Maschinen in Lager

Web 3.0: Wie die neue Generation des Internets aussieht

Das Internet ist in ständigem Wandel. Fast täglich werden neue Plattformen erschaffen, es werden neue Wege zum Kommunizieren gefunden und man kann auf alle erdenklichen Inhalte zugreifen. Jedoch stehen wir gerade jetzt vor einem neuen Meilenstein in der Geschichte des Internets: dem Wandel zum Web 3.0. Oder sind wir schon mittendrin?

Überblick

  • Das Web 2.0, das bis heute Standard ist, zeichnet sich durch die Möglichkeit der Interaktion zwischen den Nutzern und der aktiven Inhaltserstellung aus. 
  • Die nächste Stufe, das Web 3.0, ergänzt das Internet um die Besitzkomponente und die Dezentralisierung von Programmen und Anwendungen.
  • Das Web 3.0 bietet aber nicht nur neue Geschäftsmöglichkeiten, es stellt auch neue Anforderungen an das Steuer- und Gesellschaftsrecht, mit denen sich Unternehmen auseinandersetzen müssen. 

Der CEO der Tüftelfleißig AG fragt sich, ob er für die neue Welt nicht zu alt ist. Zu schnell scheinen sich die Dinge zu ändern. Da hält ein Tech-Gigant das Universum für zu klein und will seine Geschäfte ins Metaversum ausweiten. Da wird ein anderes, kleineres Digitalschwergewicht mit einem extremen Aufschlag taxiert, weil sich angeblich Perspektiven im Web 3.0 abzeichnen. Selbst der Bundesfinanzhof, eine durch und durch seriöse, steuerrechtlich geerdete Institution, hat sich unlängst mit der Umsatzsteuerpflicht von virtuellen Landvermietungen in der virtuellen Welt befasst.

Verpasst sein Unternehmen, ein international erfolgreicher Maschinenbauer, hier eine Zeitenwende? Der CEO erinnert sich noch lebhaft, dass die Tüftelfleißig AG selbst vor knapp drei Jahren technologisches Neuland in der virtuellen Welt betreten hatte. Damals, rechtzeitig vor Beginn der Pandemie, erschuf die Forschungsabteilung digitale Zwillinge. Dabei handelt es sich um virtuelle Werke in einer ebenso virtuellen Umgebung, wo sich Produkte weiterentwickeln oder Produktionsabläufe testen und optimieren lassen. Digitale Zwillinge werden fortlaufend mit extrem vielen Daten aus der realen Welt gespeichert. Dieses Datenkonvolut lässt sich zu einem virtuellen Nachbau des realen Ablaufs oder Produkts verdichten. Auf diese Weise entsteht ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, zeitsparender und vorausschauender, als es in der analogen Welt möglich ist.

Die drei Stufen des Internets 

Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich im World Wide Web ab. Experten sprechen vom Web 3.0, der nächsten Stufe. Das Web 1.0 steht für das Internet, das bis in die frühen 2000er-Jahre bestand und sich hauptsächlich aus statischen Internetseiten zusammensetzte. Die Nutzer konnten in diesem allgemein schlecht organisierten und schwer zugänglichen System lediglich lesen; sie waren passiv unterwegs. Darauf folgte das Web 2.0, das bis heute Standard ist. Es zeichnet sich durch die Möglichkeit der Interaktion zwischen den Nutzern und der aktiven Inhaltserstellung aus. Jeder kann heutzutage twittern, bloggen oder posten – jedoch nur auf Plattformen, die meist von großen Unternehmen bereitgestellt und kontrolliert werden. Oftmals wird das Web 2.0 damit beschrieben, dass es das Lesen, wie es bei seinem Vorgänger üblich war, um eine Schreibkomponente erweitert. Das Web 3.0 ergänzt nun das Internet um die Besitzkomponente und die Dezentralisierung von Programmen und Anwendungen.

Wert für Unternehmen 

Kryptografie und Dezentralisierung ändern die Spielregeln. Zentrale Anbieter (sogenannte Gatekeeper) werden die dritte Generation des Internets weniger dominieren als bisher. Unternehmen erreichen durch stärkere Präsenz viel mehr potenzielle Kunden und andere Stakeholder. Eine zentrale Rolle spielen virtuelle Welten, die unter dem Begriff „Metaverse“ ein Parallelumfeld erschaffen und damit Freizeit, Arbeitsleben und Handel signifikant verändern dürften. Die bisherigen Verkaufswelten – vor Ort, in den Social Media oder über den Webshop – verschmelzen miteinander zu virtuellen Erlebnis- und Wirtschaftsräumen. 

