Luftaufnahme des Stadtparks

Eine Circular Economy kann nur gelingen, wenn alle zusammenarbeiten

Carsten Gerhardt, Partner Advanced Manufacturing bei EY, spricht im Interview über die Bedeutung der Circular Economy.


Überblick

  • Carsten Gerhardt hat umfassende Expertise im Bereich Circular Economy. 
  • Nachhaltiges Wirtschaften und die Reduktion aller Arten menschengemachter Emissionen stehen dabei im Vordergrund.
  • Mit der Circular Valley Foundation setzt sich Gerhardt dafür ein, die Rhein-Ruhr-Region als ein weltweit führendes Gebiet der Circular Economy zu positionieren.

Carsten Gerhardt leitet bei EY das Kompetenzzentrum für Kreislaufwirtschaft und kann mehr als 25 Jahre Erfahrung in der professionellen Dienstleistung im Bereich Nachhaltigkeit vorweisen. Seine spezifische Expertise umfasst Methodenentwicklung (Deutscher Nachhaltigkeitspreis), Dekarbonisierungsstrategien für verschiedene Sektoren, Low-Carbon-City-Konzepte, Umsetzung der Innovation City Ruhr, Entwicklung von Kreislaufwirtschaftsstrategien sowie Aufbau der Circular Valley Foundation im größeren deutschen Rhein-Ruhr-Gebiet, der er seit 2020 vorsitzt. Hier setzt er sich dafür ein, die Region als Circular Valley zu positionieren – ein Gebiet, in dem weltweit führende Lösungen für eine Kreislaufwirtschaft entwickelt werden.

EY: Wie sind Sie zum Thema Circular Economy gekommen? 

Carsten Gerhardt: Rund 40 Kilogramm Emissionen pro Person und Tag im globalen Mittel gefährden unsere Existenzgrundlagen – Treibhausgase und Plastik im Meer machen uns das schmerzlich bewusst. Von daher ist es elementar wichtig, alle Arten menschengemachter Emissionen zu reduzieren und Stoffkreisläufe zu schließen.

Menschengemacht
Emissionen pro Person und Tag im globalen Mittel gefährden unsere Existenzgrundlagen.

Gibt es einen Unterschied zwischen "Kreislaufwirtschaft" und "Circular Economy"?

"Kreislaufwirtschaft" wird stark mit dem Deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz von 1994 verbunden. Auch wenn dieses Gesetz bereits im weiteren Sinne auf Abfallvermeidung zielt, steht in der öffentlichen Wahrnehmung das Recycling im Vordergrund. Geschäftsmodellinnovationen waren beispielsweise überhaupt kein Thema. Daher spricht man im Deutschen heute eher von "zirkulärer Wertschöpfung" oder benutzt gleich den gängigen englischen Begriff "Circular Economy".

 

Was würden Sie Unternehmen raten, wo sie anfangen sollten, um die ersten Schritte Richtung Circular Economy zu gehen?

Schöne erste Schritte sind die Umstellung von Bezugsstoffen auf recycelte Stoffe oder nachwachsende Rohstoffe und die Analyse der eigenen Rest- oder Nebenströme auf weitere Verwendungsmöglichkeiten. Von dort aus können Unternehmen dann weitergehen, in Richtung eines geänderten Produktdesigns, das die spätere Weiter- oder Wiederverwertung erleichtert, oder auch in Richtung einer Änderung von Geschäftsmodellen, beispielsweise weg vom Verkauf von Produkten hin zu Geschäftsmodellen, bei denen das Produkt im Zugriff des Herstellers bleibt.

 

Können Unternehmen allein loslaufen oder sollten sie sich von Beginn an Partner suchen? Und wenn ja, wie findet man diese am besten?

Loslaufen können Unternehmen natürlich allein – eine Circular Economy wird allerdings nur gelingen, wenn alle Teilnehmer entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Daher sind Partner wichtiger denn je. In den letzten 200 Jahren war die Industrie sehr erfolgreich, wenn sich jedes Unternehmen auf seiner Stufe der Wertschöpfung optimiert hat. Nun müssen wir zu Optima kommen, die am Ende dafür sorgen, dass schädliche Umwelteinträge vermieden werden. Dazu muss ein Vorlieferant gegebenenfalls wieder zu aufwendigeren Herstellungsprozessen übergehen, damit der Produzent des Endproduktes ein Produkt hat, das er am Ende des Lebenszyklus auch wieder in seine Bestandteile zurückführen kann. Der Endkonsument wird für diese Kreislauffähigkeit im begrenzten Umfang eine Preisprämie zahlen, die ihrerseits dann wieder fair auf alle in der Kette aufgeteilt werden muss.



Eine Circular Economy kann nur gelingen, wenn alle Teilnehmer entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten.




