Mitarbeiterpause auf dem Dach

Warum im Hochbau trotz Krise Panik fehl am Platz ist

Ein Dialog mit Führungskräften im Bauwesen zur Hochbauprognose 2022 zeigt: Die Branche ist stabiler, als es das öffentliche Bild vermittelt.


Überblick
  • Trotz kritischer Umstände schafft der Hochbau 2022 ein Volumenswachstum von 1 Prozent.
  • Hochbauunternehmen rechnen mit Nullwachstum in 2023, aber Aufwärtstrend für 2024.
  • Schwerpunkte der Zukunft sind die digitale Transformation und Nachhaltigkeit.

Wenn etwas wohl niemals untergehen wird, dann ist es die (deutsche) Lust am Untergang. Das Szenario der „Titanic Hochbau“ setzt sich dabei vor allem aus den rasanten Höhenflügen von Inflation, Baukosten, Bauzinsen, Material- und Energiepreissteigerungen zusammen. Ist das noch Panikmache oder schon Panikmodus?

Es stimmt: Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich infolge der Pandemie und des Ukraine-Krieges für viele Branchen verschlechtert, auch für den Bausektor. Dennoch oder gerade deshalb gilt es, das stark negative Bild vom Bau in der Berichterstattung der vergangenen Monate zu hinterfragen und die reale Marktentwicklung sachlich zu betrachten.

Das möchten wir mit unserem Branchenupdate zur Hochbauprognose 2022 von EY-Parthenon, die wir im Juni unter Vorzeichen und Vorbehalt der unsicheren Gesamtsituation veröffentlicht haben, tun. Einige Krisenzeichen und negative Einflüsse haben sich seitdem manifestiert. Das Update zur aktuellen Lage und Entwicklung basiert neben Statistiken und Marktmodellen in erster Linie auf einer Umfrage, die wir aus diesem Anlass initiiert haben. 102 Führungskräfte, ein Großteil davon aus Bauunternehmen, wurden nach ihrer Einschätzung zur Marktentwicklung und zu ihrem Umgang mit der aktuellen Situation befragt.

Gute Auftragslage gleicht Stornierungen aus

Heraus kamen dabei einige erstaunliche Ergebnisse, die sich teilweise wenig mit dem Bild in der Öffentlichkeit decken. Eines davon: 2022 ist insgesamt besser gelaufen, als die Unternehmen Ende 2021 noch gedacht haben, mit 1 Prozent Volumenswachstum ist es gegenüber dem Vorjahr sogar ein starkes Hochbaujahr. Immerhin 62 Prozent der Unternehmen können sich darüber freuen, ihre Umsatzziele in diesem Jahr zu übertreffen. Im gleichen Zuge sagten zwar auch 55 Prozent, dass sie mehr Projektstornierungen zu verkraften hatten als erwartet, aber die Auftragsbücher sind eben nach wie vor gut gefüllt, Arbeit ist mehr als genug vorhanden. Die Steigerung von Bau- und Materialkosten – das Statistische Bundesamt vermeldete für den Bereich Neubau hierzu gerade satte 16,5 Prozent binnen eines Jahres – konnten die Unternehmen weitestgehend an den Markt weitergeben. Ebenfalls 62 Prozent büßen aufgrund von Lieferengpässen und Materialknappheit zwar an Produktivität ein, aber auch hier steuern einige Unternehmen bereits gegen, indem sie beispielsweise auf mehr Baustellen gleichzeitig arbeiten als zuvor. 

Umsatzziele Hochbau
der befragten Unternehmen haben ihre Umsätze 2022 übertroffen.

Der stärkste Einbruch ist – wider unserer Erwartung im Sommer – im privaten Wohnungsbau zu verzeichnen. Diese Entwicklung ist dem starken Anstieg von Bauzinsen und Inflation geschuldet: Einen Hausbau können sich momentan schlicht weniger Menschen leisten, für private Investoren sind die Renditeerwartungen zu gering. 2023 wird das Volumen im privaten Wohnungsbau nach korrigierter Prognose daher erstmals nach vielen Jahren etwas abnehmen (realer Rückgang um 3 Prozent), um sich 2024 voraussichtlich wieder leicht über das Niveau dieses Jahres hinaus zu erholen.


Die Branche blickt über den Dachfirst hinaus und weiß, was in Zukunft unabhängig von der aktuellen Situation zählt: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Hier hat der Hochbau klar aus früheren Wirtschaftskrisen gelernt.


Dagegen bleibt der öffentliche Bau stabil, denn allein um das politische Vorhaben von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr auch nur halbwegs zu erfüllen, müssen alle Anstrengungen unternommen werden. Veranschlagte Mittel werden genutzt, auch wenn es um den Abbau des Investitionsstaus geht. Das kommt auch Renovierungen im Bestand von Wohnungsbaugesellschaften zugute und damit auch dem Markteffekt in diesem Segment. Die stark gestiegenen Energiepreise, aber auch gesetzliche Vorgaben erhöhen insgesamt einerseits den Anreiz für energetische Sanierungen, werden andererseits aber im privaten Bereich durch erhöhte Lebenshaltungskosten wieder ausgebremst. Daher zeichnet sich im Bereich Renovierung für 2023 nur noch ein leichtes Wachstum ab.

Nicht gegen die Wand, sondern zukunftsgewandt

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Überlappung zwischen Chancen und Risiken sowie den Top-Themen auf der CEO-Agenda, die wir für die mittelfristige Zukunft abgefragt haben. Die größte Chance sehen Unternehmen mit 40 Prozent in Innovationen, also Digitalisierung und Bautechnologie. Mit 64 Prozent führt das Thema digitale Transformation sogar die Liste der strategischen Prioritäten an. Und so, wie Nachhaltigkeit/Green Building als zweithöchste Chance rangiert, liegt es auch auf der Top-Management-Agenda auf dem zweiten Platz – mit 58 Prozent.

Durchaus durchgerüttelt von den Krisenzeichen wäre es keine große Überraschung gewesen, wenn das Thema Nachhaltigkeit vorerst wieder ins Hintertreffen geraten wäre. Schließlich sehen 38 Prozent die steigenden Kosten in verschiedenen Bereichen als das größte Risiko und sind täglich damit beschäftigt, diese zu managen und zu kalkulieren. Doch die Branche blickt über den Dachfirst hinaus und weiß, was in Zukunft unabhängig von der aktuellen Situation zählt: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Hier hat der Hochbau klar aus früheren Wirtschaftskrisen gelernt. 

Eine Lehre aus jeder Krise ist außerdem: Sie geht vorbei. Nach einer Stagnation 2023 rechnen die Befragten für 2024 wieder mit Wachstum. Allen medialen Unkenrufen zum Trotz scheint eines in Stein gemeißelt: Wenn etwas wohl niemals untergehen wird, dann ist es der deutsche Hochbau.

Fazit

Fast könnte der Eindruck entstehen, im deutschen Hochbau bliebe gerade kein Stein auf dem anderen: Zinsen, Inflation, Baukosten – alles treibt in schwindelerregende Höhen und die Branche an den Abgrund. Doch so ist es nicht. Für das Branchenupdate Hochbau wurden 102 Führungskräfte aus Hochbauunternehmen nach ihrer Einschätzung der Situation und ihrer Priorisierung für die Zukunft gefragt. Die Antworten zeugen von agiler Unternehmensführung und optimistischer Weitsicht. 

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