Vom Finanzgericht noch zu klären
Da das Finanzgericht von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, hat es weder die Vereinbarungen über die Gewährung der Stock Options noch die vom Finanzamt berücksichtigten Arbeitstage in den einzelnen Staaten geprüft. Soweit der Kläger seine Tätigkeit im Erdienungszeitraum in Drittstaaten ausgeübt hat, sind vom Finanzgericht ggf. auch die DBA mit diesen Staaten zu beachten. In der Regel weisen DBA in diesen Fällen allerdings dem Ansässigkeitsstaat (hier: Deutschland aus BFH-Sicht) das Besteuerungsrecht zu. Neben diesen offenen Punkten wird das Finanzgericht auch festzustellen haben, ob die Tarifermäßigung nach § 34 EStG in Betracht kommt.
Kritikpunkte
Falls die Finanzverwaltung das Urteil über den Einzelfall hinaus anwenden sollte, sind Besteuerungskonflikte vorprogrammiert. Denn die meisten anderen Staaten weisen das Besteuerungsrecht nach den Verhältnissen (einschließlich Ansässigkeit) im Erdienungszeitraum zu. Das Risiko einer doppelten Besteuerung würde erheblich steigen. Das hätte auch signifikante Auswirkungen auf sonstige zeitraumbezogene Vergütungselemente, wie etwa Long-Term Incentive Programme (z. B. Restricted Stock Units, Performance Share Units, Share Matching Pläne).
Gleichzeitig eröffnet die Entscheidung – von der Finanzverwaltung sicherlich unerwünschte – Gestaltungsspielräume. So könnten örtlich flexible Beschäftigte vor der Ausübung ihrer Optionen in ein Niedrigsteuerland umziehen. Für Arbeitstage im neuen Ansässigkeitsstaat und in Drittstaaten hat dann aus deutscher Sicht das Niedrigsteuerland das Besteuerungsrecht. Unschön ist auch der Mehraufwand, der durch die neue steuerliche Beurteilung des Erdienungszeitraums – nur für die Besteuerung der Einkünfte aus den Optionen – entstehen kann.
Checkliste
Insbesondere im Zusammenhang mit Entsendungen nach Deutschland und Rückkehrern von Entsendungen ins Ausland stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit der Arbeitgeber die zusätzliche finanzielle Belastung durch eine eventuelle doppelte Besteuerung übernimmt. Denn sie ist nicht ausschließlich durch die Entsendung, sondern auch durch den gewählten Zeitpunkt der Optionsausübung verursacht. Arbeitgeber sollten insbesondere ihre steuerliche Compliance sicherstellen und ggf. ihr Kostenrisiko begrenzen, indem sie
- die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und ggf. die lohnsteuerliche Behandlung anpassen; die Einholung einer Lohnsteueranrufungsauskunft kann für Rechtssicherheit sorgen,
- Arbeitstage im Ausland während des Erdienungszeitraums von eventuell betroffenen Beschäftigten vollständig und datenschutzkonform erfassen und vorhalten, bis die Besteuerung der Einkünfte aus den Aktienoptionen final abgeschlossen ist,
- die steuerlichen Risiken aus dem grenzüberschreitenden Einsatz ihrer Beschäftigten, denen Aktienoptionen gewährt wurden bzw. voraussichtlich gewährt werden, neu bewerten und
- Entsenderichtlinien und Entsendeverträge prüfen und ggf. anpassen.