Fireflies flying in the forest at twilight

Wie die Pandemie die Transformation von Unternehmen beschleunigt

Verwandte Themen

Unternehmen können aus den Erfahrungen in der Pandemie einiges über ihr eigenes Transformationspotenzial lernen.


Überblick

  • Die Corona-Pandemie hat die Transformationsprozesse nicht ausgelöst, aber beschleunigt.
  • Megatrends bestimmen den Transformationsbedarf von Unternehmen.
  • Die Fähigkeit zur flexiblen Anpassung an neue Szenarien ist entscheidend.

Im mittlerweile dritten Pandemiejahr sind die Folgen von COVID-19 für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft weiterhin deutlich spürbar. Doch wie hat die Corona-Pandemie die Unternehmen verändert? Wurden sie in Rekordzeit bis in den letzten Winkel digitalisiert? Ist ein neuer Führungsstil eingezogen? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat EY mit fünf Expertinnen und Experten für Business Transformation bei EY gesprochen. In einem Punkt sind sie sich einig: Mögen die Auswirkungen der Pandemie häufig als radikal empfunden werden, spielen andere Faktoren auf lange Sicht eine größere Rolle.

COVID-19: eine vorübergehende Krise  

Viele Auslöser von Veränderungen, die der Pandemie zugeordnet werden, waren bereits lange vorher vorhanden. Allerdings hat COVID-19 diese Entwicklungen und Trends beschleunigt. Der Katalysatoreffekt zeigt sich auch in einer 2021 durchgeführten und bislang unveröffentlichten Studie von EY, in der 79 Prozent der befragten Vorstände der Pandemie einen Schub für die Transformation ihres Unternehmens zuschreiben.

EY-Studie 2021
der befragten Vorstände schreiben der Pandemie eine beschleunigende Wirkung auf die Transformation ihres Unternehmens zu.

Die Pandemie hat vielen Unternehmen die Augen geöffnet und bestehende Defizite und Mängel offenbart. Sie hat gezeigt, wie groß der Veränderungs- und Transformationsstau ist, und zwar im Hinblick auf

  • die Definition eines „sustainable purpose“,
  • die Anpassung an neue Kundenanforderungen,
  • die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und deren technologischer Infrastruktur sowie
  • die Einführung neuer Arbeitswelten und die Transformationsfähigkeit.

In einigen Bereichen wurden Unternehmen im Zeitraffer in die Zukunft katapultiert. Dazu gehören beispielsweise flexible Arbeitsmodelle und Homeoffice-Regelungen, die auch dort eingeführt wurden, wo dies zuvor als unmöglich galt. Laut einer EY-Studie zum Thema „Three things we learned from clients about new ways of working” wollen lediglich 15 Prozent der Befragten nach Ende der Pandemie wieder ausschließlich im Büro arbeiten.

Pandemie verstärkt den Megatrend Nachhaltigkeit

Der Megatrend zu mehr Nachhaltigkeit – der mit Bewegungen wie „Fridays for Future“ lange vor der Pandemie begonnen hatte – wurde verstärkt. Nach daten- und technologiegetriebenem Handeln gilt einer EY-Studie zufolge Nachhaltigkeit als der wichtigste Faktor für den künftigen Unternehmenserfolg.

Was ist das wichtigste Merkmal eines erfolgreichen Unternehmens der Zukunft?

Ein schonenderer Umgang mit Ressourcen oder der Einsatz klimafreundlicherer Technologien lässt sich nicht über Nacht erreichen. Kunden und Investoren verlangen jedoch glaubwürdige Schritte in die richtige Richtung. Unternehmen, die durch „Greenwashing“ ihre Klimabilanzen beschönigen, droht ein herber Imageverlust. Viele Stakeholder sind gut informiert und reagieren dann entsprechend.

EY-Whitepaper: Transformation in Zeiten von COVID-19

Wie hat sich COVID-19 auf die Transformation von Unternehmen ausgewirkt? Um dies zu erkunden, haben wir mit fünf Expert:innen für Business Transformation von EY gesprochen und die Einflüsse entlang verschiedener Dimensionen identifiziert.

