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Wie ESG im Treasury und bei der Finanzierung Einzug hält

Nachhaltigkeit wird bei der Finanzierung wichtiger. Unternehmen sollten das in der Strategie berücksichtigen und Fortschritte kommunizieren.


Überblick

  • Geldgeber koppeln Kreditkonditionen immer häufiger an Nachhaltigkeitsziele und die Fortschritte bei deren Erreichung.
  • Treasurer in Unternehmen sollten sich darauf vorbereiten. Neben einer klaren ESG-Strategie gewinnt die Erhebung, Verarbeitung und Kommunikation der entsprechenden Daten an Bedeutung.
  • Auch ESG-Ratings schaffen neue Anforderungen an das Treasury. Es wird aber mit neuen Optionen bei der Finanzierung belohnt.

An den drei Buchstaben kommt keiner mehr vorbei: E wie Environmental oder Umwelt, S wie Social oder soziale Themen und G wie Governance oder verantwortungsvolle Unternehmensführung. Zahlreiche neue Aspekte sind in den vergangenen Jahren in den Fokus von Unternehmen und Aufsichtsbehörden gerückt, von den Folgen des Klimawandels bis zur Vielfalt bei Mitarbeitenden, von Biodiversität bis zu Unternehmensstrukturen, von Ressourcenverbrauch bis zum Code of Conduct.

Investoren, Kunden und Mitarbeitende erwarten, dass Produktion und Administration nachhaltiger gestaltet werden, ESG-Risiken stecken in der Lieferkette und in Governance-Modellen, Risikomanagement, Compliance und die Interne Revision nehmen sich des Themas genauso an wie die Regulierungsbehörden.

Geldgeber koppeln Finanzierung an Nachhaltigkeit

Auch im Treasury gewinnt ESG an Bedeutung. Investoren stellen sowohl bei Fremd- als auch beim Eigenkapital zunehmend Anforderungen an die Nachhaltigkeit einzelner Projekte und des Gesamtunternehmens. Die Treasurer sollten darauf vorbereitet sein, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt.



Investoren stellen sowohl bei Fremd - als auch beim Eigenkapital zunehmend Anforderungen an die Nachhaltigkeit einzelner Projekte und des Gesamtunternehmens. Die Treasurer sollten darauf vorbereitet sein, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt.



Unterscheiden lassen sich zwei Arten von Finanzierungsinstrumenten, die an Bedingungen zur Nachhaltigkeit geknüpft sind:

Green Bonds und Green Loans sind mit dem Finanzierungszweck verknüpft

Die erste Gruppe, sogenannte Green Bonds oder Green Loans, sind direkt an den Zweck der Finanzierung gekoppelt. Eingesetzt werden sie beispielsweise für Investitionen in Windkraftwerke oder Solarparks. Auch bei Infrastrukturprojekten finden sie Verwendung, etwa um den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen oder ein öffentliches Verkehrssystem aufzubauen. Auch der Bau einer neuen, CO2-neutralen Werkshalle gehört hierzu.

Ähnlich funktionieren Social Bonds und Social Loans. Hier liegt der Schwerpunkt nicht auf Ökologie, sondern auf einer besseren sozialen Versorgung, insbesondere bei Projekten im Gesundheits- und Bildungswesen oder im sozialen Wohnungsbau.

Gemeinsam ist beiden Formen von Krediten und Anleihen, dass sie an ein konkretes Projekt, einen bestimmten Zweck gebunden sind („specified use of proceeds“); ihr Einsatz unterliegt damit naturgemäß engen Grenzen.

Sustainability-Linked Loans stehen unabhängig vom Projekt zur Verfügung

An Bedeutung gewinnt daher eine zweite Form der Finanzierung: Sustainability-Linked Loans (SLLs). Die Konditionen des nachhaltigen Kredits werden dabei an das Erreichen ehrgeiziger, vorab definierter Nachhaltigkeitsziele, der Sustainability Performance Targets (SPT), geknüpft, die an Leistungsindikatoren (KPIs) gekoppelt sind. Die SPT sollten ambitioniert sein und über einen „Business as usual“-Pfad hinausgehen, an eine Benchmark und einen vordefinierten Zeitplan gekoppelt werden, aber auch im Einklang mit der allgemeinen Nachhaltigkeits-/ESG-Strategie des Unternehmens (Darlehensnehmers) stehen. Als externe Bezugsgrößen, die innerhalb eines definierten Zeitraums erreicht werden müssen, zählt zum Beispiel das immer häufiger formulierte Ziel von Betrieben, bis 2030, 2035 oder 2040 netto keine Treibhausgase (Emissionen der Scopes 1 bis 3) mehr auszustoßen oder komplett klimaneutral zu arbeiten. Mit Zwischenzielen lässt sich diese Vorgabe auf kürzere Zeiträume herunterbrechen. Für viele Branchen sind darüber hinaus spezifische Ziele möglich, etwa der Einsatz von Wärmepumpen bei einem Energieversorger oder die Palette an Fahrzeugen mit Elektroantrieb bei Automobilherstellern.

