Illustration: Geschaeftsmann mit verbundenen Augen versucht an einem Rechenschieber den korrekten CO2-Preis zu berechnen

Wie Konzerne intern ihr CO2 bepreisen sollten

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Unternehmen sind gezwungen, den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren, zuzuordnen und in die Verrechnungspreise zu integrieren. Eine komplexe Aufgabe.


Überblick

  • Die interne CO2-Bepreisung ist eine drängende Herausforderung für Unternehmen.
  • Die Emissionssteuer agiert als direkter Anreiz zur Reduzierung von Emissionen.
  • Emissionshandel verspricht, potenziell die kosteneffizienteste Methode zur Emissionsminderung zu sein, bringt jedoch hohe Transaktionskosten mit sich. 

Internal Carbon Pricing (ICP) ist eine drängende Herausforderung für Unternehmen. Diese nutzen interne CO2-Preise als integralen Bestandteil ihrer strategischen Ausrichtung, um Anreize für die Reduzierung von Emissionen zu schaffen und nachhaltige Entscheidungen zu fördern. Wie ermittelt man aber den richtigen internen CO2-Preis ohne klare Regulierungsvorgaben? Die Beantwortung dieser Frage ist wichtig für die Bemühungen der Konzerne, zielgerichtet und effektiv die Emissionen in den einzelnen Unternehmensteilen und -gesellschaften zu senken. Daran hängen auch die Glaubwürdigkeit von ESG-Berichten, die Attraktivität für Nachhaltigkeitsfonds oder die korrekte Gestaltung von Verrechnungspreisen, die in irgendeiner Form mit Dekarbonisierung in Verbindung stehen.

Grundsätzlich lassen sich drei Archetypen des Internal Carbon Pricing identifizieren:

1. Hypothetischer Preis:

Im ersten Fall bewerten Unternehmen ihre CO2-Emissionen intern zu einem hypothetischen Preis und nutzen diesen beispielsweise in der Investitionsrechnung. Dieser „Schattenpreis“ kann zu einer fundamental veränderten Entscheidungsdynamik führen, wenn langfristige ökologische Auswirkungen berücksichtigt werden. In der traditionellen Investitionsrechnung mag die „graue“ Alternative zwar oft kostengünstiger erscheinen, doch durch die Integration eines hypothetischen Emissionspreises und eine zukunftsorientierte Betrachtung über die kommenden 20, 30 oder 40 Jahre ergibt sich eine vollkommen veränderte Dynamik in der Bewertung von Investitionen.

2. Emissionssteuer:

Mit einer internen Emissionssteuer etabliert ein Unternehmen eine interne Abgabe pro Tonne ausgestoßenem CO2. Die Einnahmen daraus dienen dann für andere klimapolitische Maßnahmen im Konzern. Hier fließt reales Kapital zwischen verschiedenen Werken bzw. Gruppengesellschaften, wobei emissionsintensive Prozesse stärker besteuert und die generierten Einnahmen für umweltfreundliche Initiativen verwendet werden.

3. Emissionszertifikate:

Eine weitere Variante beim ICP ist das Erstellen und Austauschen von Emissionszertifikaten zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen eines Unternehmens. Dieser interne CO2-Zertifikathandel ermöglicht es Unternehmen, ihre ökologische Performance intern zu vergleichen und Anreize für die Umsetzung von Dekarbonisierungszielen zu setzen.

Unternehmen stehen zu Beginn des ICP vor der zentralen Entscheidung, welcher der drei Archetypen am besten zu ihren individuellen Zielen und ihrer Struktur passt. Die Wahl hat nicht nur Auswirkungen auf die ökologische Performance, sondern kann auch langfristig die Unternehmensbewertung beeinflussen.

Vier Dimensionen

Nach der Auswahl des Archetyps eröffnen sich vier entscheidende Dimensionen, die sorgfältig abgewogen werden müssen:

Die Höhe bezieht sich auf das Niveau des Kohlendioxidpreises und erfordert die Festlegung, wie viel finanzieller Anreiz für die Reduzierung von Emissionen geschaffen werden soll.

Die Breite betrifft die Abdeckung von Treibhausgasemissionen – von reinem CO2 bis hin zu einer breiteren Palette von Umweltfaktoren.

Die Tiefe bezieht sich auf die Bestimmung des geschäftlichen Einflusses des ICP, einschließlich der Frage, ob und wie stark mögliche Bonusstrukturen für Führungskräfte betroffen werden.

Die Zeit als vierte Dimension determiniert schließlich, wie schnell die anderen drei Dimensionen umgesetzt werden, ob durch einen groß angelegten Ansatz oder eine graduelle Umsetzung in ausgewählten Werken. 

