Als zweiter Teil des umfangreichen Maßnahmen-Pakets für eine vereinfachte Steuergesetzgebung hat die Europäische Kommission neben der BEFIT einen Richtlinienvorschlag für EU-weit einheitliche Verrechnungspreisregelungen veröffentlicht.
Trotz internationaler Bemühungen um Vereinheitlichung des Fremdvergleichsgrundsatzes und der Besteuerung von Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, nehmen die Verrechnungspreisstreitigkeiten zwischen den Staaten seit Jahren zu. Um diesem Missstand zumindest innerhalb der EU entgegenzuwirken, hat die Europäische Kommission am 12.09.2023 einen Entwurf einer Verrechnungspreisrichtlinie veröffentlicht. Erklärte Ziele des Richtlinienvorschlags sind, den Fremdvergleichsgrundsatz im EU-Recht zu etablieren und die Bestimmung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise durch verbindliche Regeln innerhalb der EU sowie einen verbindlichen Verweis auf die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien zu vereinfachen. Auf diese Weise erhofft sich die Kommission einen signifikanten Rückgang von Verrechnungspreisstreitigkeiten und eine deutliche Reduzierung der bislang ständig zunehmenden Verständigungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten.
Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, schlägt die Kommission neben der Kodifizierung des Fremdvergleichsgrundsatzes (Art. 3) eine EU-weit einheitliche Definition der „verbundenen Unternehmen“ vor, für die eine Verrechnungspreiskorrektur nach den Grundsätzen der Direktive in Frage kommt (Art. 5).
Besonders hervorzuheben ist, dass dem Steuerpflichtigen verbindlich die Möglichkeit eröffnet wird, eine Gegenberichtigung zur Beseitigung einer eingetretenen Doppelbesteuerung im anderen Staat auch außerhalb eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens zu beantragen (Art. 6). Voraussetzung für den Antrag ist die Vorlage entsprechender Nachweise. Bemerkenswert ist hierbei auch, dass der Mitgliedstaat innerhalb von 30 Tagen nach Antragstellung dem Steuerpflichtigen mitteilen muss, ob die nötigen Nachweise vorgelegt wurden oder innerhalb einer Minimum-Frist von 30 Tagen nachgebessert werden müssen. Liegen alle notwendigen Informationen vor, soll der Mitgliedstaat innerhalb von 180 Tagen über den Antrag entscheiden. Ein solches Verfahren kann im Grundsatz zu einer Beschleunigung bei der Auflösung von Doppelbesteuerungskonflikten durch Verrechnungspreisstreitigkeiten beitragen.
Nach dem Willen der Kommission sollen Jahresendanpassungen zur Sicherstellung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise von den Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen anzuerkennen sein (Art. 7). So ist z.B. Voraussetzung, dass sich der Steuerpflichtige unterjährig um angemessene Verrechnungspreise bemüht und Abweichungen der tatsächlichen Ergebnisse zu den Prognoserechnungen erklären kann. Der Entwurf enthält keine Hinweise zu einer Abstimmung dieser Regelung mit umsatz- oder zollrechtlichen Regelungen. Daneben enthält der Entwurf Regelungen zur Bestimmung bzw. Identifizierung der jeweils relevanten Geschäftsbeziehungen (Art. 8), regelt die anwendbaren Verrechnungspreismethoden (Art. 9) und enthält die Verpflichtung, die jeweils am besten geeignete Methode für die Fremdvergleichsprüfung heranzuziehen (Art. 10). Weiterhin enthält der Entwurf Regelungen zur Durchführung einer Vergleichbarkeitsanalyse (Art. 11) sowie die verbindliche Einführung der Interquartilsbandbreite (Art. 12). Soweit die tatsächlichen Ergebnisse des Steuerpflichtigen außerhalb der Interquartilsbandbreite liegen, soll – insoweit in Übereinstimmung mit den Regelungen in § 1 AStG – auf den Median anzupassen sein.
Auch der Umfang der Verrechnungspreisdokumentation wird im Direktiven-Vorschlag bestimmt (Art. 13). In diesem Zusammenhang soll die Kommission ermächtigt werden, den Mitgliedstaaten konkrete Vorgaben zu machen, auf welche Weise die Steuerpflichtigen ihre Dokumentationsanforderungen erfüllen können, z.B. durch Vorgabe von zu akzeptierenden Sprachen, gemeinsamen Templates und zu dokumentierenden Zeiträumen.
Schlussendlich verlangt der Richtlinienvorschlag von den Mitgliedstaaten, dass die nationalen Verrechnungspreisregelungen in Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien angewendet werden. Daneben soll der Europäische Rat auf Vorschlag der Europäischen Kommission ermächtigt werden, weitere Regelungen zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, u.a. im Bereich der immateriellen Wirtschaftsgüter, einschließlich der sogenannten Hard-to-Value Intangibles, bei Marketing- und Vertriebstätigkeiten, Kostenumlageverfahren, im Bereich der Funktionsverlagerung, bei Finanztransaktionen sowie bei Geschäftsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätten in Form von Durchführungsakten festlegen zu dürfen. Darüber hinaus kündigt der Entwurf die Einführung sogenannter Safe-Harbour-Regelungen an, um den Compliance-Aufwand auf ein verhältnismäßiges Maß zu reduzieren.
Die Mitgliedstaaten sollen die Richtlinie bis zum 31.12.2025 in nationales Recht umsetzen und erstmals ab dem 01.01.2026 anwenden. Wie beim BEFIT-Entwurf ist derzeit für die Verrechnungspreisrichtlinie noch nicht absehbar, ob die Mitgliedstaaten den Entwurf unterstützen und wann ggf. mit einer (einstimmigen) Entscheidung zu rechnen ist.
Hinzuweisen ist an dieser Stelle, dass der BEFIT-Entwurf eigenständige Verrechnungspreisregelungen vorsieht, sowohl für Transaktionen innerhalb der sog. BEFIT-Gruppe als auch für Transaktionen zwischen Unternehmen, die Teil der BEFIT-Gruppe sind, und verbundenen Unternehmen außerhalb der BEFIT-Gruppe (vgl. EY-Steuernachricht vom 14.09.2023).
Der Volltext des Entwurfs steht Ihnen auf der Internetseite der EU-Kommission zur Verfügung.
Direkt zum Richtlinienentwurf kommen Sie hier.