Komplexe Herausforderung gesetzmäßiger Besteuerung
Ein wirksamens internes Kontrollsystem (IKS), das den Bereich Steuern abdeckt, hilft zweifellos dabei, eine gleichmäßige und damit gerechte Besteuerung sicherzustellen. Damit verbunden ist der Anspruch, vorsätzliche Vergehen weitestmöglich auszuschließen, Fahrlässigkeit zu vermeiden und möglichst auch Einzelfehler zu verhindern. In der Praxis erleben wir tagtäglich, wie durch vorsorgliche und kontrollierende Maßnahmen Fehler und Verstöße vermieden werden. Dies ist eine große Leistung, denn unsere Steuergesetze sind höchst komplex. Die Investitionen in wirksame Steuerkontrollsysteme, in Steuerexperten, Prozessmanager, IT-Systeme, Schulungsaktivitäten usw. sind zum Teil beträchtlich.
Gebot der Verhältnismäßigkeit
Daher ist es ein Gebot der Verhältnismäßigkeit, Unternehmen mit einem wirksamen Kontrollsystem mit weniger Ermittlungs- und Prüfungshandlungen zu belasten als solche ohne entsprechende Vorkehrungen und Ausstattung. Des Weiteren braucht die hiesige Wirtschaft eine Sache ganz dringend: Planungssicherheit. Diese wird durch Zusagen der Finanzbehörden hinsichtlich Art und Umfang von Ermittlungshandlungen erreicht.
Behördenressourcen
Betriebsprüfer haben corona- und ressourcenbedingt gegenwärtig mit einem Rückstau zu kämpfen und sind gezwungen, ihre Kapazitäten effizient einzusetzen – genau wie auch Unternehmen. Daher wäre es wünschenswert, dass die Erleichterungen nicht erst für die nächste Betriebsprüfung zugesagt werden, sondern im Fall eines wirksamen steuerlichen Kontrollsystems auch schon für die laufende Betriebsprüfung greifen können.
Steuerliches Kontrollsystem
Prüfungserleichterungen sind nach der Neuregelung an innerbetriebliche Maßnahmen gebunden, die gewährleisten, dass die Besteuerungsgrundlagen zutreffend aufgezeichnet und berücksichtigt und die hierauf entfallenden Steuern fristgerecht und vollständig abgeführt werden. Es leuchtet ein, dass diese Maßnahmen laufend an die Gegebenheiten anzupassen sind, denn sowohl das Geschäft mit seinen steuerrelevanten Aspekten als auch Steuergesetze ändern sich.
Systemverständnis
Neu ist der ausdrückliche Systemgedanke in den gesetzlichen Grundlagen. Dieser erkennt an, dass die Einhaltung der Steuergesetze im Unternehmenskontext eine Analyse von Strukturen, Dynamiken und Funktionen erfordert. Im Sinne der Systemtheorie erlaubt dieses Verständnis eine umfassendere Sicht auf die Besteuerung im Unternehmenskontext und realistischere Vorhersagen zur Verlässlichkeit des Steuerpflichtigen. In der Tat erfordert steuerliche Compliance heutzutage ein komplexes Zusammenspiel von Menschen in einem System aus Informationstechnologie, Daten und unternehmerischer Aufbau- und Ablauforganisation.
Fortschritte erzielt
Die Finanzverwaltung hat im Jahr 2016 den Systembegriff im Anwendungserlass zu § 153 AO eingeführt. Dies geschah im Zusammenhang mit steuerlich ausgebauten innerbetrieblichen Kontrollen und als Indiz gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit des Steuerpflichtigen. Daraufhin haben viele Unternehmen intensiv an der Systematisierung des Tax-(Compliance- bzw. Kontroll-)Managements gearbeitet. Die Corporate Tax Community hat wertvolle Erfahrungen gesammelt und das unternehmerische Tax-Management verbessert. Es ist also Zeit, die Fortschritte zu würdigen und Prüfungserleichterungen zu konkretisieren.
Erprobungsphase
§ 38 EGAO ist explizit als Erprobung alternativer Prüfungsmethoden konzipiert und zunächst bis Mitte 2029 befristet. Es soll ein stärker risiko- und kontrollorientierter Prüfungsansatz – im Vergleich zur Einzelsachverhalts- bzw. Einzeltransaktionsprüfung – erprobt werden. Begründet wird dieser Schritt genau mit „der zunehmenden Verbreitung innerbetrieblicher Kontrollsysteme“ und der daraus resultierenden wachsenden Bedeutung für die Betriebsprüfung.
Methodik
Ein gutes Feld für die Erprobung könnte z. B. die datenintensive – und ab einer gewissen Unternehmensgröße schwer prüfbare – Umsatzsteuer sein. Die 80 Paragrafen können zunächst durch die Betriebsprüfung nach Relevanz und Risikoprofil für jedes Unternehmen eingeteilt werden. Nun wäre gemäß dem behördlichen Ermittlungsgrundsatz durch die Betriebsprüfung zu fragen, welche Vorkehrungen ein unternehmensindividuelles USt-Kontrollsystem enthält, um Verfehlungen bei den risikoträchtigen Vorschriften zu verhindern. Diese sind sodann auf Wirksamkeit in bestimmten Anmeldezeiträumen zu untersuchen oder wenn möglich auch für einen gesamten beispielhaften Veranlagungszeitraum.