Digitaler Dialog

Innerhalb dieser neuen Online-Ökosysteme profitieren Unternehmen nicht nur von der gezielten Ansprache der Nutzer, es eröffnen sich auch neue Wege der Kundenbindung – beispielsweise durch die Ausgabe digitaler Wertgutscheine in Form von Non Fungible Tokens (NFTs). Ein weiterer Vorteil des Web 3.0 ergibt sich durch die Nutzung von Blockchains und deren Fälschungssicherheit. Damit eröffnen sich unter anderem Optionen bei der Überwachung von Lieferketten oder gegenüber Geschäftspartnern wie auch dem Fiskus. Und natürlich spielen Kryptowährungen eine Rolle, auch wenn hier das Risiko von Kursschwankungen sehr hoch ist.

Auf zum Brainstorming!

Das Web 3.0 bietet aber nicht nur neue Geschäftsmöglichkeiten, es stellt auch neue Anforderungen an das Steuer- und Gesellschaftsrecht, mit denen sich Unternehmen auseinandersetzen müssen. Der CEO von der Tüftelfleißig AG bittet daher seine Führungskräfte zu einem Treffen, um Chancen und Herausforderungen in den einzelnen Sparten des Maschinenbauers zu ergründen. Eine Auswahl findet sich auf den folgenden Seiten. 

Software as a Service (SaaS) 

Der Produktionsleiter ist hellwach. Denn er ist genervt vom ständigen Papierkrieg, wie lange seine Maschinen bei Kunden gelaufen sind. Dafür muss er täglich komplizierte Aufzeichnungen in einem Tabellenprogramm erstellen, eine Sisyphos-Arbeit! Dazu kommt, dass er in einem Heft aufschreiben muss, wann er die Maschinen gewartet hat. Das soll wohl wichtig sein, falls die Maschinen mal zurückgenommen werden sollen, aber auch um zu erkennen, wann sensible Bauteile perspektivisch doch besser zu wechseln wären, damit die Produktion weiterlaufen kann. Die leidigen Aufgaben, sagt der Produktionsleiter in die Runde, könnten ja von Sensoren, die automatisiert ihre Messwerte auf die Blockchain schreiben, übernommen werden, sog. Industrial Internet of Things (IIoT). Dort könne die Controlling-Abteilung unkompliziert die exakten Laufzeiten der einzelnen Maschinenteile ablesen, die sie für die interne Kostenrechnung der Tüftelfleißig AG benötigt. Auch die Wartungsintervalle kann man über einen solchen Mechanismus aus der Blockchain ablesen. Diese Daten lassen sich durch einen Online-Service anwenderfreundlich zu einem digitalen Checkheft aufbereiten. Dieses digitale Checkheft ist zum einen für die Herstellergarantie wichtig, dient aber auch bei Verkauf auf dem Sekundärmarkt als Argument. Weil die Blockchain gegen Manipulationsversuche resistent ist, kann der Käufer sichergehen, dass die Wartungen und Reparaturen auch tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt wurden.

Aus steuerlicher Sicht stellt sich für die Tüftelfleißig AG nun die Frage, ob solche SaaS-Softwareentgelte im Rahmen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen zu berücksichtigen sind und ob ein Quellensteuerabzug ggf. aus einer evtl. grenzüberschreitenden Softwareüberlassung und Datenbanknutzung vorzunehmen ist. Zudem muss sich die Tüftelfleißig AG mit den handels- und steuerbilanziellen Diskussionen auseinandersetzen, wie Customizing-Aufwendungen für eine fremde Software einzustufen sind.

