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Unternehmensinsolvenzen in Österreich: Analyse des Rekordjahrs 2024 und Ausblick auf 2025

Das Jahr 2024 war für viele Unternehmen in Österreich ein herausforderndes, was zu einem signifikanten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen führte. Neben der Entwicklung im Jahr 2024, den Erwartungen für 2025 und den jeweiligen Ursachen gibt dieser Beitrag auch einen Einblick in sektorenspezifische Aspekte.


Überblick

  • Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Österreich stieg 2024 um 35 Prozent auf 2.618 Fälle, womit ein neuer Höchststand erreicht wurde.
  • Besonders betroffen war der Sektor Real Estate & Construction mit prominenten Insolvenzen wie den Signa-Gesellschaften und der Imfarr-Gruppe.
  • Haupttreiber für den Anstieg waren eine anhaltende wirtschaftliche Schwächephase, steigende Kosten und hohe Zinsen.
  • Trotz erwarteter Erholung bleiben wirtschaftliche und geopolitische Unsicherheiten für 2025 ein Risiko.

Die Entwicklung der Insolvenzzahlen ist ein wichtiger Indikator, der die wirtschaftliche Stabilität und die finanzielle Gesundheit der Unternehmen in Österreich widerspiegelt. Eine erhöhte Zahl an Insolvenzen hat weitreichende Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Investitionen und das Vertrauen in die Märkte. Der Artikel beleuchtet neben den statistischen Entwicklungen auch die Ursachen hinter den steigenden Unternehmenskrisen, um einen Überblick über die aktuellen Herausforderungen zu zeichnen und mögliche zukünftige Entwicklungen zu antizipieren, damit proaktiv gegensteuert werden kann.

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Entwicklung der Insolvenzfälle in Österreich im Jahr 2024

2024 erreichten die Unternehmensinsolvenzen einen neuen Höchststand, der sogar die Zahlen der Finanzkrise 2008 übertraf. Insgesamt wurden 2.618 Verfahren über Personen- und Kapitalgesellschaften eröffnet, was einem Anstieg um 35 Prozent gegenüber 2023 (1.935 Fälle) entspricht.

Kumulierte Anzahl der eröffneten Insolvenzverfahren von Personen- und Kapitalgesellschaften pro Woche

Kumulierte Anzahl der eröffneten Insolvenzverfahren von Personen- und Kapitalgesellschaften im Jahr 2024 im Vergleich zu 2023

Eine quartalsweise Betrachtung der Insolvenzen zeigt keinen klaren Trend im Jahresverlauf, es zeigt sich lediglich ein leichter Rückgang während der Sommermonate.

Anzahl der eröffneten Insolvenzverfahren pro Quartal (in Klammern Anteil vom Jahresniveau)

Das Säulendiagramm zeigt die Anzahl der eröffneten Insolvenzverfahren in den vier Quartalen des Jahres 2024.

Eine Analyse der Gründe zeigt, dass vielfältige, teils externe Ursachen eine wesentliche Rolle gespielt haben. Zu den wichtigsten zählen die folgenden:

  • Rezession: Österreich befindet sich seit zwei Jahren in Folge in einer Rezession, zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik. Das Institut für Höhere Studien (IHS) prognostiziert für 2024 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,9 Prozent. Hauptursachen sind strukturelle Probleme, ein schwacher heimischer Konsum trotz steigender Löhne sowie rückläufige Investitionen und Exporte. Dies stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, Umsätze zu halten bzw. zu steigern.
  • Kostenerhöhungen: Die vergleichsweise hohe Inflation seit 2022 stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Der Energiepreisschock als Folge des Ukraine-Krieges löste eine Inflationsspirale aus, die sowohl Material- als auch Personalkosten in die Höhe trieb. Dies führt gemeinsam mit den Umsatzherausforderungen zu einem hohen Margendruck.
  • Zinserhöhungen: Um den steigenden Preisniveaus entgegenzuwirken, erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) ab Mitte 2022 den Leitzinssatz sukzessive von –0,5 Prozent auf 4,0 Prozent im September 2023. Dies führte zu höheren Finanzierungskosten und geringerer Mittelverfügbarkeit für Unternehmen und Haushalte. Im Jahr 2024 kam es zwar zu mehreren Zinssenkungen, das aktuelle Niveau von 3,0 Prozent liegt jedoch noch deutlich über jenem der Zeit vor 2022.

