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Wie Arbeitgeber mit Aktienoptionen ihre steuerliche Compliance sicherstellen

Arbeitgeber können mit Aktienoptionen und anderen mehrjährigen Vergütungselementen ihre steuerliche Compliance sicherstellen und Risiken reduzieren.


Überblick

  • Die Versteuerung von Einkünften aus Aktienoptionsplänen ist in grenzüberschreitenden Fällen komplizierter geworden.
  • Arbeitgeber mit international mobilen Beschäftigten müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie ihre steuerliche Compliance sicherstellen.
  • Bestehende Prozesse sollten überprüft, aber nicht voreilig angepasst werden.

Die Versteuerung von Einkünften aus Aktienoptionsplänen ist in grenzüberschreitenden Fällen noch komplizierter geworden. Denn nach einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs ist für die Zuordnung des Besteuerungsrechts nach den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht die Ansässigkeit im Erdienungszeitraum maßgeblich, sondern im Zeitpunkt des Zuflusses. Im internationalen Kontext ist diese Sichtweise unüblich – obwohl sie in einem Report der OECD angedeutet wird, auf den sich der BFH unter anderem beruft (Urteil vom 21.12.2022, I R 11/20). Arbeitgeber mit international mobilen Beschäftigten müssen sich nun mit der Frage auseinandersetzen, wie sie ihre steuerliche Compliance sicherstellen und das Risiko einer doppelten steuerlichen Belastung reduzieren können. 

Der Fall

Im Streitjahr 2011 übte der Kläger Aktienoptionen aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte er seinen Wohnsitz in Deutschland. Die Optionen waren ihm jedoch während eines Auslandseinsatzes in den USA von der lokalen Gesellschaft zum 1. April 2003 gewährt worden. Die Hälfte der Optionen konnte frühestens nach zwei Jahren (ab dem 1. April 2005) und die restlichen Optionen nach drei Jahren (ab dem 1. April 2006) ausgeübt werden. Von Juni 2001 bis zum 15. April 2005 war der Kläger in den USA ansässig und als President einer US-Gesellschaft tätig und dort steuerpflichtig, anschließend kehrte er nach Deutschland zurück.

„Non-resident alien“

Die USA behandelten den Kläger 2011 als „non-resident alien“ und besteuerten nur die im Zeitraum vom 1. April 2003 bis 31. März 2005 (Erdienungszeitraum) anteilig auf die Arbeitstage in den USA entfallenen Einkünfte aus den Optionen. Das deutsche Finanzamt erhob auf die nicht in den USA besteuerten Einkünfte Einkommensteuer. Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage war zunächst erfolgreich. Der Bundesfinanzhof hob die Entscheidung der Vorinstanz allerdings auf und verwies den Fall an sie zurück.

Jeweiliger Tätigkeitsort im Erdienungszeitraum zählt

Der BFH begründet seine Entscheidung wie folgt: Arbeitgeber gewähren Aktienoptionen grundsätzlich nicht, um vergangene Leistungen der Beschäftigten zu vergüten, sondern als besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft. Daher sind die geldwerten Vorteile aus der Ausübung solcher Aktienoptionen anteilig dem Erdienungszeitraum zuzuordnen, obwohl sie im Zeitpunkt der Ausübung besteuert werden. Für die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989/2008 sei insbesondere der Ort maßgeblich, an dem sich der Kläger während des Erdienungszeitraums physisch aufgehalten habe. Das entspricht der gängigen Vorgehensweise in der Praxis. Doch die Sichtweise des BFH zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bestimmung der Ansässigkeit hat für Aufsehen gesorgt. Im Ergebnis sind demnach nach dem DBA mit den USA die Einkünfte nur insoweit in Deutschland von der Besteuerung freizustellen, als sie auf die Arbeitstage in den USA entfallen.