Digitaler Zwilling 

Schweissender Roboterarm in einer Fabrik zur Automobilherstellung

Der Chef der Forschungsabteilung verweist auf die digitalen Zwillinge, die Tüftelfleißig seit knapp drei Jahren kreiert. Mit deren Hilfe lassen sich Produkte und Produktionsabläufe schon vor ihrer Realisierung virtuell schaffen, testen und verbessern – was Zeit, Material und Geld spart und überdies die Nerven der Mitarbeiter und Kunden schont. Das ist gerade in der Forschung von Vorteil, wenn ein Prototyp digital erschaffen und seine Eigenschaften und Parameter so lange verändert werden, bis er den Vorstellungen entspricht. Auch hat er die steuerliche Forschungszulage dabei im Auge. Da es sich bei einem Prototyp um ein werthaltiges Objekt handelt, müssen auch hier die Eigentumsverhältnisse des digitalen Zwillings eindeutig festgestellt werden. Hierzu bietet sich die Blockchain an. Steuerlich fragt er sich, ob eine Werklieferung oder eine Werkleistung vorliegt, was sich auf die Frage einer Anschaffung vs. Herstellung und damit auf die Aktivierung auswirken kann und ob er das Entgelt sofort versteuern muss oder über die Nutzungsdauer abgrenzen darf, wenn er einen digitalen Zwilling für Kunden erstellt und dafür (explizit oder implizit) eine Vergütung erhält oder in seine Absatzpreise einrechnet. Auf der Blockchain kann der digitale Zwilling jedenfalls zweifelsfrei und fälschungssicher der Tüftelfleißig AG zugeordnet werden. Aber auch die Kunden profitieren, indem die Tüftelfleißig AG die ausgelieferten Maschinen über deren digitale Zwillinge in einer Art Vorschau auf deren Konstitution und Fieberkurve beobachten und frühzeitig Fehler beheben können. So etwas kennt man bisher vor allem von den Geschäftsmodellen der großen Digitalkonzerne, die sich aber auch auf andere Branchen bis zum verarbeitenden Gewerbe übertragen lassen.

Digitale Zwillinge sind ein wertvolles Asset, in das ein Unternehmen viel investiert. Es werden aus vielen Geschäftsbereichen Wertbeiträge geleistet. Folglich stellen sich für den Head of Tax viele Fragen, von der Darstellung in der Bilanz als Wirtschaftsgut bis hin zur Monetarisierung bei den Verrechnungspreisen (siehe auch Tax & Law Magazine 03/2020).

Recruiting im Metaverse 

Mann mit einer VR-Brille, der vor einem Fenster steht und eine Hand gehoben hat

Die Personalchefin der Tüftelfleißig AG hat sich zum Metaverse bereits Gedanken gemacht. Vielleicht könnte sie ja Bewerbungsgespräche in der virtuellen Welt Decentraland führen und digitalaffine Talente, nach denen sie händeringend sucht, vom Maschinenbauer überzeugen. Statt sich persönlich oder über Teams oder Zoom zu treffen, wäre auch ein Meeting im Metaverse denkbar. Hier können die Avatare in einem individuell angepassten Meetingraum zusammenkommen. Außerdem wäre es über Bewerbungsgespräche oder Assessment-Center hinaus denkbar, die täglichen virtuellen Meetings der Tüftelfleißig AG im Metaverse abzuhalten. Im Allgemeinen ist das Metaverse ein Parallelumfeld, das nicht nur die Freizeit, sondern auch das Arbeitsleben und den Handel signifikant verändern wird. So könnte der Werksverkauf der Tüftelfleißig AG nicht nur physisch, sondern parallel auch im Metaverse stattfinden. Die bisherigen Welten – der Kauf vor Ort und der über den Webshop – verschmelzen somit miteinander. Steuerlich ergeben sich dabei interessante Fragen, welcher Unternehmenseinheit diese Umsäze zuzurechnen sind und auch beispielsweise daraus, ob virtuelle Geschäftsführungssitzungen eventuell sogar Einfluss auf den Ort der Geschäftsführung und damit auf die Steuerpflicht haben könnten.

