Wenn etwas wohl niemals untergehen wird, dann ist es die (deutsche) Lust am Untergang. Das Szenario der „Titanic Hochbau“ setzt sich dabei vor allem aus den rasanten Höhenflügen von Inflation, Baukosten, Bauzinsen, Material- und Energiepreissteigerungen zusammen. Ist das noch Panikmache oder schon Panikmodus?
Es stimmt: Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich infolge der Pandemie und des Ukraine-Krieges für viele Branchen verschlechtert, auch für den Bausektor. Dennoch oder gerade deshalb gilt es, das stark negative Bild vom Bau in der Berichterstattung der vergangenen Monate zu hinterfragen und die reale Marktentwicklung sachlich zu betrachten.
Das möchten wir mit unserem Branchenupdate zur Hochbauprognose 2022 von EY-Parthenon, die wir im Juni unter Vorzeichen und Vorbehalt der unsicheren Gesamtsituation veröffentlicht haben, tun. Einige Krisenzeichen und negative Einflüsse haben sich seitdem manifestiert. Das Update zur aktuellen Lage und Entwicklung basiert neben Statistiken und Marktmodellen in erster Linie auf einer Umfrage, die wir aus diesem Anlass initiiert haben. 102 Führungskräfte, ein Großteil davon aus Bauunternehmen, wurden nach ihrer Einschätzung zur Marktentwicklung und zu ihrem Umgang mit der aktuellen Situation befragt.
Gute Auftragslage gleicht Stornierungen aus
Heraus kamen dabei einige erstaunliche Ergebnisse, die sich teilweise wenig mit dem Bild in der Öffentlichkeit decken. Eines davon: 2022 ist insgesamt besser gelaufen, als die Unternehmen Ende 2021 noch gedacht haben, mit 1 Prozent Volumenswachstum ist es gegenüber dem Vorjahr sogar ein starkes Hochbaujahr. Immerhin 62 Prozent der Unternehmen können sich darüber freuen, ihre Umsatzziele in diesem Jahr zu übertreffen. Im gleichen Zuge sagten zwar auch 55 Prozent, dass sie mehr Projektstornierungen zu verkraften hatten als erwartet, aber die Auftragsbücher sind eben nach wie vor gut gefüllt, Arbeit ist mehr als genug vorhanden. Die Steigerung von Bau- und Materialkosten – das Statistische Bundesamt vermeldete für den Bereich Neubau hierzu gerade satte 16,5 Prozent binnen eines Jahres – konnten die Unternehmen weitestgehend an den Markt weitergeben. Ebenfalls 62 Prozent büßen aufgrund von Lieferengpässen und Materialknappheit zwar an Produktivität ein, aber auch hier steuern einige Unternehmen bereits gegen, indem sie beispielsweise auf mehr Baustellen gleichzeitig arbeiten als zuvor.