf Artenvielfalt ist und PDF das potenzielle Aussterberisiko von Arten spiegelt, misst STAR Bedrohungs- und Restaurationspotenziale in Bezug auf Arten in einem festgelegten Areal. Diese Kennzahlen lassen sich anschließend zu messbaren Größen für Unternehmen zusammenführen, etwa einem Biodiversity Footprint, der zeigt, wie stark die Artenvielfalt durch Unternehmensaktivitäten beeinträchtigt wird. Der Footprint ermöglicht Vergleiche zwischen Unternehmen, indem er Biodiversitätsverluste auf eine standardisierte Kennzahl wie Umsatz oder Output-Units bezieht.

 

Zusätzlich zu spezifischen Metriken gibt es andere Ansätze zur Integration der Biodiversität in das Asset-Management. So kann der Biodiversitäts-Impact durch Fokussierung auf biodiversitätsintensive Sektoren, sektorspezifische Indikatoren oder die Ausrichtung an den UN-SDGs gemessen werden. Diese Ansätze helfen, die komplexen Einflüsse von Unternehmen auf die Natur besser abzubilden.


Ambitionsniveau und Integration

 

Um Biodiversitätsaspekte in die Investmentpraxis einzubinden, können Asset-Manager fünf Ambitionsniveaus verfolgen, von Compliance bis hin zur umfassenden Wertgenerierung. Je nach Ambitionsniveau reicht das Engagement von der Erfüllung regulatorischer Anforderungen über die Identifikation von Chancen bis hin zur langfristigen Optimierung des Biodiversitätswertes für alle Stakeholder.

Grafik: Ambitionsniveau und Integration

1. Compliance

Das niedrigste Ambitionsniveau ist die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen. Auf Compliance-Ebene geht es um die Einhaltung regulatorischer Standards, die durch EU-Richtlinien wie den European Green Deal und Regularien wie der EU-Taxonomie gestützt werden. Ergänzend dazu bieten Frameworks wie die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD), das Cambridge Institute for Sustainability Leadership (CISL) und die Convention on Biological Diversity eine Basis zur Erfüllung dieser Anforderungen und tragen zur Standardisierung der Berichterstattung bei.

Graphic 2

2. Risikomanagement

Das zweite Ambitionsniveau umfasst die Integration von Biodiversitätsfaktoren in das Risikomanagement. Dabei werden die Einflüsse und Abhängigkeiten von Unternehmen in Bezug auf Biodiversität und Ökosysteme analysiert. Unternehmen beeinflussen die Biodiversität durch die Land- und Ressourcennutzung und sind gleichzeitig von ihr abhängig, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Wasser durch das Ökosystem.

Aus diesen Einflüssen und Abhängigkeiten ergeben sich Risiken und Chancen. Abhängigkeiten können zu Unterbrechungen in der Wertschöpfungskette oder zu Produktivitätsverlusten führen, während in neuen technischen Entwicklungen und Produkten Chancen liegen.

Identifizierte Risiken werden in das Risikomanagement integriert. Zunächst werden mögliche Risikoursachen wie physische Risiken (zum Beispiel Verlust von Ökosystemdienstleistungen) oder transitorische Risiken (zum Beispiel Änderungen in der Regulatorik) betrachtet. Danach werden die Auswirkungen spezifiziert, beispielsweise inwiefern es zu Stranded Assets kommen kann. Schließlich werden die Materialisierung und die möglichen Operationalisierungen der Risiken analysiert.


Zur Risikobeurteilung und Integration in die Risikomanagementprozesse können die Risiken im Rahmen eines von EY entwickelten Assessment-Prozesses bewertet werden.


Zur Risikobeurteilung und Integration in die Risikomanagementprozesse können die Risiken im Rahmen eines von EY entwickelten Assessment-Prozesses bewertet werden.

Der vierstufige Assessment-Prozess sieht vor, dass zunächst das High-Level Assessment zur Quantifizierung des Biodiversität-Fußabdrucks pro Sektor und Land durchgeführt und anschließend im zweiten Schritt bewertet wird. Unternehmen eines High-Impact-Sektors werden im dritten Prozessschritt einem unternehmensspezifischen Assessment unterzogen. In dessen Rahmen wird der Fußabdruck pro Standort quantifiziert. Für den Fall, dass auch hier das Unternehmen einen kritischen Wert übersteigt, müssen Maßnahmen zur Risikomitigation ergriffen werden. Hier gibt es unterschiedliche Herangehensweisen für das Risikomanagement: von einer starken Maßnahme wie der Desinvestition über das Setzen von Exposure-Limits bis hin zur reinen Informationsquelle für den Portfoliomanager. Unabhängig von den Maßnahmen kann die Erkenntnis aus dem Assessment-Prozess der Trigger für das kontinuierliche Monitoring durch den Portfoliomanager und ein mögliches Engagement mit dem Unternehmen sein.