Üblicherweise werden drei bis fünf KPIs vereinbart, die sich auf Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung beziehen können. Aber auch eine Kombination der drei Faktoren ist denkbar. Ausgewählt werden sie passend zum Industriezweig des Kreditnehmers. Sie sollten dabei auch wesentlich für das Gesamtgeschäft des Darlehensnehmers beziehungsweise maßgeblich für die Strategie des Gesamtunternehmens sein. Wichtig ist, dass eine klare Definition der KPIs vorliegt, der anwendbare Umfang und die Berechnungsmethode transparent sind und ein Benchmarking möglich ist.   

Für jeden vereinbarten KPI muss ein SPT festgelegt werden, und zwar so, dass es für die gesamte Laufzeit des Darlehens relevant bleibt. In fest definierten Ausnahmefällen können auch ein oder mehrere SPTs neu festgelegt werden.

Neue Kennziffern gewinnen an Bedeutung

Zunächst wurden häufig ESG-Ratings als Leistungsindikator genutzt. Inzwischen greifen Kreditgeber stärker auf speziellere Kennziffern zurück. Die Beispiele reichen von der Anzahl von Frauen in Leitungsfunktionen über den Wasserverbrauch des Gesamtbetriebs bis zum Ausstoß von CO2 im Unternehmen und bei Zulieferern. Bei der Festlegung der Zielgrößen und der Prüfung der Fortschritte setzen Investoren oft auf spezialisierte Dritte. Diese helfen, passende Indikatoren auszuwählen und auch die Validierung der Ziele zu prüfen.

Fortschritte beeinflussen Zinsgestaltung

Für die Kreditkonditionen sind die vereinbarten Kennziffern entscheidend. Zunächst gilt für SLLs ein Zins in Abhängigkeit von der Bonität des Unternehmens. Während der Laufzeit kann er um einige Basispunkte sinken, wenn das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsziele wie geplant erreicht und dies von einem externen Dritten evaluiert und bestätigt wird. Umgekehrt steigt die Verzinsung, wenn die gesetzten Vorgaben verfehlt werden. Denkbar sind in diesem Fall auch andere finanzielle Folgen, etwa Kompensationszahlungen an Organisationen, die sich für Nachhaltigkeit starkmachen.


Zunächst gilt ein Zins in Abhängigkeit von der Bonität des Unternehmens. Während der Laufzeit kann er um einige Basispunkte sinken, wenn das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsziele wie geplant erreicht und dies von einem externen Dritten evaluiert und bestätigt wird. Umgekehrt steigt die Verzinsung, wenn die gesetzten Vorgaben verfehlt werden.


Der Markt für SLLs dürfte in den kommenden Jahren noch deutlich wachsen. Dies wird besonders durch  die Erweiterung der nichtfinanziellen Berichterstattung durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gefördert, die zu mehr Transparenz bei den verwendeten ESG-relevanten KPIs führt. Sie werden damit einfacher zu bewerten sein.

Auch die Finanzbranche steht unter ESG-Druck

Aufgrund zunehmender politischer, regulatorischer und gesellschaftlicher Anforderungen im ESG-Umfeld nimmt auch bei Banken und Finanzdienstleistern der Druck zu, einerseits ihr Geschäftsmodell nachhaltiger zu gestalten und andererseits Nachhaltigkeitsaspekte im Kreditvergabe- und im Investmentprozess zu berücksichtigen. So müssen Banken beispielsweise zukünftig im Rahmen ihrer nichtfinanziellen Erklärung nicht nur angeben, wie hoch der Anteil EU-Taxonomie-fähiger Kredite ist, sondern unter anderem auch, wie hoch die Taxonomie-Konformität ist (Ausweis der sogenannten Green Asset Ratio).

Notenbanken setzen auf Nachhaltigkeit

Ergänzt werden die Vorgaben der Regulierungsbehörden durch die Anforderungen der Notenbanken. Auch für sie rücken die Risiken des Klimawandels in den Blick. Verstärkt kaufen sie inzwischen Green Bonds und nutzen Green Loans als Sicherheiten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erst im Juli 2022 erklärt, dass sie künftig bei Ankäufen von Unternehmensanleihen, im Sicherheitenrahmen, bei Offenlegungspflichten und in der Risikosteuerung den Klimawandel berücksichtigen wird. Der Schritt steht im Einklang mit dem EZB-Maßnahmenplan zum Klimawandel, der Finanzrisiken reduzieren, die Transparenz verbessern und den grünen Wandel der Wirtschaft unterstützen soll. Unabhängig von diesen äußeren Zwängen setzen sich auch Banken verstärkt „Netto-null-Ziele“ und andere an den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen ausgerichtete Vorgaben. Diese Ambitionen lassen sich vor allem über die Ausrichtung der Kreditportfolios erreichen.