Fireflies flying in the forest at twilight

Qualität statt Quantität: Kundenerwartungen verschieben sich

Die Kundenerwartungen fächern sich immer weiter auf, das ist eine weitere Entwicklung, die von der Pandemie beschleunigt wurde. Qualität statt Quantität ist ein zentraler Trend. Viele Verbraucher achten zudem auf Gesundheit, Nachhaltigkeit oder soziale Verantwortung. Um den immer differenzierteren Anforderungen ihrer Kundschaft gerecht zu werden, sollten Unternehmen mehrgleisig fahren, beispielsweise indem sie auch nach Ende der Pandemie weiterhin Online-Bestellungen anbieten. Die Produktportfolios müssen sich schneller als bisher an veränderte Kundenerwartungen anpassen, dementsprechend müssen Produktentwicklungsprozesse flexibler und effizienter werden.

Personal: Eine Bandbreite an Führungsstilen ist gefragt

Viele Vorgesetzte mussten in der Pandemie erst lernen, Mitarbeiter zu führen, die nicht physisch vor Ort sind. Laut einer EY-Studie wünschen sich 80 Prozent der Arbeitnehmer, auch künftig einen Teil ihrer Arbeitszeit im Homeoffice zu verbringen. Etwa die Hälfte kann sich vorstellen, in naher Zukunft völlig ortsunabhängig zu arbeiten. Trotzdem ist es wichtig, im Kopf zu behalten, dass nicht alle Arbeitnehmer die gleichen Bedürfnisse haben. Während einige selbstbestimmter arbeiten möchten, bevorzugen andere klare hierarchische Systeme und Anleitungen. Die Präferenzen unterscheiden sich nach Ausbildung, Position und Generation.

Um dem gerecht zu werden, sollten Führungskräfte eine Bandbreite an Führungsstilen beherrschen – von der kurzen Leine über teamorientierte Führung mit notwendigen Freiräumen bis hin zum reinen Coaching. Erste Ansätze sind erkennbar, die Norm ist das jedoch noch nicht. Die Homeoffice-Erfahrungen während der Pandemie und die Studienergebnisse zeigen, dass kein Weg daran vorbeiführt, über Modelle für die kommende Arbeitswelt im eigenen Unternehmen nachzudenken.

Innovationen sind wichtiger denn je – doch die Fähigkeiten fehlen

Die vielen kurzfristigen Neuerungen aufgrund der Pandemiesituation lassen ein Innovationsfeuerwerk in der Breite vermuten, doch das Gegenteil ist der Fall: Die etablierten Unternehmen haben kaum zusätzliche signifikante, langfristige Innovationen eingeleitet. Sie waren vielmehr damit beschäftigt, den Betrieb in dieser Ausnahmesituation aufrechtzuerhalten.

Viele Startups haben schnell und flexibel auf die neuen Bedingungen reagiert, während es in etablierten Unternehmen häufig an den erforderlichen Fähigkeiten und Denkweisen mangelte, um innovativer zu werden. Startups haben nicht nur kurzfristige neue Bedürfnisse bedient, sondern mit Lösungen für Arbeit, Bildung oder Gesundheit auch auf anhaltende gesellschaftliche Veränderungen reagiert. Beispiele hierfür sind COVID-19-Tracker, Telemedizinsoftware oder neue Vertriebswege für Lebensmittel.

Entwicklung der Innovations- und Digitalisierungsaktivitäten im Zuge der Corona Krise

Es ist durchaus sinnvoll, kritisch zu hinterfragen, ob sich die Innovationskultur durch die Pandemie nachhaltig verändert hat. Zuweilen wurden erste, schnell realisierte Innovationen wieder zurückgenommen. Es reicht nicht, den dringenden Innovationsbedarf zu erkennen, denn letztendlich ist es ein ganzheitliches Unterfangen: Die gesamte Organisation muss dazu beitragen, dass sich die Unternehmenskultur verändert.