Einkauf in Südamerika

LKW vor Warenhaus mit 3D-Bitcoin-Illustrationen

Auch der Einkaufsleiter ist in Sorge. Bei seiner letzten Südamerikatour gaben einige potenzielle Zulieferer an, sich je nach Währungs- und Kursschwankungen in Euro, Dollar oder Ether bezahlen lassen zu wollen. Bekanntlich hat El Salvador Bitcoins als Zahlungsmittel erlaubt. Jedoch gelten diese und andere Kryptowährungen in Deutschland nicht als offizielles Zahlungsmittel und der Einkaufsleiter hat gehört, dass man auf der Rechnung die Beträge umgerechnet in die jeweilige Landeswährung ausweisen müsse. Bezahlt ein Kunde seine Forderung in einer Kryptowährung oder möchte ein Lieferant mit ebendieser anstelle einer traditionellen anerkannten Währung bezahlt werden, muss einiges beachtet werden. Es handelt sich bilanziell in Deutschland eher um einen materiellen Vermögensgegenstand und nicht um ein Zahlungsmittel, auch wenn das umsatzsteuerlich vielleicht anders zu beurteilen ist. Hier ist dann zu unterscheiden, ob diese Kryptowährung im Anlage- oder Umlaufvermögen bilanziert wird, denn dies macht einen Unterschied, wie rasch auf Wertänderungen zu reagieren ist (gemildertes vs. strenges Niederstwertprinzip). Diese Zuordnung wird, wie auch bei anderen Vermögensgegenständen, nach den allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen beurteilt. Der Zugang wird mit dem Kurs auf einer Handelsplattform bewertet. Steigt jedoch die Kryptowährung im Kurs, kann aufgrund der Vorschriften des HGB und des Vorsichtsprinzips nicht einfach ein höherer Wert als der Zugangswert in der Bilanz aktiviert werden. In der Steuerbilanz sind ebenfalls die Anschaffungskosten maßgeblich. Bei starken und voraussichtlich dauerhaften Kursschwankungen nach unten könnte die Tüftelfleißig AG jedoch eine Teilwertabschreibung vornehmen und die Ausübung dieses Wahlrechts im Rahmen ihrer Steuerbilanzpolitik optimieren.

Mitarbeiter-Incentives

Schon beim Sommerfest hat der CEO vom frischen virtuellen Wind bei jüngeren Mitarbeitern erfahren. Einige arbeiten bei zugekauften Start-ups, die dabei helfen sollen, die Algorithmen der in Übersee über SaaS-Verträge zu wartenden Routinen zu verbessern. Aufgrund der Pandemie war es enorm schwer, den engen Kontakt zum Kunden aufrechtzuerhalten. Wo früher Entsendungen zur Werks- und Maschinenschau üblich waren, musste nun in endlosen Teams- oder Zoom-Calls das Feintuning vorgenommen werden. So erfreut der CEO über die neuen Talente ist, so sehr wundert er sich über die Komikfiguren, die viele als Profilbilder auf offiziellen Tüftelfleißig-Seiten haben. Er spricht die Personalleiterin darauf an. Diese erklärt, dass es sich bei den erwähnten Komikfiguren um sogenannte CryptoPunks handelt. Von denen gebe es nur 10.000 Avatare, die geminted wurden und nun Teil der Bonus-Verträge von einigen neuen Entwicklern seien. Zusätzlich berichtet sie, dass es gerade ein attraktives Einstellungskriterium sei, einen Teil des Lohns in Kryptowährungen auszuzahlen.

Das wiederum sorgt beim CFO für Unruhe. Angesichts der extremen Kursschwankungen und möglicher (lohn-)steuerrechtlicher Fragen aus der Implementierung neuer oder der Neujustierung bisheriger Mitarbeiter-Incentives und Vergütungskomponenten, ist Vorsicht geboten. Ohnehin muss er noch klären, wie die Tüftelfleißig AG die mit den Start-ups zugekauften Kryptowährungen in ihrer (Steuer-)Bilanz abbildet. Immerhin hat hier ein BMF-Schreiben jüngst für etwas mehr Klarheit gesorgt, wonach Kryptowährungen als materielle Wirtschaftsgüter in das Anlage- oder Umlaufvermögen aufzunehmen sind. Den Mitarbeitern Kryptowährung als Teil des Gehalts auszubezahlen, sollte für die Lohnbuchhaltung keine große Besonderheit darstellen. Denn haben sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer darüber geeinigt, dass ein Teil des Gehalts in einer Kryptowährung ausgezahlt wird, liegt nach Auffassung des BMF beim Arbeitnehmer ein Sachbezug vor. Dieser ist vergleichbar mit einem Dienstwagen oder einem Tankgutschein. Für die Kryptowährung gilt dann auch die monatliche Sachbezugsfreigrenze von 50 Euro.

