Der Koalitionsvertrag sieht die „schnellstmögliche“ Einführung eines bundesweiten elektronischen Systems zur „Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen“ (z. B. verpflichtendes E-Invoicing) vor. Das Ziel der neuen Regierung: „Die Betrugsanfälligkeit unseres Mehrwertsteuersystems erheblich senken“. Gleichzeitig soll die Schnittstelle zwischen Verwaltung und Betrieben modernisiert und entbürokratisiert werden.
Neben dem italienischen Sistema di Interscambio (SdI) betreibt auch Finnland ein E-Rechnungssystem, allerdings ohne Einbezug der Finanzverwaltung. Weitere E-Rechnungssysteme in anderen EU-Ländern werden folgen. Kurzfristig werden Polen und Serbien jeweils zu Beginn des Jahres 2023 ein verpflichtendes E-Invoicing einführen, gefolgt von Frankreich ab 1. Juli 2024. Dabei sind jedoch deutliche Unterschiede in der Ausgestaltung der E-Invoicing-Systeme festzustellen.
Zentrale Clearingstelle
Eine direkte Kontrolle versprechen Systeme, die eine Freigabe (Clearing) der Rechnung durch die Finanzverwaltung vorsehen. Solch ein System ist u. a. in Italien seit Anfang 2019 flächendeckend verpflichtend implementiert. Dort werden die Rechnungsdaten für jede Einzeltransaktion im B2B- und B2C-Bereich an die Steuerbehörden übermittelt. Erst nach Freigabe des Rechnungsinhaltes kann der Vorgang rechtswirksam auf beiden Seiten, Verkäufer und Käufer, gebucht werden. In Deutschland könnte trotz des föderalen Aufbaus der Finanzverwaltung das Bundeszentralamt für Steuern als zentrale Instanz für ein E-Rechnungssystem in Frage kommen.
Vorteile auch für Unternehmen
Mit einer Kontrollinstanz innerhalb der Finanzverwaltung kann die umsatzsteuerliche Qualität und Steuerehrlichkeit erhöht werden. Auch kann ein wichtiger Beitrag geleistet werden, sodass Ungenauigkeiten bei der Umsatzsteuerermittlung auf Rechnungsebene nicht länger Folgefehler in Umsatzsteuervoranmeldungen oder -erklärungen verursachen, was auch im besonderen Interesse der Unternehmen ist. Technisch ist es überdies möglich, durch eine transaktionale Rechnungsfreigabe vorausgefüllte Erklärungen und Voranmeldungen zu generieren oder perspektivisch sogar Umsatzsteuervoranmeldungen zu ersetzen. Betriebsprüfungen könnten zeitnäher sowie gezielter durchgeführt werden, und zukünftig die Umsatzsteuer auf Detaildatenebene sogar weitgehend ausklammern. Überdies könnte E-Invoicing den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen erheblich vereinfachen, wenn die Rechnungsstellung fortan vollständig elektronisch erfolgt. Neben der erhöhten Transparenz für die Finanzverwaltung und der gesteigerten Effizienz für Unternehmen gewinnt auch die Umwelt durch E-Invoicing. Verschiedene Ausgestaltungen sind für ein E-Rechnungssystem in Deutschland denkbar. Dabei spielen die technische und inhaltliche Standardisierung von E-Rechnungen und die Rolle der Finanzverwaltung eine wesentliche Rolle (z. B. Rechnungsfreigabe, Weiterleitung von E-Rechnungen an Wirtschaftsbeteiligte). Anfängliche Investitionen sowohl für Unternehmen als auch die Finanzverwaltung sind unumgänglich bei der Neueinführung eines verpflichtenden E-Invoicing. Dem kann jedoch durch eine möglichst pragmatische Ausgestaltung eines E-Rechnungssystems begegnet werden, z. B. durch die Möglichkeit, bestehende EDI-Verbindungen zwischen Unternehmen beibehalten zu dürfen, wie es in Frankreich geplant ist.