Bemerkenswert sind 2024 auch Größe und Verschuldung der betroffenen Unternehmen. Während 2023 insgesamt fünf Unternehmen (davon drei Signa-Gesellschaften) mit Verbindlichkeiten von mehr als 100 Mio. Euro Verfahren angemeldet haben, stieg diese Zahl 2024 auf 14 (davon sieben Signa-Gesellschaften). Besonders hervorzuheben sind die zwei Milliardeninsolvenzen: Fisker mit 3,8 Mrd. Euro Passiva und KTM mit 1,8 Mrd. Euro Passiva. Diese viel beachteten Großinsolvenzen betrafen unzählige Gläubiger:innen und Mitarbeitende.

Branchentrends

Die fünf am stärksten betroffenen Sektoren mit 92 Prozent der 2024 angemeldeten Verfahren sind die folgenden:

Real Estate & Construction

Mit 918 Insolvenzen, einem Anstieg von 50 Prozent gegenüber 2023, war dieser Sektor am stärksten betroffen. Hauptursachen waren das Zinsumfeld, sinkende Bewertungen und strengere Regularien, insbesondere in den Bereichen Finanzierung und ESG. Bauunternehmen waren zusätzlich mit starken Kostenanstiegen bei Material und Energie konfrontiert. Auch weisen Unternehmensgruppen im Real-Estate-Sektor oft eine vergleichsweise große Anzahl an Einzelgesellschaften auf, die die Höhe der Fälle beeinflussen kann. Die prominentesten Insolvenzen waren Signa-Firmen (Schulden der Gruppe: ca. 15 Mrd. Euro) und die Imfarr-Gruppe (Schulden ca. 600 Mio. Euro).

Real Estate & Construction
Mit einem Anstieg von 50 Prozent gegenüber 2023 war dieser Sektor am stärksten betroffen.

Consumer Goods & Retail

Die Insolvenzen stiegen um 32 Prozent, bedingt durch verhaltenen Konsum, Innovationsdruck und wachsende Konkurrenz im Onlinehandel durch chinesische Mitbewerber wie Temu oder Shein, aber auch durch Amazon, die den Druck auf lokale Anbieter wesentlich erhöhen. Weiters konnten steigende Kosten etwa für Mieten oder Personal nicht durchgehend an die Kundschaft weitergegeben werden; dies erhöhte den Margendruck. Zu den wichtigsten Insolvenzen des Jahres zählen kika & Leiner, Interio, Pepco und Depot. Vorläufige Trendanalysen des Weihnachtsgeschäfts 2024 zeigen jedoch auch positive Anzeichen für die Branche.

Services

In diesem Sektor, der verschiedene Dienstleister:innen wie beispielsweise Rechtsanwält:innen, Friseur:innen und Bestatter:innen umfasst, war ein Anstieg der Insolvenzen um 14 Prozent zu verzeichnen. Die Gründe der Herausforderungen sind hier genauso vielfältig wie die Unternehmen im Sektor und können nicht auf ein paar einzelne Aspekte heruntergebrochen werden.

Advanced Manufacturing & Mobility

Im Bereich Advanced Manufacturing & Mobility stiegen die Insolvenzen um 46 Prozent, insbesondere aufgrund gestiegener Kosten, der wirtschaftlichen Lage in wichtigen Exportmärkten wie Deutschland und des starken Wettbewerbs etwa in China. Zusätzlich hat die Automobilindustrie in Europa ein besonders herausforderndes Jahr hinter sich, vor allem durch sinkende Verkäufe insbesondere im Elektrobereich und am chinesischen Markt. Für Zulieferbetriebe, die bereits mit tiefgreifenden Veränderungen in der Branche wie Elektromobilität oder Digitalisierung konfrontiert sind, kommt die herausfordernde Absatzsituation der Original Equipment Manufacturer (OEM) zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Die wichtigsten Großinsolvenzen im vergangenen Jahr waren Fisker und KTM.

Hospitality & Tourism

Trotz Erholung seit COVID-19 verzeichnete dieser Sektor einen Anstieg der Insolvenzen um 20 Prozent, hauptsächlich bedingt durch Fachkräftemangel, steigende Kosten und Preissensibilität auf Seite der Kund:innen.

Anzahl der eröffneten Insolvenzverfahren nach Branchen

Das Säulendiagramm zeigt die Anzahl der eröffneten Insolvenzverfahren nach Branchen in den Jahren 2023 und 2024.

Ausblick auf 2025

EY rechnet, basierend auf erwarteten stabilisierenden Faktoren einerseits und weiteren Herausforderungen andererseits, auch im Jahr 2025 mit einer weiterhin hohen Anzahl an Unternehmensinsolvenzen.