NFT-Marketing

Mann, der auf der Strasse ein Smartphone in der Hand haelt, welches von 3D-NFT-Illustrationen umgeben ist

Der Marketingchef der Tüftelfleißig AG hat am Wochenende ein kurioses Video von seinem Nachbarn gezeigt bekommen. Jemand hat für ein digitales Affenbild eine halbe Millionen Dollar bezahlt! Seine Neugier war geweckt. Warum sollte jemand dafür so viel Geld ausgeben? Und können wir uns das bei der Tüftelfleißig AG auch zunutze machen? Es geht um NFTs, also Non Fungible Tokens. Diese sind auf einer Blockchain abgespeichert und verkörpern Rechte – beispielsweise auch an lustigen Bildern. Es könnten sich neue Wege der Kundenbindung eröffnen, spricht der Marketingchef in die Runde, beispielsweise durch die Ausgabe digitaler Rabattcoupons in Form von NFTs. So könnte die Tüftelfleißig AG einen Werksverkauf veranstalten und im Vorfeld NFTs herausgeben, die den Eigentümern 20 Prozent Rabatt auf den gesamten Einkauf gewähren. Darüber hinaus könnte die Tüftelfleißig AG den Kunden als Dank noch eine Eintrittskarte für ein virtuelles Konzert der lokalen Rockband in Form eines NFTs geben. Für die steuerliche Beurteilung ist es hier aber unabdingbar, den Ort der Besteuerung zu bestimmen. Dies ist grundsätzlich der Ort, an dem das Konzert gespielt wird. Auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Band ihre Beiträge zur Künstlersozialversicherung zu leisten hat, muss im Vorfeld geklärt werden. Es könnte aber vorkommen, dass sich die Besucher des virtuellen Konzerts nicht alle auf demselben Server befinden und auch das virtuelle Konzert selbst auf verteilten Servern stattfindet, was die Rockband hinsichtlich des Ortes der Besteuerung etwas verunsichert. Ertragsteuerlich hat das BMF bereits seine Auffassung zur Besteuerung von Tokens, also auch von NFTs, herausgegeben, nur umsatzsteuerlich lässt das BMF noch auf ein Schreiben warten.

Als kleines Extra-Bonbon hat der Marketingchef auch über eine digitale Sammelkartenaktion nachgedacht, um damit der Sammelwut seiner Kunden zu begegnen. Dazu lässt er von den hausinternen Grafikern eine limitierte Auflage von künstlerisch veredelten Top-Sellern seines Sortiments kreieren. Er hat gehört, dass er durch sog. Smart Contracts sogar daran mitverdienen kann, wenn die Sammelkarten ihren Besitzer wechseln, und hofft nun auf reges Handeln innerhalb seiner Kundschaft. Dabei fragt er sich, ob er gegebenenfalls Doppelbesteuerungsabkommen zu beachten hat, wenn er den internationalen Sammelkartenmarkt erreicht.

Die DAO

Der CEO der Tüftelfleißig AG berichtet von einem weiteren Erlebnis. Bei einem kühlen Bier habe ihm ein Freund erzählt, er habe eine neue Möglichkeit gefunden, Kapital einzusammeln. Dabei handle es sich um eine DAO, eine dezentralisierte autonome Organisation. Hier können Personen in Tokens investieren und erhalten damit die Möglichkeit, Einfluss auf die Arbeitsweise und Ziele der Organisation zu nehmen. Der CEO ist neugierig, denn neues Kapital kann man immer gebrauchen. Hier grätscht der technikaffine Hausjurist zwischen. Bei der DAO handle es sich gesellschaftsrechtlich wahrscheinlich um eine Personengesellschaft, bei der die Halter der Tokens Gesellschafter sind. Danach würden, nach den Vorschriften des BGB, die Gewinne nach Köpfen verteilt und mit der Gewinnentstehung zugerechnet und besteuert. Die DAO könnte aber auch als Teil der Tüftelfleißig AG zu betrachten sein, sodass sich die Halter der Tokens an einer Kapitalgesellschaft beteiligen. Denn bisher hat sich der Gesetzgeber noch nicht zu der steuerlichen Behandlung von DAOs geäußert. Zunächst müsse aber ohnehin erst einmal festgestellt werden, ob es sich bei den Zuflüssen über die Ausgabe der Tokens seitens der DAO um Eigen- oder Fremdkapital handelt und ob möglicherweise sogar gestaltet werden kann. Bei Ausschüttungen müsste ein Quellensteuereinbehalt geprüft werden. Insgesamt wäre eine einheitliche Behandlung von DAOs wünschenswert, die sich primär an bekannten und bewährten Elementen des geltenden Rechts orientiert. So wären z. B. eine Festlegung der Anwendung des Trennungsprinzips und eine Zurechnung zu den Überschusseinkunftsarten als pragmatischer Lösungsansatz denkbar.

