… mit Revision
Zwar stellten diese Geschäftsbeziehungen einen irgendwie gearteten wirtschaftlichen Vorteil dar, durch die Einstellung der Produktion ging dieser jedoch unter. Auch verneinte das FG im konkreten Fall einen kausalen Zusammenhang zwischen der Überlassung von Wirtschaftsgütern und/oder Vorteilen mit der Möglichkeit der Ausübung der Funktion. Denn das übernehmende Unternehmen sei bereits vorher in der Lage gewesen, die Funktion auszuüben. Gerade diese Ausführungen sowie die Hinweise zum Fehlen einer „konkretisierten Geschäftschance“ bzw. einer „vermögenswerten Position“ könnten hilfreich sein, einer überbordenden Auslegung der Funktionsverlagerungsregelungen entgegenzutreten. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen und ist anhängig unter I R 43/23.
Negativer Einigungsbereich
Darüber hinaus äußern sich die VWG VP 2023 zu Situationen, in denen der Einigungsbereich negativ ist, der Mindestpreis also aus Sicht des Veräußerers den Höchstpreis übersteigt, den ein Erwerber zu zahlen bereit wäre. Nach Ansicht des BMF können die Gründe für einen negativen Einigungsbereich in unzutreffenden Annahmen im Bewertungsmodell liegen. Zu prüfen ist in diesen Fällen, ob die Ursache für den negativen Einigungsbereich in einer weiteren Geschäftsbeziehung begründet liegt. Ist dies nicht der Fall, ist die Differenz zwischen den am Geschäftsvorfall beteiligten Unternehmen aufzuteilen. Die rechtliche Grundlage für einen solchen Aufteilungsansatz ist höchst zweifelhaft. Eine solche Transaktion, in der der Käufer weniger zu zahlen bereit ist, als der Verkäufer verlangt, fände unter objektiven Gesichtspunkten, d. h. unter fremden Dritten, nämlich nicht statt. Unter subjektiven Gesichtspunkten käme diese Transaktion wohl nur zustande, sofern sie durch eine andere Gruppengesellschaft im Interesse des Gesamtkonzerns angeordnet würde. In dem Fall könnte in der Tat eine weitere Geschäftsbeziehung, die in der Anordnung der Durchführung dieser Transaktion besteht, angenommen werden. Eine Aufteilung der Differenz zwischen Mindest- und Höchstpreis – und damit eine Zahlung des Leistungsempfängers über den Höchstpreis hinaus – scheint mit dem Fremdvergleich, ausgeübt durch zwei ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter, allerdings nicht vereinbar. Es besteht die begründete Gefahr, dass eine solche Aufteilung zur Doppelbesteuerung führt, weil sie von der Steuerbehörde des anderen Landes, das an der Funktionsverlagerung beteiligt ist, wahrscheinlich nicht akzeptiert wird.
Lizenzvergleiche
Zum hypothetischen Fremdvergleich führt das BMF aus, dass auch hier Elemente eines tatsächlichen Fremdverhaltens zu berücksichtigen sein können. Etwa wenn ein internes Berechnungs- bzw. Kalkulationsschema in vergleichbaren Situationen von Steuerpflichtigen sowohl gegenüber nahestehenden Unternehmen als auch gegenüber fremden Dritten für Funktionsverlagerungen – bzw. für die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern, immateriellen Werten oder sonstigen Vorteilen – verwendet wird. Beispielhaft nennt das BMF ein an den erwarteten Ertrag des Lizenznehmers anknüpfendes Lizenzsystem, das betriebswirtschaftlichen Grundsätzen genügt. Allerdings soll es laut BMF für den hypothetischen Fremdvergleich keinesfalls ausreichen, Lizenzraten aus Datenbanken abzuleiten. In der Praxis finden solche Datenbankstudien allerdings im Rahmen von Transferpaketbewertungen im Einklang mit der internationalen Praxis durchaus Anwendung, z. B. für die Ableitung von Werten einzelner Bestandteile des Transferpakets. Insofern bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung den Hinweis mit Augenmaß auslegt und ihn nicht als pauschales Verbot der Durchführung externer Lizenzvergleiche mithilfe von Datenbanken versteht.
Kündigungswahrscheinlichkeiten
Zudem äußert sich die Verwaltung zur Berücksichtigung von Kündigungswahrscheinlichkeiten bei Funktionsabschmelzungen. Bei Abschmelzungen im Inland verbliebener Routinefunktionen sollen die vereinbarten Kündigungsklauseln entsprechend den OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022 zu überprüfen sein. Sind diese Klauseln fremdüblich vereinbart worden, sollen bei der (wertmindernden) Bewertung der Routinefunktion im Wege einer Szenariobetrachtung Erfahrungswerte zu berücksichtigen sein. Diese betreffen finanzielle Überschüsse bei Fortführung der Funktion wie auch finanzielle Überschüsse bei Kündigung des Routinevertrags (z. B. Schließungskosten) nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit.
