Sie sprechen Punkte wie Fachkräftemangel, Digitalisierungsstand und die lange Liegezeit von Anträgen an …
Das gehört sicherlich dazu. Aber man muss auch ehrlich bleiben. Ein Bürgermeister einer kleineren Kommune etwa muss natürlich im Blick behalten, dass die Menschen vor Ort mitgenommen werden und diese Projekte mittragen. Bürgerbeteiligungsmodelle sind eine Option. Insgesamt gehen die Herausforderungen über den reinen Verwaltungsablauf hinaus und betreffen das gesamte Setting. Hier müssen wir noch eine Menge dazulernen, mehr kommunizieren und deutlicher machen, warum das, was wir tun, sinnvoll ist. Natürlich spielen auch die genannten Themen eine Rolle.
Stichwort Bürgerbeteiligung: Ist das eine Option in Ihrem Modell?
Auch hier ein klares Ja. Wenn das gewünscht ist und wir vor Ort solche Projekte realisieren, sind wir bereit, auch einen Teil über ein Bürgerbeteiligungsmodell an die Menschen vor Ort abzutreten. Wir haben kürzlich unser erstes Greenfield-Projekt erworben. Dort gibt es keine alten Anlagen, vielmehr wollen wir mit einem Entwickler moderne Windanlagen errichten. Dort überlegen wir gerade mit den Kommunen, wie man solche Bürgerbeteiligungsmodelle umsetzen kann. Wenn die Menschen sich schon die Anlagen ansehen müssen – und so schön sind sie nun mal nicht, da muss man ehrlich bleiben –, dann ist ein Bürgerbeteiligungsmodell sicherlich eine gute Chance, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort einzubinden.
An allen Ecken und Enden werden momentan die Lieferkettenproblematik und die Verfügbarkeit von Rohstoffen thematisiert. Wie hart trifft Sie das im Windenergieausbau?
Die gesamte Industrie leidet natürlich darunter. Auf der anderen Seite lässt sich vieles in den Griff bekommen, wenn man mit den großen Herstellern redet, über längere Partnerschaften verfügt und frühzeitig bestellt. In diesem Zusammenhang halte ich übrigens den Ansatz der Bundesregierung für absolut richtig, jetzt zu helfen und die Produktion von Unternehmen beispielsweise mittels Abnahmegarantien abzusichern. In unserem Segment halte ich es ohnehin für sehr unwahrscheinlich, dass der Markt die Anlagen nicht abnimmt. Das kann nur passieren, wenn der Ausbau der Windenergie über gesetzliche Regelungen wieder heruntergefahren würde.
Welche Bedeutung hat der Netzausbau? Und denken Sie bei NeXtWind über vertikale Integration nach?
Das ist in der Tat ein schwieriges Thema. Der Netzausbau hat nicht schnell genug stattgefunden. Das bezieht sich nicht nur auf Übertragungsnetze, sondern das Spiel fängt in den Verteilnetzen an. Wenn jetzt massiv Photovoltaik ausgebaut wird, in Kombination mit dem jüngst verkündeten Verbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024, dann werden wir ein exponentielles Wachstum von Wärmepumpen im System sehen. Die Verteilnetzbetreiber werden dadurch enorme Probleme bekommen. Hier zeigt sich das größte Problem der Energiewende: Sie wurde und wird nicht ganzheitlich und nicht in Abhängigkeiten voneinander gedacht. Wie sichern wir etwa Zeiten ab, in denen kein Wind weht, keine Sonne scheint? Lange fehlten Gesamtkonzepte, wie man sie in jedem Industrieunternehmen und auch im Mittelstand entwerfen würde.
Um das noch einmal auf NextWind zu beziehen: Wir merken, dass wir ein integrierter Energieversorger werden müssen und Versorgungssicherheit anbieten können. Das heißt, dass wir Wind mit Photovoltaik verbinden müssen, Wind mit Batteriespeicherprojekten, Wind perspektivisch auch mit lokalen Wasserstoffprojekten usw. Hier hoffe ich, dass die Bundesregierung mehr in diese Richtung fördern wird, mehr unterstützen wird, damit wir, um in der alten Energiesprache zu bleiben, grundlastfähige Strukturen anbieten können.
Welche Investitionsbedingungen würden Sie sich generell wünschen?
Der Staat setzt die Rahmenbedingungen und in diesem Rahmen haben wir uns zurechtzufinden – und werden das auch. Absolutes Gift, vor allem für langfristig orientierte Investoren, ist jedoch, wenn permanent die Rahmenbedingungen verändert werden. Das ist doppelt gefährlich, weil sich dadurch Unsicherheit im Markt breitmacht. Wie schnell Unternehmen auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können, zeigt zum Beispiel das Unternehmen Vaillant, das die Produktionskapazität für Wärmepumpen verdoppelte. Die Produktion soll auf 500.000 Einheiten pro Jahr steigen.
Gehen Sie davon aus, dass wir die Klimaziele der Bundesregierung erreichen?
Ich bin 63 Jahre alt und habe zwei Enkelkinder. Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass wir sie schaffen. Also gehe ich mal davon aus, dass es gelingt. Ich will es auch unterlegen: Zum einen werden die Rahmenbedingungen jetzt so gesetzt, dass wir einen erheblichen Ausbau bei den Erneuerbaren sehen und weiter sehen werden. Die Netzseite haben wir diskutiert, da muss sicherlich noch einiges gemacht werden. Zum anderen sollte man auch sehen, was in den letzten Jahren schon alles passiert ist. Das wird schnell übersehen. Daher glaube ich, wir werden das hinbekommen. Das ist meine tiefe Überzeugung. Optimistisch stimmt mich auch, dass dieses Land in Krisenzeiten immer wieder gezeigt hat, dass wir zusammenstehen und reagieren können, auch wenn manche Dinge schmerzhaft sind und vielleicht nicht so rund laufen.
Vielen Dank für das Gespräch!