Mann zwischen Regalen in Lagerhalle

Wie die EU den innereuropäischen Handel betrugssicher machen möchte

Mit dem Paket „VAT in the Digital Age“ will die EU den innereuropäischen Handel vereinfachen und betrugssicher machen.


Überblick

  • Ziel von ViDA ist es, mit den immer digitaler werdenden Geschäftsmodellen Schritt zu halten und den Mehrwertsteuerbetrug einzudämmen.
  • Die stufenweise Umsetzung in nationales Recht ist ab 2025 zu erwarten. 
  • Unternehmen sollten die Zeit nutzen, sich auf verkürzte Meldepflichten vorzubereiten.

ViDA – „VAT in the Digital Age“ – steht für ein Reformpaket, das die Europäische Kommission Ende 2022 vorgeschlagen hat. Ziel ist es, mit den immer digitaler werdenden Geschäftsmodellen Schritt zu halten und den Mehrwertsteuerbetrug einzudämmen. Formell geht es um eine Richtlinie und zwei Verordnungen. Alle drei Rechtsakte müssen noch vom EU-Ministerrat einstimmig verabschiedet werden, es sind also noch Änderungen möglich. Dabei kann auch das EU-Parlament unverbindliche Änderungsvorschläge unterbreiten. Die stufenweise Umsetzung in nationales Recht ist ab 2025 zu erwarten. 

Eine Anlaufstelle

Ein zentrales Ziel von ViDA ist es, die lokale umsatzsteuerliche Registrierung auf ein Minimum zu reduzieren. Dafür wird der One Stop Shop (OSS – einzige Anlaufstelle) mit Wirkung zum 1. Januar 2025 auf weitere Umsätze erweitert. Der OSS ermöglicht es, Umsätze in anderen EU-Mitgliedstaaten gegenüber der nationalen Steuerverwaltung des Unternehmens zu erklären und zu begleichen. Über den OSS sollen zukünftig auch folgende B2C-Umsätze gemeldet werden können:

  • lokale Fernverkäufe von Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenständen, Sammlerstücken und Antiquitäten
  • Dienstleistungen von Nicht-EU-Unternehmen (bisher nur für elektronisch erbrachte Dienstleistungen)
  • Lieferung von Gegenständen mit Installation oder Montage
  • Lieferung von Gegenständen an Bord eines Schiffes, eines Flugzeugs oder eines Zuges
  • Lieferung von Gas, Strom, Wärme oder Kälte
  • reguläre inländische Lieferungen von Gegenständen 
  • inländische Lieferungen von Gegenständen, die der Differenzbesteuerung unterliegen

Der OSS wird zudem auf unternehmensinterne Warenbewegungen erweitert, denen kein Verkaufsvorgang zugrunde liegt (innergemeinschaftliches Verbringen). Zugleich wird aber die erst am 1. Januar 2020 im Rahmen der Quick Fixes eingeführte Vereinfachungsregelung für Konsignationslager wieder abgeschafft.

Reverse Charge

Ebenfalls zum 1. Januar 2025 sieht ViDA eine verpflichtende Umkehr der Steuerschuldnerschaft (Reverse Charge) auf alle inländischen B2B-Warenlieferungen und -Dienstleistungen vor. Sie gilt allerdings nur, wenn der Leistende im Ausland ansässig und im Inland nicht für Umsatzsteuerzwecke registriert ist. Der Leistungsempfänger wiederum muss im Inland umsatzsteuerlich registriert sein. 

Plattformökonomie

Seit Juli 2021 sind die Betreiber von Online-Marktplätzen zum Teil Steuerschuldner für Endkundenumsätze ihrer Händler. Die Regelung umfasst bisher nur Direktlieferungen aus Nicht-EU-Ländern, soweit der Warenwert der Sendung unter 151 Euro liegt. Für lokale oder innergemeinschaftliche Lieferungen in der EU besteht die Steuerpflicht nur, wenn der Händler in einem Nicht-EU-Land ansässig ist. Diese lückenhafte Regelung schafft in der Praxis eine ganze Reihe von Herausforderungen, insbesondere bei der korrekten Steuerfindung sowohl auf Versandhändler- als auch auf Marktplatzebene. Hier will ViDA an zwei Stellen Abhilfe schaffen: Zum einen werden Marktplatzbetreiber zukünftig bei innereuropäischen Umsätzen immer als Steuerpflichtige behandelt, unabhängig von der Ansässigkeit des Versandhändlers, zum anderen umfasst die Steuerpflicht auch Warenbewegungen zwischen Lagern in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, soweit die Marktplatzbetreiber diese Umlagerungen unterstützen. Betroffen sind davon vor allem Marktplatzbetreiber, die neben dem Zugang zu ihrem Marktplatz auch EU-weite Fulfillment-Dienstleistungen anbieten. Ab 2025 sieht ViDA überdies die Besteuerung von Online-Marktplätzen für die Kurzzeitvermietung von Unterkünften und die Erbringung von Dienstleistungen der Personenbeförderung vor.

