Reihen von buntem Nähgarn

Transformation zur Circular Economy – den Kreis schließt der Mensch

Der Wandel zur Kreislaufwirtschaft hat nicht nur statische Auswirkungen. Einen Fokus sollten Unternehmen auch auf ihre Mitarbeitenden legen.


Überblick

  • Zirkuläres Wirtschaften betrifft mehr als Prozesse, Strukturen und Geschäftsmodelle – zentraler Ansatzpunkt sind die Mitarbeitenden.
  • Zirkuläre Wertschöpfung ist kein festgelegtes Endziel, sondern die strategische Veränderung der Unternehmenskultur.
  • Die Transformation der Organisationskultur funktioniert nur mit klarer, zielgruppenspezifischer und individuell angepasster interner Kommunikation.

Das Thema ESG (Environmental, Social, Governance) als Modell für die Zukunft ist in aller Munde. Die zukünftigen Gewinner werden ohne Frage diejenigen Organisationen sein, die dem Thema „Nachhaltige Entwicklung“ genügend Aufmerksamkeit widmen und entsprechende Veränderungsprozesse in ihrer Kultur verankern. Ein Kernbestandteil der „E“-Komponente – deren Fokus auf ökologischer Nachhaltigkeit liegt – ist die zirkuläre Wertschöpfung (Circular Economy). Einerseits trägt sie dazu bei, Belastungen der Umwelt wie Kohlenstoffemissionen oder Abfall zu verringern, andererseits erhöht sie die wirtschaftliche Profitabilität, führt zu besseren, langfristigen Kundenbeziehungen und wirkt sich positiv auf die öffentliche Wahrnehmung aus. Zudem ist sie als E5-Standard fest in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) der Europäischen Union verankert.

Während bei der Transformation hin zu einer zirkulären Wertschöpfung das Hauptaugenmerk meist auf Lieferketten, Produktlebensdauer und dem Redesign physischer Produkte liegt, sollte auch die „S“-Komponente nicht außer Acht gelassen werden. Denn auch der Mensch spielt beim Thema Circularity eine wesentliche Rolle – letztlich ist er es, der den Kreis schließen muss. Damit die zirkuläre Transformation im Organisationskontext gelingen kann, müssen sich daher nicht nur die formellen Rahmenbedingungen ändern, sondern auch die vermeintlich ungreifbaren menschlichen Faktoren.


Die Transformation zu Prinzipien der Circular Economy im Organisationskontext wirkt sich nicht nur auf die formellen Rahmenbedingungen aus, sondern erfordert auch Veränderungen bei den vermeintlich ungreifbaren menschlichen Faktoren.


Zunächst einmal müssen sowohl Belegschaft als auch Führungskräfte verstehen, welchen Beitrag sie zur veränderten Unternehmenskultur und damit zur neuen wirtschaftlichen Ausrichtung leisten können und sollen. Dazu bedarf es eines systemischen Gesamtblicks auf die verschiedenen Akteure, die auf die zirkuläre Wertschöpfung einwirken und Teil des „organisationalen Ökosystems“ sind. An vielen Stellen sind Umdenken und eine nachhaltige Neuausrichtung auf neue Prozesse, Methoden und Definitionen gefragt. Allerdings ändern sich Verhalten und Einstellungen in einer Organisation nicht über Nacht, sondern sind die Konsequenz aus Umwelteinflüssen, Normen, Werten und kognitiven Mustern. Es bedarf daher eines strategischen Change-Management-Ansatzes. Dieser muss einerseits direkt am Menschen ausgerichtet sein, gleichzeitig aber auch die Kultur eines Unternehmens als Schlüsselfaktor für nötige Veränderungsprozesse beachten. Dabei ist es besonders wichtig, dass ein Unternehmen Ziele wie Strategie, Nachhaltigkeit und Mission sorgfältig mit seiner Organisationskultur abstimmt. Denn von Arbeitsweisen und Methoden bis hin zu Prozessen und der Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften beschreibt diese stets das „Wie“ einer Organisation. Ähnlich wie beim Lean-Management-Ansatz geht es bei der Circular Economy nicht um ein Endziel, sondern um strategische Veränderungsprozesse, die auf die Unternehmenskultur und damit auf das gesamte Handeln einwirken. Entscheidet sich ein Unternehmen beispielsweise für einen zirkulären Rohstofflieferanten innerhalb eines geschlossenen Recyclingkreislaufs, verschenkt jedoch bereits zum Onboarding preiswerte Plastikstifte und ­Notizbücher eines Drittherstellers, dann wird die Wirkung auf die Mitarbeitenden mindestens irritierend sein. Es stellt sich also die Frage, ob zirkuläres Handeln in der Belegschaft nicht nur gefordert, sondern auch entsprechend global verankert und incentiviert wird.