Grafik: Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Typen interner CO2-Bepreisung

Komplexe Matrix

Da sich die drei Archetypen und die vier Dimensionen in ihrem Umsetzungsaufwand deutlich unterscheiden, leistet eine Matrix Entscheidungshilfe. Ein Schattenpreis könnte beispielsweise vergleichsweise einfach sein, wenn die Tiefe flach gehalten wird, während ein konzernweiter Emissionshandel erheblich komplexer ist. Zusätzlich zu diesen grundlegenden Entscheidungen müssen die Ansichten und Anliegen zahlreicher Stakeholder sorgfältig eingepflegt werden, was eine komplexe Koordination erfordert.

Steuerliche Fragen

Die Auswahl eines geeigneten ICP-Typs und das Design der vier Dimensionen erfordern nicht nur eine sorgfältige Abwägung der ökologischen Ziele, sondern auch eine genaue Berücksichtigung der Auswirkungen auf Besteuerung, Rechnungslegung und Berichterstattung.

Wenn ein Unternehmen Klimaschutzzertifikate oder -Credits erwirbt, um seine Kohlenstoffemissionen zu kompensieren, kann dies Auswirkungen auf die Verrechnungspreise der verkauften Produkte oder der erbrachten Dienstleistungen haben. Die interne Festlegung eines CO2-Preises kann in diesem Zusammenhang eine Art Referenzpreis darstellen, der bei der Preisbildung von den Unternehmen berücksichtigt wird. Wenn also beispielsweise ein Unternehmen Kohlenstoffzertifikate zu einem Preis von 10 Euro pro Tonne CO2 erwirbt, sollte es diesen Preis im Rahmen seiner Verrechnungspreisermittlung berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Geschäfte fremdüblich, d. h. zum Marktpreis, abgewickelt werden. Dadurch würde sich der Preis für das Endprodukt insgesamt erhöhen, was wiederum Auswirkungen auf den Verkauf und letztlich auf den Gewinn hätte.

Insgesamt sind die Herausforderungen vielschichtig und erfordern eine schrittweise Überprüfung. Unternehmen müssen möglicherweise ihre Modelle über einen Zeitraum von ein oder zwei Jahren hinweg überprüfen und anpassen, um sicherzustellen, dass die gewählten Dimensionen und der Kohlenstoffreduktionsansatz effektiv sind und den sich laufend ändernden Anforderungen gerecht werden.

Verrechnungspreise zu Emissionsgutschriften

Die Vereinten Nationen haben im Frühjahr 2023 ein Papier mit dem Titel Transfer Pricing of Carbon Offsets and Carbon Credits veröffentlicht. Es geht um die Frage, wie sich Einkommen und Kosten aus dem CO2-Zertifikatehandel in einem Unternehmen gerecht verteilen lassen, basierend auf den jeweiligen Funktionen, Risiken und der erzielten Wertschöpfung und nach Ländern aufgeteilt. Zu den empfohlenen Maßnahmen zählt vor allem eine tiefgreifende Wertschöpfungsanalyse, die auch eine genaue DEMPE-Zuordnung (Development, Enhancement, Maintenance, Protection, Exploitation) einschließt. Die sachgerechte Zuordnung der entstandenen Kosten zu den Verrechnungspreisen bedingt eine differenzierte Betrachtung verschiedener Aspekte. Dazu zählen die Kosten für Materialien und Dienstleistungen, die im Zuge der Zertifikatserstellung aufgewendet werden, ebenso wie die Ausgaben für Arbeitnehmerleistungen und die Gebühren für die rechtliche Eintragung der Ansprüche.

DEMPE-Analyse

Auch die Abschreibung von Patenten und Lizenzen, die für die Generierung der Zertifikate genutzt werden, sowie die damit verknüpften Fremdkapitalkosten, die den Aktivierungskriterien genügen, müssen angemessen im Verrechnungspreissystem verankert werden. Parallel dazu ist die sachgerechte Zuordnung der Erlöse aus CO2-Zertifikaten von erheblicher Bedeutung, um Transparenz und eine ethisch fundierte Buchführung sicherzustellen. Das Papier der Vereinten Nationen befasst sich auch mit der Frage, wie Konzerne, die Zertifikate erwerben, im Vergleich zu jenen, die Emissionen verursachen, ihre Verrechnungspreise festlegen sollten. Der DEMPE-Analyse, die darauf abzielt, die volle Dimension von Funktionen, Risiken und Vermögenswerten zu verstehen, kommt hierbei eine zentrale Position zu. 