Technische Innovation ist bei Videokonferenzen stehen geblieben

Durch Homeoffice-Regelungen und Lockdowns wurden Unternehmen gezwungen, ihre Kommunikation sowie die interne und externe Zusammenarbeit schnell zu digitalisieren: Videokonferenz-Tools wie „Zoom“ oder „MS Teams“ wurden schnellstens zum Standardrepertoire, aber auch Online-Shops oder „Click & Collect“-Angebote für Kunden wurden in rekordverdächtiger Zeit aus dem Boden gestampft.

Meetings vor Ort durch Videokonferenzen zu ersetzen ist keine grundlegende technologische Transformation – dadurch wird kein Geschäftsmodell kreiert und es werden keine neuen Kundengruppen gefunden oder Vermögenswerte geschaffen. COVID-19 diente somit lediglich als „Booster“, um die existierenden virtuellen Arbeitsmöglichkeiten auszuschöpfen. Dennoch darf dieser Effekt nicht unterschätzt werden. Erstmals erfuhr die gesamte Arbeitswelt, was mit Technologie möglich ist. Flächendeckend wurde so eine gewisse Neugierde und Offenheit für technische Themen geweckt und Grundkenntnisse aufgebaut.

Auch Entscheidungsprozesse wurden durch die Pandemie beschleunigt. Digitalisierungsprojekte, die vormals lange auf Freigaben warten mussten, wurden innerhalb weniger Wochen verabschiedet und umgesetzt. Insofern bieten Videokonferenzen und digitale Tools zur internen und externen Zusammenarbeit sehr gute Voraussetzungen für künftige fundamentale Transformationen, die durch neue Technologien getrieben werden.

COVID-19 hat für einen großen Teil der Bevölkerung als „Booster“ des Verständnisses und der Anwendung grundlegender IT-Technologie gewirkt. Diesen Effekt kann man gar nicht hoch genug einschätzen.

In einer sich ständig ändernden Welt werden die Bedingungen des Wettbewerbs stets neu sortiert und Unternehmen müssen politischen, soziologischen und kulturellen Veränderungen gerecht werden. Auch Transformationen werden sich immer neuen Herausforderungen stellen müssen – und so zu dauerhaften Prozessen werden. Sie können schrittweise erfolgen oder radikal sein – wie der Umbau der Automobilindustrie zu einer klimaneutralen Branche. Wichtig ist, dass Organisationen die grundsätzliche Fähigkeit aufbauen, sich an alle möglichen Szenarien flexibel anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

  • Maren Giebing ist Managerin im Business Consulting und unterstützt Unternehmen bei der Digitalisierung und Transformation, von der Entwicklung von Digital Strategien, neuen Geschäftsmodellen bis zu Produkten und Services unter Einsatz agiler Arbeitsmethoden. Die Befähigung von Kunden zu neuen Arbeitsweisen ist ein wichtiger Teil ihrer Arbeit. In einer Vielzahl von Kundenbeziehungen und Projekten hat sie die unterschiedlichsten Organisationen, vom Mittelstand bis zum Konzern, und die dahinter stehenden Denkweisen, insbesondere im Management, kennengelernt.

Fazit

Im inzwischen dritten Jahr beherrscht die Pandemie nach wie vor das tägliche Leben. Umso erstaunlicher scheint es, dass die EY-Expertinnen und -Experten den Beitrag der Pandemie zur Transformation von Unternehmen eher gering einschätzen. COVID-19 wirkt eher als Katalysator bereits existierender wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und technologischern Trends. Die Erfahrungen und die erreichte Anpassungsfähigkeit aus den volatilen Pandemiezeiten sollten Unternehmen jedoch nutzen, um den eigenen Transformationsbedarf hinsichtlich der Kundenanforderungen, des Führungsverständnisses, der Innovationsfähigkeit und der technologischen Herausforderungen für das eigene Geschäftsmodell zu bestimmen.

Related articles

Wie die Pandemie die Transformation von Unternehmen beschleunigt

Lesen Sie hier, warum die Pandemie die Transformation von Unternehmen nicht wesentlich vorangebracht hat und was wirklich zählt.

    Über diesen Artikel