3. Opportunity Seeking

Opportunity Seeking geht über die Risikominimierung hinaus und sucht aktiv nach Chancen, die Biodiversität zu fördern. Erfolgreiche Beispiele von Unternehmen, die die Biodiversität fördern, beinhalten Aktivitäten zur Wiederherstellung natürlicher Prozesse wie die Renaturierung von Mangroven oder die Reduktion des Einsatzes chemischer Düngemittel. Solche Maßnahmen erhöhen nicht nur die Resilienz von Unternehmen, sondern haben in den genannten Beispielen zur Reduktion der Kosten und zur Steigerung der wirtschaftlichen Erträge geführt. Diese Effekte können Asset-Manager und Asset Owners identifizieren und an dem Erfolg des Unternehmens partizipieren.

4. Solutions-/Impact-Focused

Das vierte Ambitionsniveau Solutions-/Impact-Focused umfasst die breite Integration von Biodiversität in ESG-Steuerungskonzepte. So können Unternehmen mit einem Biodiversity Footprint, der einen gewissen Schwellenwert überschreitet, oder Unternehmen mit Kontroversen ausgeschlossen werden (Ausschlüsse). Darüber hinaus können Investitionen auf Unternehmen, die die besten Biodiversitätskennzahlen in ihrer Peergroup vorweisen können, fokussiert werden (Best in Class). Eine dritte Möglichkeit ist die vollständige ESG-Integration, sodass die gemessenen Biodiversitätsrisiken ein weiterer Bewertungsfaktor im Investitionsprozess sind. So können Biodiversitätsbudgets auf Portfolio-, Gruppen-, Abteilungs- oder Asset-Manager-Ebene verteilt und gleichzeitig Reduktionsziele im Zeitverlauf gesetzt werden.

5. Long-Term Value

Das fünfte Ambitionsniveau, Long-Term Value, beschreibt die Entwicklung und Verfolgung einer dedizierten Biodiversitätsstrategie. Eine mögliche Maßnahme hierzu wäre beispielsweise die Auflage von Biodiversitätsprodukten. Im Rahmen von Impact Investing oder Thematic Investing legt der Asset-Manager dediziert in Unternehmen an, die einen nachgewiesenen positiven Impact auf die Biodiversität haben. Dabei können auch Themenprodukte mit Biodiversitätsbezug entwickelt und angeboten werden. Das Thema erfreut sich auch bei Investoren immer größerer Beliebtheit – eine aktuelle Studie von MSCI zeigt, dass im Zeitraum September 2023 bis September 2024 die Assets in Biodiversity-Labeled Funds um über 50 Prozent gestiegen sind. Mit einem weiteren Wachstum ist auch in der Zukunft zu rechnen.

Schließlich besteht die Möglichkeit, Biodiversität so in den Investitionsprozess zu integrieren, dass langfristiger, dauerhafter Wert geschaffen wird. Der Markt für Biodiversitätsfonds ist zwar noch klein, wächst jedoch rasant. Diese Fonds bieten Asset-Managern nicht nur die Möglichkeit zur Diversifikation, sondern auch signifikantes Potenzial für eine nachhaltige Wertentwicklung. Durch den steigenden Fokus auf Biodiversität können diese Fonds eine wertvolle Ergänzung im Portfolio werden und den langfristigen Ertrag sichern.

Fazit

Die Biodiversität steht global unter Druck, und versteckte Abhängigkeiten können sich zunehmend auf Renditen auswirken. Der Aufbau einer zuverlässigen Datenbasis ist für die Integration in Investitions- und Risikomanagementprozesse essenziell. Jede Organisation sollte anhand ihres Ambitionsniveaus Biodiversitätsstrategien entwickeln, die Risiken und Chancen zu berücksichtigen. Der Biodiversitätsmarkt entwickelt sich schnell, und Asset-Manager sollten die steigende Nachfrage nutzen, um nachhaltige Wertschöpfung zu erreichen. Der Handlungsdruck wächst – jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um aktiv zu werden.

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