Containerschiff auf dem Meer

Worauf es für Unternehmen beim Lieferkettengesetz jetzt ankommt

2024 greift das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Wer noch Handlungsbedarf hat, sollte starten.


Überblick

  • Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) soll Menschenrechte in globalen Lieferketten wahren; einbezogen werden auch einige ökologische Komponenten.
  • Für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten ist es seit 2023 in Kraft, ab 2024 gilt es auch für kleinere mit mehr als 1.000 Beschäftigten.
  • Eine Risikoanalyse aus der „Inside-out“- und der „Outside-in“-Perspektive ist der Ansatzpunkt für ein funktionierendes Risikomanagement im Rahmen des LkSG.

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – ein Wortungetüm, hinter dem eine große und wichtige Aufgabe steckt: Es verpflichtet große Unternehmen in Deutschland, ihre Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Menschenrechte und einige ökologische Aspekte einzuhalten – hinsichtlich ihrer globalen Lieferketten wie auch ihres eigenen Geschäftsbereichs. Seit Januar 2023 gilt das Gesetz für die rund 700 Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten, die ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland haben. Mit Beginn des Jahres 2024 tritt es auch für kleinere Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten in Kraft – und betrifft dann rund 2.900 Organisationen hierzulande. Was bedeutet das für Ihr Geschäftsmodell und welche Governance müssen Sie jetzt aufsetzen, um rechtzeitig vorbereitet zu sein?

Zum Hintergrund: Mit dem „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) stellte die Bundesregierung freiwillige Anforderungen zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht an Unternehmen. EY führte hierzu von 2018 bis 2020 ein Monitoring durch. Heraus kam, dass lediglich 13 bis 17 Prozent der Unternehmen dem NAP nachkamen. Dieses Ergebnis war die Initialzündung für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Unternehmen müssen ab 2024 der Sorgfaltspflicht nachkommen.

Extrahieren lässt sich der Gesetzesinhalt auf die Begriffe Fairness und Verantwortung – Verantwortung dafür, dass Produktion, Zulieferung und Rohstoffgewinnung im In- und Ausland nicht zulasten der Menschen vor Ort gehen. Für mittelbare Zulieferer gilt hierbei eine abgestufte Sorgfaltspflicht, für unmittelbare Zulieferer und den eigenen Geschäftsbereich eine umfassende. Das LkSG umfasst die Achtung von Menschenrechten und will unter anderem Kinder- und Zwangsarbeit sowie Sklaverei, Missachtung des Arbeitsschutzes und das Vorenthalten angemessener Bezahlung verhindern. Es bezieht den Einsatz von Quecksilber und die Ausfuhr gefährlicher Abfälle ein und endet beim Bürobedarf am deutschen Standort – auch Papierhersteller sind Lieferanten.

Kontrollinstanz zur Einhaltung des LkSG ist das Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA), das dafür nicht nur Auskünfte und Unterlagen anfordern kann, sondern bei Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten auch Bußgelder in Höhe von bis zu 8 Millionen Euro oder 2 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes (bei Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz) verhängt – und das nicht erst bei einem menschenrechtlichen Verstoß, sondern beispielsweise bereits, wenn das Unternehmen keine Möglichkeit für ein Beschwerdeverfahren einrichtet. Jedes Unternehmen, das dem LkSG verpflichtet ist, muss einen jährlichen Bericht hierzu an das BAFA abgeben, umgekehrt hat die Behörde Handreichungen zur Umsetzung bereitgestellt.

Beim LkSG an erster Stelle: Risikoanalyse und Risikomanagement

Ganz oben auf der To-do-Liste zur Umsetzung der Sorgfaltspflicht im Sinne des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes steht die Risikoanalyse. In ihrer klassischen Variante ist sie üblicherweise bereits im Unternehmen implementiert: Durch die „Outside-in“ Perspektive werden beispielsweise Compliance-, Liquiditäts-, Reputations- oder Marktrisiken bewertet, die von außen auf das Unternehmen abzielen.

Eine Risikoanalyse für das LkSG nimmt (zusätzlich) den „Inside-out“-Blickwinkel ein, stellt dabei vulnerable Gruppen ins Zentrum und eruiert die Auswirkungen des Unternehmens und seiner Lieferkette auf das Umfeld beziehungsweise auf die involvierten Personen – eben von innen nach außen. Je besser beide Perspektiven ineinandergreifen, desto effizienter können die Prozesse gestaltet werden, um Risiken zu minimieren oder für Abhilfe zu sorgen. Die Nachhaltigkeitsabteilung, der Einkauf und das Risikomanagement arbeiten hierfür häufig zusammen, hilfreich ist oft die zusätzliche Einbindung von Sales, IT, Human Resources, Compliance und Legal. Wichtig ist, dass alle Beteiligten das Projektdesign gemeinsam entwerfen und den Umsetzungspfad klar definieren.

