Diverse Abfallgegenstände aus Kunststoff

Warum die Plastikverpackungssteuern auch deutsche Unternehmen betreffen

Großbritannien hat sie bereits eingeführt und Spanien führt 2023 eine Plastikverpackungssteuer ein. Sie gilt auch für Produkte aus Deutschland. Viele Unternehmen sind nicht vorbereitet.


Überblick

  • In Großbritannien, Spanien und Italien sind nicht nur heimische Hersteller und Händler, sondern auch Lieferanten aus anderen EU-Mitgliedstaaten und Drittländern von der Plastikverpackungssteuer betroffen.
  • Die Abgabe betrifft sämtliche im Leben und in der Industrie benötigte Produkte.
  • Die mangelhafte Befassung mit dem Thema Verpackungssteuer kann auch für deutsche Unternehmen ernste Konsequenzen haben.

Die meisten EU-Mitgliedstaaten müssen seit 2021 exakt 80 Cent pro Kilogramm nicht recycelten Kunststoffabfalls nach Brüssel abführen. Wie die Refinanzierung erfolgt, ist jedem Land selbst überlassen. Deutschland zahlt das Geld aus dem allgemeinen Bundeshaushalt. Dagegen führt Spanien zum 1. Januar 2023 eine Plastikverpackungssteuer ein. Die Besonderheit liegt hier – im Vergleich zu der bereits existierenden Besteuerung in Großbritannien – darin, dass die Steuer im Detail auf der in den Plastikverpackungen enthaltenen Anteile an „virgin plastic“ berechnet wird. In Großbritannien sind grundsätzlich alle Verpackungsmaterialien aus Plastik steuerbar, die weniger als 30 Prozent recycelten Kunststoff enthalten.  

Wie schon in Großbritannien sind auch in Spanien nicht nur heimische Hersteller und Händler von Kunststoffverpackungen, Verpackungsmitteln oder Halbfabrikaten, sondern auch Lieferanten aus anderen EU-Mitgliedstaaten und Importeure betroffen. Die Steuer beschränkt sich nicht auf bestimmte Produkte wie Lebensmittelverpackungen, sondern umfasst alle Geschäfts- und Industriebereiche. Eine Kunststofffolienverpackung für Gemüse ist daher grundsätzlich ebenso steuerbar wie Kunststoffsäcke für Dünger, in Folie verpackte Textilien oder z. B. auch Kunststoffdeckel auf Kosmetikprodukten (s. Global Tax Alert vom 13.01.2023).

EY-Umfrage

Wie aus einer EY-Umfrage hervorgeht, hat sich in Deutschland mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen noch gar nicht mit dem Thema Plastikverpackungssteuer befasst. Ein Großteil gibt an, die erforderlichen Angaben auf Lieferbelegen und Rechnungen nicht ausweisen zu können. Die Anteile nicht recycelten Kunststoffs in ihren Primär-, Sekundär- und Tertiärverpackungen kennt rund ein Drittel der befragten Unternehmen nicht. Die meisten haben das Prozess- und Technologiedesign noch nicht festgelegt und stehen erst in den Startlöchern. Die ordnungsgemäße Deklaration wird hauptsächlich dadurch beeinträchtigt, dass Daten zu den betroffenen Kunststoffanteilen bzw. dem recycelten Anteil nicht verfügbar sind oder deren Erfassung und Verarbeitung in den IT-Lösungen (insbesondere dem ERP-System) noch nicht möglich ist (siehe Kasten).

Eile ist geboten

Die fehlende Registrierung für die Plastikverpackungssteuer bzw. die Nicht- oder Falschabgabe von Steueranmeldungen kann ernste Konsequenzen haben. Die ersten Fristen für die Abgabe von Steueranmeldungen sind für steuerpflichtige Unternehmen im Vereinigten Königreich bereits verstrichen. Verstößt eine Organisation gegen die steuerlichen Pflichten, wird eine feste Geldstrafe von 500 britischen Pfund verhängt. Für jeden weiteren Tag, an dem die Organisation ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, wird eine weitere Strafe von 40 Pfund pro Tag erhoben. Daneben drohen zusätzlich erhebliche Strafen beim Vorwurf der Steuerhinterziehung.

Mit dem Inkrafttreten der Plastikverpackungssteuer in Spanien steigt nochmals die Praxisrelevanz, da eine Vielzahl deutscher Unternehmen durch ihre Aktivitäten in Spanien den steuerlichen Pflichten unterliegen. Selbst wenn die steuerlichen Pflichten beim Verkauf an Kunden in Großbritannien oder Spanien jeweils beim Geschäftspartner liegt, „schleift“ sich der Handlungsbedarf durch die ganze vorangehende Lieferkette. Denn im Regelfall weiß nur der Lieferant wie Waren konkret verpackt sind. Die steuerpflichtigen Geschäftspartner müssen diese Information daher bei Bedarf bei ihren Lieferanten abfragen.

Großer Beratungsbedarf

Gerade multinational agierende Unternehmen können an ihre administrativen Grenzen stoßen, wenn sie sich mit verschiedenen Besteuerungssystemen befassen müssen. Aufgrund nationaler Regelungen kann es sich ergeben, dass dieselben Verpackungen in verschiedenen Staaten unterschiedlich zu behandeln sind. Die Tücke steckt wie  immer im Detail: beginnend bei den nationalen Aufzeichnungspflichten, dem Nachweis über recycelte Anteile, der Vornahme von Korrekturen oder z.B. dem Erstattungsprozess.

Von IT bis Vertrieb

Bei der Implementierung von Prozessen, IT-Unterstützung, Vertragsanpassungen, Lieferantenabfragen und vielen weiteren Handlungsbedarfen müssen eine Vielzahl von Unternehmensfunktionen beteiligt werden: Steuern, Zoll, Einkauf, Vertrieb,  Nachhaltigkeit, Recht, IT, und Logistik/Supply Chain. Die notwendige Abstimmung der Projekt- und Prozessverantwortlichkeiten ist aller Erfahrung nach zeitintensiv. Die Umsetzung all dessen wird bei vielen Unternehmen mehrere Monate in Anspruch nehmen – eventuell auch weit über ein Jahr hinaus. Unternehmen sollten sich daher umgehend mit den Auswirkungen der neuen Plastikverpackungssteuern und mit den damit einhergehenden benötigten Informationen und Dokumentationen auseinandersetzen. EY unterstützt gern dabei. 

Fazit

Viele Funktionen im Unternehmen müssen beteiligt werden: Steuern, Zoll, Nachhaltigkeit, Recht, IT, Einkauf, Vertrieb und Logistik/Supply Chain. Die notwendige Abstimmung der Projekt- und Prozessverantwortlichkeiten ist aller Erfahrung nach zeitintensiv. Die Umsetzung all dessen wird bei vielen Unternehmen mehrere Monate in Anspruch nehmen – eventuell auch weit über ein Jahr hinaus. Unternehmen sollten sich daher umgehend mit den Auswirkungen der neuen Plastikverpackungssteuern und mit den damit einhergehenden benötigten Informationen und Dokumentationen auseinandersetzen.

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