Der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier und wegzuwerfen ist erst einmal sehr bequem und zeitsparend. Wie bringen Sie Verbraucher oder Kunden dazu, sich umzustellen?

In der Tat ist wegzuwerfen häufig bequem und zeitsparend. Auf der anderen Seite machen aber vielen von uns auch die Berge von Hausmüll ein schlechtes Gewissen – wir spüren, dass dies nicht richtig ist, und idealerweise würden wir gerne weniger wegwerfen. Auf Verbraucherseite wird die Umstellung gelingen, wenn die Rückgabe einfacher gestaltet wird. Wir erleben gerade über die verschiedensten Lieferdienste, wie es immer einfacher wird, Dinge problemlos ohne Aufpreis nach Hause geliefert zu bekommen – ähnlich einfach und kostengünstig müsste die Rückholung von Wertstoffen organisiert werden, am besten so wie früher beim Milchmann. 

 

Welche Kennzahlen eignen sich am besten, um den Fortschritt und den Erfolg eines zirkulären Produkts oder Geschäftsmodells zu messen?

Der wirtschaftliche Erfolg sollte sich an den klassischen Kennzahlen wie Umsatz, Kundenzahl oder Gewinn festmachen. Der Fortschritt sollte an den vermiedenen Umwelteinträgen entlang des Lebenszyklus bemessen werden. 

 

Welches ist Ihr Lieblingsbeispiel von einer gelungenen Transformation zur Circularity?

Ein schönes Beispiel von geschlossenen Kreisläufen ist die Getränkedose aus Aluminium in Deutschland. Durch das Dosenpfand ist sichergestellt, dass diese Dosen zu nahezu 100 Prozent zurückgeführt und dann wertgleich weiterverwendet werden können. 

 

Wie können Unternehmen Technologie nutzen, um ihren Übergang zu einer Circular Economy zu beschleunigen?

Technologie wird in den unterschiedlichsten Bereichen erforderlich sein, um der Circular Economy zum Durchbruch zu verhelfen. Dies beginnt bei Technologien für alternative Produktionsverfahren und endet bei verbesserten Recyclingtechnologien. Besonders wichtig im Lebenszyklus von Produkten ist aber die Nachverfolgbarkeit von Materialströmen, um diese möglichst rein zu halten. Dafür sind „Tracking & Tracing“-Lösungen von zentraler Bedeutung. 

 

Wirtschaftswachstum ist momentan an den Verbrauch (natürlicher) Ressourcen geknüpft. Was muss sich global ändern, damit es nicht bei einzelnen Beispielen zirkulärer Produkte oder Geschäftsmodelle bleibt, sondern dies zur neuen Form des globalen Wirtschaftens wird?

Schädliche Umwelteinträge sollten konsequent mit einem Preis versehen werden, so wie es jetzt sukzessive beim CO2 eingeführt und damit alternativen Technologien zum Durchbruch verholfen wird. Wenn die Externalisierung von Umweltkosten mit einem angemessenen Preis versehen wird, hört sie auf.

 

Was hat Sie dazu bewogen, die Circular Valley Foundation im Rhein-Ruhr-Gebiet zu gründen?

Die weitere Rhein-Ruhr-Region ist die größte industriell geprägte Metropolregion Europas und verfügt über eine Kombination einzigartiger Standortfaktoren in Bezug auf die Circular Economy: die weltweit größte Dichte an unterschiedlichsten Weltmarktführern aus der Industrie, die meisten Unternehmen der Kreislaufwirtschaft in Europa, über 70 wissenschaftlich exzellente Institutionen, die ihren Schwerpunkt in Materialthemen haben, eine starke Internationalität und Ort der ersten und zweiten industriellen Revolution auf dem europäischen Festland.

 

Woran werden wir merken, dass die Gesellschaft als Ganzes den Übergang zu einer Circular Economy vollendet hat?

Wenn es keine Deponien mehr gibt, die Müllverbrennung auf ein absolutes Minimum der Verbrennung von Gefahrenstoffen reduziert wurde und wir zugleich einen hohen Lebensstandard erhalten haben, dann ist der Übergang vollendet.

 

Wenn Sie sich eine Sache wünschen könnten, die sich direkt morgen ändert, welche wäre das?

Ein konsequentes Bepfanden aller Verpackungen und ein höheres Pfand auf Glasflaschen, um ihre Rückführung sicherzustellen – so wie beim vorstehend genannten Dosenpfand.

Fazit

Moderne Technologie kann die Circular Economy bei ihrem Durchbruch unterstützen, betont Carsten Gerhardt, Partner Advanced Manufacturing bei EY, im Interview. Der Gründer der Circular Valley Foundation hebt außerdem die Bedeutung des weiteren Rhein-Ruhr-Gebiets für den Themenbereich hervor und teilt seinen unmittelbaren Wunsch für eine stärkere Zirkularität – ein konsequentes Bepfanden aller Verpackungen.

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