Zwei Ereignisse in der Welt haben für Deutschland schwerwiegende Folgen: Der Krieg Moskaus in der Ukraine lässt die Energiepreise durch die Decke gehen. Und Pekings Kampf gegen Corona schafft Lieferkettenprobleme, Unternehmen warten über Monate auf Waren und müssen ihre Produktion drosseln. Die Inflation erreicht Rekordhöhe. Schmerzlich müssen wir erkennen, wie unmittelbar Krisen international durchschlagen. Früher sei das nicht möglich gewesen, mögen Kritiker sagen, weil die Volkswirtschaften weniger eng verwoben waren. Nicht unerwartet werden Grundsätze des globalen Handels medienwirksam infrage gestellt und konditioniert. Eine gesellschaftliche Debatte über Sinn und Ziel von Entflechtung tut not. Auch der Handel braucht Steuerung und Kontrolle.
Ein wohlhabendes Land mit einer so starken Industrie wie Deutschland braucht zwingend offene Grenzen. Unsere Automobilunternehmen oder Maschinenbauer müssten Hundertausende Mitarbeiter entlassen, wenn sie sich mit dem heimischen Markt begnügen müssten. Und die Konsumenten müssten mehr Geld für weniger Auswahl ausgeben. Die Schlussfolgerung aus den aktuellen Krisen muss lauten: Wir brauchen Globalisierung! Wir brauchen möglichst viele Handelspartner! Wenn einer ausfällt, darf bei uns nicht gleich die ganz große Krise ausbrechen.
Für die Handelspolitik ist in Europa die EU zuständig. Brüssel sollte also die Anstrengungen für einen reibungslosen Waren- und Dienstleistungsaustausch mit möglichst vielen Ländern erhöhen. Dazu zählen mehr Freihandelsabkommen, die Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse beseitigen. Dass die Bundesregierung nun dem CETA-Freihandelsabkommen mit Kanada zustimmt, ist sehr zu begrüßen. Noch besser wäre es, wenn Europa ein solches Abkommen mit der größten Volkswirtschaft hinbekäme, mit den USA. Doch das berühmt-berüchtigte TTIP-Abkommen ist bekanntlich gescheitert, nicht zuletzt an populistischen Schlagwörtern wie dem Chlor-Hühnchen.
Gleichwohl führt kein Weg daran vorbei, den Welthandel zu fördern. Und wenn es um einen Warenaustausch mit anderen demokratischen Ländern geht, die unsere gesellschaftlichen Werte teilen – umso besser. Mehr Handel mit Lateinamerika oder Indien muss gar nicht zulasten anderer Länder gehen. Niemand soll ausgegrenzt werden. Mehr Handelsoptionen sorgen für mehr Vielfalt und noch bessere Möglichkeiten, die jeweiligen Standortvorteile zu nutzen und Abhängigkeiten von einzelnen Staaten zu reduzieren.