ESG-Ratings gewinnen an Bedeutung

Für das Treasury bedeuten all diese Entwicklungen: Es muss sich darauf einstellen, dass ESG-relevante Kennzahlen noch weiter an Bedeutung gewinnen und dass seine Geldgeber diese Aspekte immer häufiger in Finanzierungsvereinbarungen aufnehmen.

In den Blick nehmen sollten sie dabei auch ESG-Ratings. Diese Bewertungen werden immer wichtiger und sie funktionieren nach anderen Regeln als die klassischen Kreditratings. Im Markt ist eine Reihe von Anbietern aktiv, die jeweils ihre eigenen Schwerpunkte setzen. Sie arbeiten mit unterschiedlichen Reichweiten, Umfängen und Datenquellen – und nutzen unterschiedliche Methoden zur Erhebung der Daten („outside-in“ vs. „inside-out“), zur Datenverarbeitung (Gewichtung der Daten und zum Beispiel Umgang mit fehlenden Daten) und zur Auswahl der Bewertungskriterien (fix vs. variabel).  Anders als klassische Bonitätsratings unterscheiden sich die Ergebnisse verschiedener Anbieter für ein Unternehmen daher häufig deutlich. Entsprechend wichtig ist es für das Treasury, die verschiedenen Anbieter zu vergleichen, relevante Anbieter zu identifizieren und ihre Schwerpunkte herauszuarbeiten. Im nächsten Schritt gilt es abzuwägen, was für das Unternehmen passt und wie es sich richtig auf das Rating vorbereitet.

Externe vs. interne Daten

Grundsätzlich gibt es zwei Herangehensweisen, um Daten für die Ratingerstellung zu erheben: „Unsolicited“ ist eine Ratingmethodik basierend auf öffentlich zugänglichen Informationen („outside-in“). In die Recherche des Anbieters ist das Unternehmen nicht eingebunden. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen ihre ESG-bezogene Kommunikation hinterfragen und schärfen.

Bei der Erhebung von „Solicited“-Ratings werden die Daten per Fragebogen erhoben, die von den Unternehmen auszufüllen und einzureichen sind („inside-out“). Hier ist es vor allem wichtig, klare Verantwortlichkeiten und Prozesse zu schaffen sowie Ergebnisse möglichst transparent zu machen. Datenqualität und Transparenz verbessern das Rating direkt. Zudem leistet Benchmarking Unterstützung, mit dem sich weiteres Verbesserungspotenzial identifizieren lässt.

Anbieter setzen eigene Schwerpunkte – divergierende Ergebnisse

Ein Vergleich von fünf Anbietern verdeutlicht die Unterschiede: S&P/DJSI und CDP nutzen Fragebögen mit bis zu 140 Fragen, MSCI, Sustainalytics und Refinitiv nutzen öffentlich zugängliche Informationen. Im Ergebnis steht bei S&P/DJSI und Sustainalytics ein Ergebnis zwischen 0 und 100, die übrigen drei Anbieter nutzen Buchstabenkombinationen, um die Qualität zu beschreiben.

Erhebliche Bandbreite
ESG-Indikatoren fragen einige Ratingagenturen ab, andere nur zehn.

Für Unternehmen geht es zunächst darum, sich mit den Rating-Providern und ihrem Prozess auseinanderzusetzen. Dabei sollten sie die für sie relevanten Agenturen identifizieren, die zu ihrer Nachhaltigkeitsstrategie passen, und deren Methodik verstehen. So kann der Ratingprozess am besten begleitet werden.

 

Aufwand kann sich rasch auszahlen

 

Vor dem damit verbundenen Aufwand sollten Unternehmen nicht länger zurückschrecken, denn die Regulatorik rund um ESG schreitet weiter fort. Kontinuierlich gewinnt das Thema an Bedeutung und damit wird auch die Transparenz von ESG-Indikatoren immer wichtiger. Die Mühe macht sich bezahlt: Schließlich unterstützt ein positives ESG-Rating das Unternehmen nicht nur am Kapitalmarkt und bei der Kreditfinanzierung, sondern auch in der Wahrnehmung von weiteren Stakeholder-Gruppen wie beispielsweise Mitarbeitenden und Kunden.

Fazit

Für die Unternehmensfinanzierung gewinnt Nachhaltigkeit rasch an Bedeutung, sowohl bei Fremd- als auch beim Eigenkapital. Schließlich gehört das Kreditportfolio zu den Stellschrauben, die Geldgeber am ehesten regulieren können. Unternehmen sollten die Fragestellungen in ihrer Strategie berücksichtigen, transparent mit Daten umgehen und die Konzepte der ESG-Ratingagenturen vergleichen. Langfristig winken Vorteile bei der Finanzierung. 

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