Zu den festgelegten Sorgfaltspflichten im LkSG gehören regelmäßige Risikoanalysen, um menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei den unmittelbaren Zulieferern zu ermitteln. Kernaspekte sind hierbei die folgenden:

  • angemessene Priorisierung und Gewichtung der ermittelten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken
  • interne Kommunikation der Ergebnisse der Risikoanalyse an die maßgeblichen Personen, die die Entscheidungen tragen
  • jährliche sowie anlassbezogene Durchführung, wobei sich „anlassbezogen“ auf Fälle bezieht, in denen ein Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder erweiterten Risikosituation im eigenen Geschäftsbereich oder in der Lieferkette rechnen muss

Im ersten Schritt werden anhand dieser Risikoanalyse das Bruttorisiko und vorhandene Kontrollen ermittelt. Auf der Basis dieser Informationen lässt sich das Nettorisiko herausfiltern, das in Kategorien (zum Beispiel hoch/mittel/gering) unterteilt wird, um daraus wirksame Präventions- und Monitoring-Maßnahmen abzuleiten. Nach §§ 6 und 7 LkSG haben Unternehmen gegen identifizierte Risiken Abhilfe zu leisten und diese auch zu überwachen – und zwar umso intensiver, je größer das Risiko ist. Hierfür ist ein enger Austausch mit den relevanten Stellen im eigenen Geschäftsbereich beziehungsweise zwischen dem Unternehmen und seinen Lieferanten unerlässlich. Die Monitoring-Instrumente reichen von einer Nachrichtenanalyse über Selbstauskünfte bis hin zu entsprechenden Zertifikaten, verschärften Vertragsklauseln, erweiterten Policen und Guidelines. Führen die Maßnahmen zu keiner Besserung, muss die Lieferantenbeziehung im Zweifelsfall beendet werden.

Die Digitalisierung erleichtert dabei sowohl die Risikoanalyse als auch das Risikomanagement: Geeignete Tools können Daten sammeln und einordnen, woraus sich fundierte Entscheidungen und höhere Transparenz ergeben. Das vereinfacht am Ende auch die Berichterstattung.

Zu den weiteren Schritten in Richtung Sorgfaltspflicht gehört die Veröffentlichung einer Grundsatzerklärung jedes Unternehmens, dass das Lieferkettengesetz befolgen muss. Vorweg sollte die Zuständigkeit für die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfalt bestimmt werden, beispielsweise mit dem Titel einer/eines Menschenrechtsbeauftragten. Weiterhin gehört zu den Pflichten, ein Beschwerdeverfahren einzurichten und Informationen darüber publik zu machen.

Das Lieferkettengesetz ist die Lok, bis die EU zum Zug kommt

Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hat Deutschland innerhalb der EU  eine Vorreiterrolle eingenommen. Dass es dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich schwächen könnte, wie Gegner betonen, ist nur die halbe Wahrheit. Natürlich ist die Umsetzung mit Kosten und Aufwand verbunden, aber ohne sie kann keine Transformation gelingen.

Zur anderen Hälfte der Wahrheit zählt, dass gerade junge Konsument:innen zunehmend auf nachhaltige Werte der Unternehmen achten, deren Produkte sie kaufen. Gleiches gilt für Bewerber:innen in Zeiten des Fachkräftemangels. Die Europäische Union steht dazu mit noch deutlich ambitionierteren EU-Richtlinien in den Startlöchern, die in schätzungsweise rund drei Jahren verabschiedet werden. Dann gelten in der EU Nachhaltigkeitspflichten für insgesamt 17.000 Unternehmen und mit einer doppelten Anzahl Menschenrechts- und Umweltkonventionen als Grundlage, das Klimaziel von 1,5 Grad Celsius gleich noch dazu. Bei der Umsetzung des LkSG ist es daher ratsam, skalierbare Lösungen im Sinne dieser EU-Richtlinie mindestens schon einmal ins Auge zu fassen. Denn ein Zurück wird es nicht mehr geben. Schließlich geht es um Verantwortung und Fairness in einer globalisierten Welt. Die Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wertschöpfung dient uns allen. 

Fazit

Bevor in wenigen Jahren eine neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeit in Unternehmen und deren Lieferkette greifen wird, hat Deutschland bereits das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verabschiedet – eine Vorreiterrolle, die es jetzt auszufüllen gilt. Elementar hierfür ist eine strategisch optimal aufgesetzte Risikoanalyse, die zusätzlich eine „Inside-out“-Perspektive braucht.

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