Positiv ist, dass die Inflation merklich nachgelassen hat und sich die Energie- und Materialpreise stabilisiert haben. Dies bedeutet wiederum, dass Lohn- und Gehaltssteigerungen niedriger als in den vergangenen Jahren ausfallen werden, da die Teuerung ein wichtiger Verhandlungspunkt war und einige Kollektivverträge an die Inflationsrate gekoppelt sind. Die weiteren antizipierten Zinssenkungen werden die Konjunktur stärken, indem sie die Finanzierungskosten senken und somit Investitionen und Konsum anregen und verschuldeten Unternehmen etwas Spielraum verschaffen.

Auf der anderen Seite werden die Preise für Energie voraussichtlich durch das Auslaufen der Energiepreisbremse und die Erhöhung der Netzentgelte steigen, auch die CO2-Bepreisung wird anziehen. Erneut steigende Inflationsraten könnten den Spielraum der EZB für weitere Zinsanpassungen deutlich beschränken.

Auch die konjunkturelle Entwicklung bleibt 2025 ein großes Fragezeichen. Die neuesten Prognosen des IHS stellen zwar ein Wachstum von 0,7 Prozent in Aussicht, hauptsächlich aufgrund eines Anstiegs des Vertrauens der Konsument:innen und einer Erholung der Industrieproduktion in Europa; jedoch unterliegt diese Prognose Risiken, etwa in Bezug auf die Entwicklung von Produktion und Konsum in Deutschland, Österreichs größtem Exportpartner. Der neue US-Präsident Donald Trump liebäugelt mit Handelsbarrieren auf europäische Waren, auch mit China stehen die Zeichen auf Konfrontation, vor allem bei Elektroautos. Eine weitere Destabilisierung der geopolitischen Lage könnte ebenfalls die Energiepreise weiter erhöhen und Lieferketten gefährden.

Neben den externen Faktoren stellt sich auch die entscheidende Frage, über wie viele Reserven Organisationen noch verfügen, die seit Beginn der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 kontinuierlich Krisen ausgesetzt waren. Für eine Reihe dieser Unternehmen könnte auch eine Erholung möglicherweise zu spät kommen.

Für den Real Estate & Construction“-Sektor wird ein gemischtes Bild erwartet. Die größten Insolvenzen dürften bereits stattgefunden und zu einer Marktkonsolidierung geführt haben. Projektentwickler:innen beginnen wieder zu bauen, und das Ende der KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung) sollte Finanzierungen trotz nach wie vor strenger Vergabekriterien erleichtern. Viele Bauunternehmen kämpfen aber weiter mit geringen Aufträgen und hohen Kosten.

Im „Consumer Goods & Retail“-Sektor sollte der anziehende Konsum die Absatzprobleme mildern. Einige bestehende Trends werden Unternehmen aber weiterhin vor Herausforderungen stellen, etwa verändertes Konsumverhalten (z. B. Gesundheitsbewusstsein, Nachhaltigkeit), Preissensibilität der Verbraucher:innen und starke Konkurrenz im Onlinehandel. Unternehmen, die diesen Wandel und Innovationen vorantreiben, werden jene überholen und ablösen, die sich nicht anpassen.

Die Entwicklung im Advanced Manufacturing & Mobility“-Sektor wird neben der Kostenentwicklung stark von der Exportnachfrage abhängen. Beispielsweise in der Automobilindustrie werden potenzielle Handelszölle, die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen und die Marktentwicklung in China entscheidend sein. Die künftigen Insolvenzzahlen werden auch davon abhängen, wie Unternehmen auf diese Herausforderungen reagieren, also ob sie Verträge gut verhandeln, Kosten senken und die Prozesseffizienz steigern.

Fazit

EY-Analysen der Insolvenzzahlen zeigen für 2024 einen Anstieg der Firmeninsolvenzen um 35 Prozent. Haupttreiber sind externe wirtschaftliche Herausforderungen wie Nachfragerückgänge, steigende Kosten und anhaltend hohe Zinsniveaus. Am stärksten betroffen war der Sektor Real Estate & Construction, gefolgt von Consumer Goods & Retail und Services. Trotz einer erwarteten Erholung im Jahr 2025 bleiben Risiken wie wirtschaftlicher Abschwung, geopolitische Unsicherheiten und ausbleibende Zinssenkungen bestehen. Die Antwort von Politik und Management auf diese Herausforderungen wird – genauso wie die in den Unternehmen noch vorhandene Manövriermasse – entscheidend für die Anzahl der kommenden Insolvenzen sein.

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