Fokusakteur Kommune
Ein weiterer Stakeholder, dem vor allem in ländlicheren Regionen eine hohe Bedeutung zukommt, ist die Kommune. So wurden für eine flächendeckende Versorgungssicherung 2011 auch Kommunen zur MVZ-Gründung berechtigt. Durch den damit entstehenden Handlungsspielraum zur Gestaltung ihrer Gesundheitsstrukturen können sie selbst aktiv einer möglichen Unterversorgung von Regionen entgegenwirken. Zusätzlich bringt ein MVZ versorgungspolitische Vorteile. Indem ein kommunales MVZ die Gesundheitsversorgungsdichte und -verfügbarkeit durch eine wohnortnahe Versorgung erhöht, lassen sich etwa mögliche Arbeitsausfallkosten vermeiden.12
Die zuvor erwähnte Unterversorgung in ländlichen Gebieten lässt sich vor allem auf den Fachkräftemangel zurückführen. Der Wunsch nach einem urbanen Umfeld oder fehlende flexible Arbeitsverhältnisse halten vor allem junge Ärzte von kleineren Kommunen fern. Dabei ist gerade hier eine ambulante Versorgung notwendiger denn je, da wegen des demografischen Wandels und der abwandernden jüngeren Generationen ein hoher Altersschnitt und damit auch eine gewisse Immobilität und Morbidität vorliegt.13 Insgesamt ist der Versorgungsbedarf ländlicher Regionen aufgrund einer geringen Bevölkerungsdichte und damit geringer Fallzahlen zudem meist nicht ausreichend, um die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses zu sichern. Ein MVZ kann in diesen Regionen nicht nur die Problematik des Fachkräftemangels durch die Bereitstellung eines flexiblen Arbeitssettings mildern, sondern ermöglicht auch die ambulante Übernahme kleinerer Eingriffe. Sollte dann eine stationäre Aufnahme notwendig sein, kann das MVZ auch eine überweisende Funktion einnehmen und damit die Versorgung einer Region nahezu vollumfänglich sichern.
Fokusakteur Vertragsarzt
Vertragsärzte sind weitere zentrale Marktteilnehmer, bei denen sich durch den Generationenwechsel eine Veränderung des bevorzugten Arbeitsmodells ergibt: Hin zu mehr Flexibilität, weniger Selbstständigkeit. Mit der Anstellung in einem MVZ können Vertragsärzte nicht nur ein flexibles Arbeitsverhältnis eingehen, sondern auch eine risikobehaftete Praxisneugründung umgehen. Die Anstellung ermöglicht es Ärzten, eine erhöhte administrative und betriebswirtschaftliche Organisation, die mit einer Anstellung im Krankenhaus oder einer Praxisgründung einhergehen würde, zu vermeiden und sich vollends auf die Patientenbehandlung zu konzentrieren.
Dabei können auch Vertragsärzte ein MVZ gründen und Teilhaber sein, was einige Vorteile birgt. Durch die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten, personellen Ressourcen und Geräten entstehen z. B. Synergieeffekte, die letztendlich Kosten einsparen.
Zusätzlich wird der Austausch zwischen den Fachrichtungen und damit auch eine vernetzte und interdisziplinäre Versorgung gefördert. Auch hier gilt es, einen strategischen Ansatz zu definieren, um die Nachhaltigkeit des MVZ zu gewährleisten.
Fokusakteur Patient
Neben den Vorteilen für die Akteure der Leistungserbringung bietet ein MVZ auch einen großen Nutzen für die Leistungsempfängerseite und damit für den Patienten. So wird neben einer interdisziplinären auch eine wohnortnahe Versorgung sichergestellt, die im Zuge des demografischen Wandels an Bedeutung gewinnt. Besonders in ländlichen Regionen sind die Wege zu Krankenhäusern länger. Dazu sollten viele Behandlungen und Voruntersuchungen auch im Interesse des Patienten zunächst ambulant abgebildet werden. Das MVZ bietet hier alle Möglichkeiten und lässt auch weniger mobile Patienten von der Erreichbarkeit profitieren. Hinzu kommen die Abstimmungsmöglichkeiten für Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, was mit einer hochwertigeren, patientenorientierteren und breiteren Versorgung einhergeht. Gerade in unterversorgten Gebieten stellt ein MVZ einen leicht zugänglichen Ansprechpartner dar, der mithilfe eines weiten Leistungsspektrums Patientenpfade durch fachübergreifende Praxisstrukturen oder auch einer guten Vernetzung mit den umliegenden Krankenhäusern verkürzt und die Versorgung aus einer Hand erleichtert.
Bleibt festzuhalten, dass die verschiedenen Stakeholder auf dem Gesundheitsmarkt durchaus unterschiedliche Interessen haben. Dennoch wird deutlich, dass alle von der Versorgungsform MVZ profitieren können, wenn ein ganzheitlicher, durchdachter Ansatz gewählt und umgesetzt wird.
MZV bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten
Die Gestaltungsmöglichkeiten von MVZ sind vielfältig und bieten den Leistungserbringern die Chance zu einer den individuellen Bedürfnissen angepassten unternehmerischen Weiterentwicklung. Die Patienten können hingegen von einer intersektoralen und optimierten Versorgung profitieren. Bei der Gründung von oder der Beteiligung an MVZ gibt es vieles zu beachten: Neben den benannten Interessen, Herausforderungen und Potenzialen müssen auch die komplexen und sich stetig verändernden rechtlichen Rahmenbedingungen im Blick bleiben. Es gilt, sowohl die rechtlichen Möglichkeiten als auch die Grenzen der Ausgestaltung zu kennen und die sich daraus ergebenden Chancen und Risiken hinreichend abzuwägen.
Dieser Artikel bildet den Anfang einer Fachartikelserie zum Thema MVZ. Im kommenden Point of View erläutern wir im Rahmen des EY- „4-Phasen-Modells zur MVZ-Gründung“, welche Perspektiven bei der Gründung näher beleuchtet und auch hinterfragt werden sollten. Dann liegt unser Fokus auf dem Akteur Krankenhaus, wobei wir die im Rahmen unseres Phasenmodells definierten Handlungsfelder anhand praxisbezogener Beispiele vorstellen, um mögliche Handlungs- und Lösungsoptionen zu skizzieren.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und Freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!