Aufträge in der virtuellen Welt

cleaner weisser Serverraum mit 3D-animierter Weltkarte, auf die Pfeile zeigen

Früher war Second Life dafür bekannt, dass man in digitalen Vierteln als Privatperson Geld verdienen konnte: Aber dass auch Messen in der digitalen Welt stattfinden können, war dem Verkaufsleiter neu. Über die neuen Vertriebskanäle reibt er sich die Hände. Derweil denkt der IT-Chef laut. Wenn doch die heutigen virtuellen Welten nicht mehr – wie im Fall von Second Life – einen zentralen Betreiber haben, sondern vielmehr sowohl die Server als auch die Inhalte einer breiten Community gehören, wie z. B. im Decentraland, wie ist dann aber der Ort des Vertragsabschlusses und der Ort der Leistung zu definieren und wie ist ein Maschinenverkauf dann steuerlich zu würdigen?

Das Decentraland ist kein Ort und vermittelt keine Betriebsstätte, denn es baut auf einer grenzüberschreitenden Serverstruktur auf. Dennoch finden Transaktionen von Gütern statt, die jemandem in der echten Welt gehören. Hier ist zunächst zu klären, ob es noch Betriebsstätten in verschiedenen Ländern braucht, wenn die Geschäfte der Zukunft nur noch virtuell abgeschlossen werden. Oder wäre im Falle eines Server-Netzes, über das jedes Mitglied der Community Verfügungsmacht hat, auch eine virtuelle Betriebsstätte dieser Community denkbar? Wie und wo ist der Verkauf einer Maschine im Decentraland zu versteuern? Wo ist der Lieferort und wer ist der Empfänger der Transaktion? Zu all den Fragen hat der deutsche Gesetzgeber noch keine Aussagen getroffen und es bedarf einer weitreichenden Klarstellung aus steuerlicher Sicht. Auch die Umsatzsteuer wirft an dieser Stelle Fragen auf. Das Finanzgericht Köln meint, dass das deutsche Umsatzsteuergesetz auch auf die virtuelle Welt anzuwenden sei; der Bundesfinanzhof sieht jedoch zumindest bei Transaktionen innerhalb virtueller Spielewelten keinen Leistungsaustausch und keine umsatzsteuerbaren Leistungen, solange nicht in ein gesetzliches Zahlungsmittel getauscht wurde.

Mehr als Kryptowährungen und NFTs

Das Web 3.0 bedeutet für die Wirtschaft weit mehr als Kryptowährungen und NFTs. Die dahinter stehende Blockchain-Technologie kann auch das rechtliche Gerüst eines Unternehmens ersetzen. Theoretisch denkbar sind die bereits erwähnten dezentralen autonomen Organisationen. Eine DAO ist unabhängig von einer zentralen Führung. Die Regeln für einen solchen Zusammenschluss können vollkommen in einer Blockchain niedergelegt werden. Nach ersten Gehversuchen ist eine breite Nutzung der Technologie nur eine Frage der Zeit.

Dezentrales Finanzwesen

Das Web 3.0 wird gerade auch das Finanzwesen verändern. Das traditionelle Finanzsystem mit Banken und anderen Finanzinstituten als Intermediären könnte sich mehr und mehr in ein dezentrales Finanzsystem wandeln – in ein DeFi, das für „Decentralized Finance“ steht. Das DeFi baut die traditionelle Finanzwelt nach und entwickelt dabei auch völlig neue Produkte. Zum Beispiel befüllen Teilnehmer eine dezentrale Tauschbörse mit Kryptowährungen, die für alle zugänglich gehandelt werden können. Diese werden dann durch ein sicheres Protokoll auf der Blockchain von einem Akteur auf den anderen übertragen. Diese Vorgehensweise wird „Liquidity Mining“ genannt. Jedoch gibt es aus Politik und Finanzwelt Kritik daran. Es wird spannend, wie sich die Institutionen im weiteren Zeitablauf aufstellen.