Grafik: Grosse Bandbreite beim CO2-Preis

Gegenwärtig liegt der Preis für ein CO2-Zertifikat bei etwa 84 bis 85 Euro pro Tonne. Dieser Preis spiegelt die Kosten wider, die mit der Emission von Kohlendioxid verbunden sind, und dient als Anreiz für Unternehmen, ihre Emissionen zu reduzieren. Die aktuelle Preisgestaltung markiert jedoch lediglich den Anfang, da erwartet wird, dass die Preise in Zukunft weiter steigen werden. Die diskutierte Bandbreite reicht dabei von 45 bis 350 Euro je Tonne CO2. Diese Prognose unterstreicht die zunehmende Bedeutung der internen CO2-Bepreisung als zentraler Steuermechanismus, um den Klimaschutzzielen gerecht zu werden.

Faire Verteilung

In der Praxis zentralisieren einige Unternehmen den Nutzen des ICP. Dabei argumentieren sie, dass die gesamte Marke nachhaltig ausgerichtet sein soll, und setzen dies in Analogie zu Marketingaufwendungen, die dazu dienen, die Marke zu fördern und den Nachhaltigkeitsfokus zu stärken. Tendenziell zeichnet sich jedoch ab, dass Unternehmen die Verrechnung von CO2-Kosten verursachungsgerecht vornehmen, um eine faire Verteilung der ökologischen Verantwortung innerhalb des Konzerns sicherzustellen.

Bei der Ermittlung des korrekten, vom Fiskus akzeptierten Verrechnungspreises im Rahmen der internen CO2-Bepreisung stellt sich vorab die entscheidende Frage: Wie setzt das Unternehmen die konzerninterne ICP-Gebühr an? Hier gibt es zwei grundlegende Ausprägungen einer CO2-Preisgestaltung:

a) Strafe

Unternehmen oder Betriebsstätten müssen eine festgelegte Strafe zahlen, wenn sie bestimmte Emissionsniveaus überschreiten. Dabei ist die steuerliche Abzugsfähigkeit jedoch fragwürdig, da der Nutzen dieser Strafzahlungen als Voraussetzung für die steuerliche Abzugsfähigkeit nach herkömmlicher Sicht schwer darstellbar sein dürfte. Doch mittel- bis langfristig darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Unternehmen nicht nur nach steuerlicher Gewinnerzielung streben, sondern auch nachhaltige Ziele verfolgen.

b) Anreize

Unternehmen oder Betriebsstätten, die die Emissionsziele einhalten oder übertreffen, erhalten eine finanzielle Belohnung. Hier besteht die Gefahr, dass diese steuerlich als Einlage betrachtet werden könnte, da sie für den Zahlenden erst einmal ein Kapitalabfluss und bei der Tochtergesellschaft ein Kapitalzufluss ist. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit diese Einlage mit einem betrieblichen Nutzen des Zuschussgebers verbunden werden kann, dies also einen ergebniswirksamen Zuschuss, sprich Ertrag beim Empfänger und Aufwand beim Geber, darstellt. Ein Lizenzgeber könnte auch sagen: „Wenn ihr gewisse Emissionsziele erreicht, zahle ich euch einen Zuschuss.“ Hier gäbe es einen unmittelbaren Zusammenhang und einen Lizenzgeber, der langfristigen Nutzen aus den Lizenzeinnahmen zieht. Steuerlich betrachtet könnten ggf. Anschaffungskosten für ein immaterielles Wirtschaftsgut entstehen, das über die Zeit abgeschrieben werden könnte. Schließlich könnte eine Organisation auch zinsvergünstigte Darlehen für nachhaltige Investitionen gewähren. Diese Gestaltung ist fremdüblich, aber es bleibt die Frage, wie effektiv der Hebel im Vergleich zu direkten Anreizen in den Zielvereinbarungen der Geschäftsführung oder Abteilungen ist. 

Fazit

Die verschiedenen Herangehensweisen beim ICP – sei es durch Schattenpreise, Emissionssteuer oder Emissionshandel – haben jeweils Vor- und Nachteile. Schattenpreise bieten eine effektive Risikominderung bei relativ geringem Umsetzungsaufwand, sind jedoch eher für die mittel- bis langfristige Emissionsminderung geeignet. Die Emissionssteuer agiert als direkter Anreiz zur Reduzierung von Emissionen, jedoch sind die Herausforderungen in der Festlegung angemessener Verrechnungspreise und bei der Bewältigung von Transaktionskosten zu beachten. Der Emissionshandel verspricht, potenziell die kosteneffizienteste Methode zur Emissionsminderung zu sein, bringt jedoch hohe Transaktionskosten mit sich. Die Wahl der geeigneten Methode erfordert schließlich eine ausgewogene Bewertung der spezifischen Ziele des Unternehmens, der Erwartungen der Kunden und der Anforderungen der Finanzmärkte.

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