Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister, steht nach einem Fototermin in einem Eingangsbereich des Reichstagsgebaeudes.

Was Unternehmen und Beschäftigte zum neuen Arbeitszeitgesetz wissen sollten

Nach Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts muss die Bundesregierung die Anforderungen an die Arbeitszeiterfassung verschärfen.


Überblick

  • Das Bundesarbeitsministerium hat einen Referentenentwurf zur Verschärfung der Anforderungen bezüglich der Arbeitszeiterfassung vorgelegt.
  • Die Änderungen bringen einige wichtige Neuerungen in Bezug auf die Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit. 
  • Gleichwohl lohnt schon jetzt ein Blick auf das Regelwerk. 

Das Bundesarbeitsministerium hat nun einen Referentenentwurf vorgelegt. Die Änderungen bringen einige wichtige Neuerungen in Bezug auf die Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit. Das Gesetzgebungsverfahren läuft noch. Gleichwohl lohnt schon jetzt ein Blick auf das Regelwerk.

Elektronische Form

Der Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (RefE-ArbZG) legt fest, dass die Erfassung grundsätzlich elektronisch erfolgen muss. Das bedeutet, dass herkömmliche Methoden wie Stundenzettel oder Excel-Tabellen nur noch in Ausnahmefällen zulässig sind – etwa während Übergangszeiten, aufgrund von Regelungen durch Tarifverträge oder Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen und für Unternehmen mit nicht mehr als zehn Beschäftigten.

Delegation der Pflichten

Arbeitgeber können die Verantwortung für die Zeiterfassung an die Beschäftigten oder Dritte (z. B. Vorgesetzte) delegieren. Dennoch bleibt der Arbeitgeber für die korrekte Erfassung verantwortlich. Er muss die Arbeitnehmer ordnungsgemäß über die Erfassungspflicht informieren und ggf. zur ordnungsgemäßen Führung der Aufzeichnungen anleiten und schulen. Zudem sieht der Entwurf eine Mindestaufbewahrungsfrist von zwei Jahren für die Arbeitszeitaufzeichnungen vor. Die Pflicht des Aufbewahrens entspricht der bisherigen Regelung, die beispielsweise für Schichtpläne gilt. Zweck ist die Möglichkeit, die Aufzeichnungen bei Prüfungen von Aufsichtsbehörden, in arbeitsgerichtlichen Verfahren oder auf Verlangen des Betriebsrats bereitzustellen.

Grafik: Bezahlte und unbezahlte Ueberstunden der Arbeitnehmer 2000 bis 2022 in Mio.

Vertrauensarbeitszeit

Trotz der schärferen Regelungen bleibt Vertrauensarbeitszeit grundsätzlich weiterhin möglich. Dies bedeutet, dass Unternehmen und Beschäftigte weiterhin auf eine flexible Arbeitszeitgestaltung setzen können, bei der sie Beginn und Ende der Arbeitszeit frei bestimmen. In diesem Zusammenhang bleibt es wichtig, dass der Arbeitgeber trotzdem die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur täglichen Maximalarbeitszeit und Ruhepausen sicherstellt. Dabei soll es dem Arbeitgeber insbesondere durch die elektronische Aufzeichnung erleichtert werden, die arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit aufzuzeichnen, ohne die vertragliche Arbeitszeit kontrollieren zu müssen.

Der Arbeitgeber muss durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen in Bezug auf Dauer sowie Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Dies kann zum Beispiel durch eine entsprechende Meldung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems erfolgen.

Bußgelder

Vorsätzliche und fahrlässige Verstöße des Arbeitgebers gegen die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit, beispielsweise durch Nichtvornahme oder durch nicht richtige oder unvollständige Aufzeichnungen, können als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro belegt werden.

Abweichungen per Tarifvertrag

Tarifparteien können von den gesetzlichen Regelungen abweichen. Sie können eine andere als die elektronische Form vereinbaren oder dass die Arbeitszeit bis spätestens sieben Kalendertage nach dem Tag der Arbeitsleistung aufgezeichnet wird. Die Erfassungspflicht kann für bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden. Dies betrifft insbesondere solche Arbeitnehmer, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt werden kann.

Mitbestimmungsrecht

Grundsätzlich hat der Betriebsrat kein Initiativ- oder Mitbestimmungsrecht bei der Frage, ob Arbeitszeiten erfasst werden sollen, da dem Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen Vorgabe hierfür kein Spielraum verbleibt. Allerdings hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um die Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung oder um Regelungen über die gesetzlichen Mindestvorgaben hinaus geht, also im Hinblick auf das Wie. Unternehmen sollten daher den Betriebsrat einbeziehen, soweit es um die Art und Weise der Arbeitszeiterfassung geht.

Umsetzungsfrist

Die Umsetzungsfrist beträgt ein Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes. Für Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten wird diese Frist auf zwei Jahre und für solche mit weniger als 50 Beschäftigten auf fünf Jahre verlängert. Es ist Arbeitgebern jedoch zu empfehlen, sich frühzeitig mit den neuen Regelungen auseinanderzusetzen und entsprechende Anpassungen in ihren Zeiterfassungssystemen vorzunehmen.

Fazit

Insgesamt bringt der Referentenentwurf einige wichtige Änderungen mit sich. Jedoch enthält er keine klarstellende Regelung hinsichtlich der Erfassung von Pausenzeiten. Dies könnte in der Praxis zu Unklarheiten führen. Über Änderungen im weiteren Gesetzgebungsprozess informieren wir Sie fortlaufend.

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