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Vom Finanzgericht noch zu klären

Da das Finanzgericht von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, hat es weder die Vereinbarungen über die Gewährung der Stock Options noch die vom Finanzamt berücksichtigten Arbeitstage in den einzelnen Staaten geprüft. Soweit der Kläger seine Tätigkeit im Erdienungszeitraum in Drittstaaten ausgeübt hat, sind vom Finanzgericht ggf. auch die DBA mit diesen Staaten zu beachten. In der Regel weisen DBA in diesen Fällen allerdings dem Ansässigkeitsstaat (hier: Deutschland aus BFH-Sicht) das Besteuerungsrecht zu. Neben diesen offenen Punkten wird das Finanzgericht auch festzustellen haben, ob die Tarifermäßigung nach § 34 EStG in Betracht kommt.

Kritikpunkte

Falls die Finanzverwaltung das Urteil über den Einzelfall hinaus anwenden sollte, sind Besteuerungskonflikte vorprogrammiert. Denn die meisten anderen Staaten weisen das Besteuerungsrecht nach den Verhältnissen (einschließlich Ansässigkeit) im Erdienungszeitraum zu. Das Risiko einer doppelten Besteuerung würde erheblich steigen. Das hätte auch signifikante Auswirkungen auf sonstige zeitraumbezogene Vergütungselemente, wie etwa Long-Term Incentive Programme (z. B. Restricted Stock Units, Performance Share Units, Share Matching Pläne).

Gleichzeitig eröffnet die Entscheidung – von der Finanzverwaltung sicherlich unerwünschte – Gestaltungsspielräume. So könnten örtlich flexible Beschäftigte vor der Ausübung ihrer Optionen in ein Niedrigsteuerland umziehen. Für Arbeitstage im neuen Ansässigkeitsstaat und in Drittstaaten hat dann aus deutscher Sicht das Niedrigsteuerland das Besteuerungsrecht. Unschön ist auch der Mehraufwand, der durch die neue steuerliche Beurteilung des Erdienungszeitraums – nur für die Besteuerung der Einkünfte aus den Optionen – entstehen kann.

Checkliste

Insbesondere im Zusammenhang mit Entsendungen nach Deutschland und Rückkehrern von Entsendungen ins Ausland stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit der Arbeitgeber die zusätzliche finanzielle Belastung durch eine eventuelle doppelte Besteuerung übernimmt. Denn sie ist nicht ausschließlich durch die Entsendung, sondern auch durch den gewählten Zeitpunkt der Optionsausübung verursacht. Arbeitgeber sollten insbesondere ihre steuerliche Compliance sicherstellen und ggf. ihr Kostenrisiko begrenzen, indem sie 

  • die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und ggf. die lohnsteuerliche Behandlung anpassen; die Einholung einer Lohnsteueranrufungsauskunft kann für Rechtssicherheit sorgen,
  • Arbeitstage im Ausland während des Erdienungszeitraums von eventuell betroffenen Beschäftigten vollständig und datenschutzkonform erfassen und vorhalten, bis die Besteuerung der Einkünfte aus den Aktienoptionen final abgeschlossen ist,
  • die steuerlichen Risiken aus dem grenzüberschreitenden Einsatz ihrer Beschäftigten, denen Aktienoptionen gewährt wurden bzw. voraussichtlich gewährt werden, neu bewerten und
  • Entsenderichtlinien und Entsendeverträge prüfen und ggf. anpassen.

Co-Autoren: Gordon Rösch, Martin Neutzner

Fazit

Betroffene Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten zunächst abwarten, ob bzw. wie das Bundesfinanzministerium auf die BFH-Entscheidung reagiert. Sollte das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden, ohne dass ein Nichtanwendungserlass ergeht, fände das Urteil grundsätzlich über den Einzelfall hinaus Anwendung. Bis dahin herrscht Rechtsunsicherheit und es sollten bestehende Prozesse überprüft, aber nicht voreilig angepasst werden. Es ist allerdings sinnvoll, sich der potenziellen Konsequenzen bewusst zu sein und insbesondere sicher zu stellen, dass alle relevanten Datenpunkte datenschutzkonform erfasst werden, um auch zu späteren Zeitpunkten noch entsprechend reagieren zu können.

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