Finanzierungsbeziehungen
In Bezug auf die Finanzierungsbeziehungen übernimmt das BMF in den neuen Verwaltungsgrundsätzen die BFH-Rechtsprechung zur Bestimmung fremdüblicher Darlehenszinsen auf Konzerndarlehen (Urteile vom 18. Mai 2021, I R 4/17 und vom 13. Januar 2022, I R 15/21). Im ersten Urteil hat das oberste Steuergericht bestimmt, dass sich der Zins nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Darlehensnehmers und nicht etwa des Darlehensgebers richtet und dabei vorrangig vor der Kostenaufschlagsmethode die Preisvergleichsmethode anzuwenden ist. Der Vorrang der Preisvergleichsmethode gelte auch, wenn diese erst nach einer Anpassungsrechnung anwendbar sei. Ebenfalls sei keine Beschränkung auf einen risikofreien Zins vorzunehmen.
Nichtbesicherung
Mit dem zweiten Urteil bestätigt der BFH zwar seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine Teilwertabschreibung nach § 1 Abs. 1 AStG zu korrigieren ist, wenn eine fremdunübliche Nichtbesicherung ursächlich für den Ausfall der Forderung ist, darüber hinaus haben die Richter aber klargestellt, dass bei Ermittlung eines entsprechenden Marktes für unbesichert vereinbarte Darlehen dies unter Berücksichtigung einer Risikokompensation fremdüblich sein kann. Die VWG VP 2023 führen nun explizit aus, dass eine fehlende Besicherung fremdüblich sein kann. Dabei sind laut BMF grundsätzlich die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beachten, insbesondere auch, welche Handlungsalternativen den nahestehenden Personen zur Verfügung stehen und ob diese zu vorteilhafteren Konditionen für den Schuldner geführt hätten.
Wissensvorsprung
Zum Einpreisen eines Wissensvorsprungs, der durch gesellschaftsrechtlich begründete Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten vorhanden ist, äußert sich das BMF ebenfalls. Dieser Wissensvorsprung würde zwischen fremden Dritten eingepreist, wenn er auf eine vertraglich eingeräumte Position zurückginge. Das Ausmaß und die Auswirkungen eines auf die Unternehmensverflechtung zurückgehenden Wissensvorsprungs sind laut VWG VP im jeweiligen Einzelfall sachgerecht zu berücksichtigen. Offen bleibt an dieser Stelle jedoch, wie ein solcher Wissensvorsprung die konzerninternen Zinssätze beeinflussen soll. Möglicherweise soll die Beweiskraft der marktüblichen Zinssätze reduziert werden, wenn ein fremder Darlehensgeber im Vergleich zu einem konzerninternen einen Wissensnachteil aufweist. Eine solche Sichtweise lässt jedoch außer Acht, dass ein fremder Darlehensgeber über Mittel und Wege verfügt, etwaige Informationsnachteile durch Berichtspflichten, Überwachungsmaßnahmen, Nebenvereinbarungen usw. zu reduzieren.
Cash-Pools
Das BMF hält zudem weiter an seiner Auffassung fest, dass die Aufteilung der Synergieeffekte auf die Cash-Pool-Teilnehmer nicht verursachungsgerecht möglich, sondern unter Berücksichtigung der Akzeptanz der Struktur im Ausland vorzunehmen ist. An dieser Stelle wurde ein ausdrücklicher Verweis auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022 aufgenommen. Somit besteht grundsätzlich ein Gleichklang in Bezug auf Cash-Pools, insbesondere bei der Sichtweise, dass ein Cash-Pool-Leiter im Allgemeinen nur einen routinemäßigen Kostenaufschlagsgewinn erzielen sollte. Allerdings lässt das BMF im Gegensatz zur OECD keinen Spielraum für einen Cash-Pool-Führer, der Soll- und Habenzinsaufschläge verdient. Hervorzuheben ist auch: Handelt es sich bei den jeweiligen Geldeinlagen und -aufnahmen der Cash-Pool-Teilnehmer nicht um kurzfristige Geldeinlagen und -aufnahmen, handelt es sich laut BMF wirtschaftlich betrachtet nicht um einen Bestandteil des Cash-Pools, sondern um einzelne längerfristige Darlehensbeziehungen, die entsprechend zu behandeln sind.
Preisanpassungsklausel
Mit dem AbzStEntModG wurde die Preisanpassungsklausel in Anlehnung an BEPS Action 8–10 angepasst und in § 1a AStG gesetzlich verankert. Gemäß § 1a AStG wird in Fällen der Übertragung eines wesentlichen immateriellen Werts der angemessene Anpassungsbetrag im achten Jahr nach Geschäftsabschluss besteuert, wenn innerhalb von sieben Jahren nach Geschäftsabschluss die tatsächliche Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnerwartung abweicht und keine Preisanpassungsklausel vereinbart wurde, die unabhängige Dritte vereinbart hätten. Eine erhebliche Abweichung liegt vor, wenn der der tatsächlichen Gewinnentwicklung zugrunde liegende Fremdvergleichspreis um mehr als 20 Prozent von diesem Verrechnungspreis abweicht.
Co-Autor:innen: Dr. Juliane Sassmann, Dr. Christian Scholz, Sophia Schuhmann