Während Nachhaltigkeit bereits seit Jahren unser Einkaufsverhalten in vielen Bereichen wie der Mobilität, bei Lebensmitteln oder sogar bei Kleidung prägt, steckt dieser Trend bei Finanzen und Versicherungen noch in den Kinderschuhen. Zwar gewinnt Nachhaltigkeit in der Versicherungsindustrie aufgrund der zunehmenden Regulatorik immer weiter an Bedeutung, doch beim Endkunden kommt davon noch wenig an. So sollen beispielsweise mit der IDD- Änderungsverordnung (IDD = Insurance Distribution Directive), die seit 2. August 2022 in der EU gilt, über die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden in der Versicherungsanlageberatung nachhaltige Investitionen gefördert werden.
Allerdings zeigt ein EY Mystery Shopping, dass zwei Monate nach Umsetzungspflicht ein Großteil der Berater dieser Pflicht bisher nicht nachkommt. Sicherlich ist die Nachhaltigkeitsregulatorik sehr kompliziert und für die Branche nicht ganz leicht umsetzbar. Darüber hinaus wird von den Vermittlern häufig angebracht, dass die kundenseitige Nachfrage (noch) sehr gering sei: Aus Sicht der Industrie verstehen Kunden weder den Zusammenhang zwischen Finanz- und Versicherungsprodukten und (nachhaltigem) Verhalten der Wirtschaft noch sind sie bereit, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen. Doch stimmt das wirklich? Liegt für die Versicherungsindustrie in der Nachhaltigkeit nicht eher ein immenses Potenzial? Und wie muss sich der Versicherungsvertrieb an die neuen Bedürfnisse anpassen, um davon zu profitieren?
Faktencheck zur Nachfrage für nachhaltige Versicherungsangebote
EY wollte es genauer wissen. Dazu haben wir eine repräsentative Konsumentenstudie mit 2.000 Privatkunden in Deutschland durchgeführt und die Einstellung hinsichtlich Nachhaltigkeit von Versicherungsprodukten unter den Privatkunden beleuchtet. Zur Nachfrage wurden drei wesentliche Erkenntnisse gewonnen:
- Konkret zu nachhaltigen Versicherungsprodukten gefragt, gaben 24,4 Prozent der Befragten an, bereits ein oder gar mehrere nachhaltige Versicherungspolicen abgeschlossen zu haben.
- Betrachtet man diejenigen, die in den kommenden zwölf Monaten tatsächlich planen, ein neues Versicherungsprodukt abzuschließen, würden über 90 Prozent ein vergleichbares nachhaltiges Versicherungsprodukt wählen – unabhängig von Geschlecht oder Alter.
- Das vielleicht Interessanteste daran: 39,1 Prozent aus dieser Gruppe gaben an, dass sie sogar bereit seien, einen Aufschlag für das nachhaltige Produkt zu bezahlen.
Ein Blick auf die Studienergebnisse und Beobachtungen von EY macht klar: Im Versicherungsmarkt steht ein Wandel bevor, getrieben von den Kunden und ihren Nachhaltigkeitsbedürfnissen. Es ist bereits heute eine Nachfrage für nachhaltige Versicherungslösungen vorhanden und auch die entsprechende Zahlungsbereitschaft, mit ausgeprägtem Potenzial für die Anbieter – finanziell, aber auch zur Emotionalisierung der Kundenbeziehung. Dass ein Premiumpreis für Nachhaltigkeit jedoch nicht unbedingt nötig ist, zeigt ein Blick auf den Markt, wo aktuelle Angebote an nachhaltigen Sachversicherungs- und Anlageprodukten bereits zu vergleichbaren Prämien angeboten werden.