Grafik: Bedeutung des Binnenhandels fuer ausgewaehlte Laender in Prozent (2021)

Elektronische Rechnungen und Meldepflichten

Ab 2028 wird die elektronische Rechnungsstellung im strukturierten Datenformat für EU-Transaktionen Standard. Darüber hinaus wird ab 1. Januar 2028 ein elektronisches Meldesystem eingeführt (Digital Reporting Requirement; kurz DRR): Für grenzüberschreitende Transaktionen wird die Zusammenfassende Meldung durch erweiterte Berichtspflichten abgelöst. Anstatt einer aggregierten Meldung wie bisher sind innergemeinschaftliche Lieferungen und Dienstleistungen innerhalb von zwei Werktagen nach Rechnungsausstellung durch den Steuerpflichtigen zu melden. Der Lieferant hat die folgenden Daten an die Finanzbehörde im Ursprungsmitgliedstaat zu übermitteln: 

  • Rechnungsausstellungsdatum
  • Rechnungsnummer
  • USt-ID des Lieferanten/Dienstleistungserbringers
  • USt-ID des Lieferungs-/Dienstleistungsempfängers
  • Art und Menge der gelieferten Gegenstände bzw. der erbrachten Dienstleistungen 
  • Steuerbemessungsgrundlage und Preisminderungen
  • Hinweis auf Gutschrift (Self-Billing)
  • Hinweis auf Steuerbefreiungsvorschriften
  • IBAN und Fälligkeitsdatum

Anders als bisher ist auch eine verpflichtende Meldung der oben genannten Felder durch den Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat vorgesehen. Das soll einen Datenabgleich für grenzüberschreitende Rechnungen zwischen den Finanzbehörden innerhalb der EU ermöglichen. Dafür sollen die angeführten Daten in einem EU-weit einheitlichen technischen Format gemeldet werden. 

Inländische Meldepflichten 

Die Mitgliedstaaten können eine elektronische Meldeverpflichtung auf Einzelrechnungsebene für Lieferungen und Dienstleistungen im inländischen B2B-Bereich vorsehen. Diese kann auf alle im Inland steuerbaren Tatbestände (beispielsweise auch B2C) ausgeweitet werden, soweit diese nicht bereits dem angedachten verpflichtenden EU-Reporting unterliegen. Wenn sich ein Mitgliedstaat dazu entschließt, sind die für das verpflichtende EU-Reporting vorgesehenen Vorschriften anzuwenden.

Co-Autor:innen: Susanne Machanek, Johannes Jaitner

Fazit

Die Initiative der Europäischen Kommission ist sehr zu begrüßen, auch wenn mit dem einheitlichen grenzüberschreitenden Meldesystem und der CEN-Norm (Comité Européen de Normalisation) für das nationale Meldesystem eher ein möglicher kleiner gemeinsamer Nenner gelten soll. Die Vereinheitlichung schafft sicher Rechtssicherheit und eine EU-weite ressourcenschonende Umsetzungsmöglichkeit. Eine Umsetzung bis zum 31. Dezember 2023, wie der Richtlinienvorschlag es teilweise vorsieht, ist aber unrealistisch. Dennoch sollten Unternehmen die Zeit nutzen. Insbesondere die verkürzte Meldepflicht in einer einheitlichen elektronischen Struktur bedingt, dass die erforderlichen Dateninformationen verfügbar, abgrenzbar und in entsprechender Qualität vorhanden sind. Folglich sollte bereits jetzt über den Aufbau einer Überwachung von Stamm- und Transaktionsdaten nahezu in Echtzeit nachgedacht werden. Dies lässt sich insbesondere in Rahmen eines Upgrades z. B. auf ein S/4 HANA-System oder der Operationalisierung eines steuerlichen Kontrollsystems (Tax CMS) umsetzen. 

Über diesen Artikel

Autoren

Mehr zum Thema

Wie Steuerabteilungen automatisierte Entscheidungen optimieren und Datenqualität überwachen

Im unruhigen Fahrwasser der transaktionsbezogenen Steuern schafft die Echtzeitanalyse von Unternehmensdaten die nötige Sicherheit bei der Navigation.

Welche Meldepflichten für Online-Plattformen eingeführt werden

Seit 2023 müssen digitale Plattformbetreiber zahlreiche Informationen von Verkäufern sammeln. Lesen Sie hier, welche Meldepflichten dazugehören.