Herausforderungen für den Gesetzgeber

Die neuen Unternehmensformen stellen das klassische Gesellschaftsrecht vor Herausforderungen. Insbesondere ein Gesellschaftsvertrag ist entweder nicht vorhanden oder nimmt ganz neue Formen an. So basieren DAOs häufig auf Smart Contracts, die softwarebasiert Vertragsregelungen abbilden, ausführen und kontrollieren. Diese ähneln zwar einem Gesellschaftsvertrag, die Unternehmung läuft aber ohne spezifische Personal- bzw. Geschäftsführung, sondern nach dem Code in der Blockchain. Die neuartige Smart-Contracts-Technologie erschwert die Anwendung bestehender Gesetzgebung und Rechtsprechung. Insbesondere das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrags in Form von Smart Contracts ist fraglich. Liegen wirklich zwei übereinstimmende Willenserklärungen vor, wie es das deutsche Zivilrecht fordert? Da für Verträge der Grundsatz der freien Sprachwahl gilt, erfüllt der Programmcode als Sprache der Smart Contracts zumindest die äußere Form einer Willenserklärung. Der innere, subjektive Tatbestand dagegen kann nur erfüllt sein, wenn die Willenserklärung auch unmittelbar von einem Menschen abgegeben wird. Ob das bei einer (teil-)automatisierten Erzeugung von Smart Contracts der Fall ist, lässt sich nur im Einzelfall sagen. Aufgrund von möglichen Regelungslücken und gesetzlichen Grauzonen werden Smart Contracts bisher oft nur als Hilfsmittel zur Ausführung schuldrechtlicher Vereinbarungen eingesetzt, also als Instrument der Vertragsdurchführung.

Vorreiter Wyoming

Liegt nun ein Gesellschaftsvertrag in Form eines Smart Contract vor und soll die DAO eine Gesellschaft sein, so ist zu prüfen, wo sie sich im deutschen Gesellschaftsrecht einordnen lässt. Nach jetzigem Stand ist eine Kapitalgesellschaft per se auszuschließen. Es kommt nur eine Personengesellschaft infrage. Mangels Erfüllung anderer gesetzlicher Vorschriften (z. B. Handelsregistereintragung und Haftungsbeschränkung) kann eine DAO nur eine GbR sein, die den Vorschriften des BGB unterliegt. Allenfalls eine OHG wäre noch möglich, sofern die DAO einen (durch Smart Contracts ausgeführten) Gewerbebetrieb im Sinne des HGB betreibt. Anders verhält es sich in den USA, wo im kryptofreundlichen Bundesstaat Wyoming nun DAOs als legale Kapitalgesellschaften registriert sein können.

Co-Autorin: Dr. Silke Penner

Fazit

Auch das deutsche Steuerrecht steht vor Herausforderungen. Mitunter liegt der Teufel auch hier im Detail, da es unzählige Ausprägungen von DAOs gibt mit unterschiedlicher Rechteverteilung und unterschiedlichem Dezentralisierungsgrad. Somit ist fraglich, ob und ab wann zum Beispiel von einer steuerlichen Mitunternehmerschaft zu sprechen ist. Zudem ergeben sich Fragestellungen zum Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, da jede Umschichtung des Vermögens der DAO auch als Gewinnrealisierung betrachtet werden könnte. Unklar ist auch, wie die stimmrechtbehafteten Governance-Tokens steuerlich zu behandeln sind. Aus der Vielzahl der Gesellschafter ergibt sich darüber hinaus unter Umständen auch die Problematik des Vollzugs der Besteuerung. Der Gesetzgeber sollte sich daher frühzeitig mit der Thematik beschäftigen und etwa an eine Sonderlösung für die Besteuerung von DAOs denken. Sinnvoll wäre eine einheitliche Behandlung, die sich primär an bekannten und bewährten Elementen des geltenden Rechts orientiert. So wären beispielsweise eine Festlegung der Anwendung des Trennungsprinzips oder eine Zurechnung zu den Überschusseinkunftsarten möglich.

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