Falsche Anreize
aller Umbauprojekte scheitern wegen eines mangelhaften Change-Management

Nachhaltigkeit und zirkuläre Strategien sollten nämlich keinesfalls nur als „Projekt“ abgetan werden oder als Silo-Funktion wachsen, sondern holistisch betrachtet werden. Dazu müssen die richtigen Anreize geschafft werden – nicht nur monetär, sondern vor allem auf zwischenmenschlicher Ebene. So sollte eine F&E-Mitarbeiterin, die an einem alternativen zirkulären Produktdesign arbeitet, nicht für ihre innovativen Fehltritte bestraft, sondern für ihr unternehmerisches Vorausdenken belohnt werden. Ein Sales-Mitarbeiter sollte für die Identifikation geeigneter Recyclingplattform-Anbieter mit den notwendigen zeitlichen Kapazitäten ausgestattet werden, anstatt lediglich nach seinen Umsatzzahlen bewertet zu werden. Letzteres Incentivierungsmuster wäre nicht stimmig und würde im Gegenteil zu konträren Verhaltensweisen führen, die nicht mit der angesetzten Unternehmensstrategie in Einklang stehen.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass im Schnitt 70 Prozent aller angestrebten Transformationen in Unternehmen scheitern, da kein erfolgreiches Veränderungsmanagement betrieben wird. So mangelt es vielerorts an einer klaren Kommunikation dessen, was es zu verändern gilt, oder es existieren fragile Strukturen, die den nötigen Veränderungsprozess in der Organisation nicht tragen können. Diese zeigen sich beispielsweise in Form von „Erklärungsnot“ aufseiten der Führungskräfte, Ängsten und Unsicherheiten vor dem Unbekannten bei der Belegschaft oder durch das Ignorieren fundamentaler kultureller Dynamiken, die das „Wie“ einer Organisation prägen.


Neben der natürlichen Veränderungsresistenz spielt bei der Einstellung der Mitarbeitenden im Hinblick auf die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit und Zirkularität auch der teils emotionalisierte politische Diskurs eine wesentliche Rolle.


Daher ist es beim Thema Zirkularität besonders wichtig, die Gründe für eine entsprechende Transformation für die gesamte Belegschaft deutlich und transparent zu machen. Im Rahmen einer sogenannten Change Story kann beispielsweise ein fesselndes Narrativ entwickelt werden, mit dem das Management die Chancen der Circular Economy für die einzelnen Mitarbeitenden deutlich macht und ihnen erklärt, wie die Transformation sukzessive im Unternehmen umgesetzt wird – stets zielgruppenspezifisch und auf individuelle Bedürfnisse eingehend. Denn grundsätzlich nehmen die meisten Mitarbeitenden Veränderungsprozesse und Unbekanntes zunächst als potenziell unbequem und teilweise sogar als gefährlich wahr. Besonders im Kontext Umwelt und Nachhaltigkeit schwingt darüber hinaus neben der natürlichen Veränderungsresistenz auch der politische und zum Teil emotionalisierte Diskurs mit, der die Belegschaft zusätzlich beeinflusst und ihre Einstellung gegenüber zirkulären Modellen lenkt.

Ziel der Unternehmenskultur sollte es daher sein, durch zentrale Werte und die damit verknüpften Verhaltensweisen zirkuläres Handeln zu begünstigen. Um kulturellen – und damit behavioralen – Wandel erfolgreich zu meistern, müssen Unternehmen ihre Belegschaft informieren, incentivieren, befähigen und ihnen die nötigen Leitplanken zur Verfügung stellen, um die Transformation hin zur Zirkularität zu leiten und zu leben.

Fazit

Die Transformation hin zur Circular Economy erfordert von Unternehmen ein strategisches Change-Management, das die Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt. Der Schlüssel dazu liegt in der Unternehmenskultur, denn es geht weniger um das Erreichen eines genau umrissenen Endziels, sondern um eine langfristige strategische Veränderung, die das Handeln des gesamten Unternehmens erfasst.

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