Mit einem Schreiben an die Verbände erläutert die Finanzverwaltung ihre Position nach der Neufassung des BMF Schreibens zur sog. Digital-AfA.
Mit BMF-Schreiben vom 22. Februar 2022 hatte die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben zur Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung vom 26. Februar 2021 angepasst. Nach dem BMF-Schreiben vom 26.02.2021 konnte für bestimmte Computerhardware (einschließlich der dazu gehörenden Peripheriegeräte) und Software eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden. Die steuerliche Fachwelt hatte die „Kann“-Formulierung dieser Nutzungsdauerregelung ganz überwiegend als steuerliches Wahlrecht interpretiert. In der angepassten Fassung dieses BMF-Schreibens vom 22.02.2022 führte die Finanzverwaltung u.a. klarstellend aus, dass die Annahme einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von genau einem Jahr weder eine Sofortabschreibung noch eine besondere Form der Abschreibung, noch eine neue Abschreibungsmethode, noch ein steuerliches Wahlrecht i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG darstellt (vgl. Steuernachrichten v. 23.02.2022).
Da die Aussagen des BMF-Schreibens vom 22.02.2022 zu weiteren Auslegungsfragen geführt hatten und insbesondere das Verhältnis zum Handelsbilanzansatz offenblieb, hatten die Verbände das BMF um weitere Klarstellung gebeten. Das BMF ist dieser Bitte mit seinem Antwortschreiben vom 26. April 2022 nachgekommen. Aus dem Antwortschreiben geht u.a. hervor, dass der Steuerpflichtige ohne weitere Verständigung mit der Finanzverwaltung Computerhard- und Software statt bisher über drei bzw. fünf Jahre nunmehr über ein Jahr abschreiben können soll. Dabei klingt an, dass die Finanzverwaltung es auch ohne steuerliches Wahlrecht bisher in der Praxis nicht beanstandet hat, wenn die betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern in Handels- und Steuerbilanz voneinander abwichen. Als Beispiel nennt die Finanzverwaltung ERP-Software (handelsbilanzielle Abschreibung meist über 8 und steuerbilanzielle Abschreibung (bisher) über 5 Jahre Nutzungsdauer).
Da das BMF als „Auswirkungen des BMF-Schreibens“ vom 22.02.2022 im Antwortschreiben an die Verbände ausdrücklich auch die Verkürzung der Nutzungsdauer bei ERP-Software von fünf auf ein Jahr nennt, könnte dies so verstanden werden, dass es sogar in diesen umfangreicheren Softwarefällen nicht beanstandet wird, wenn auch ohne steuerliches Wahlrecht die handelsbilanzielle Nutzungsdauer z.B. 8 Jahre beträgt und steuerbilanziell die einjährige Nutzungsdauer gewählt wird.
Auch wenn das Antwortscheiben des BMF an die Verbände kein formelles BMF-Schreiben darstellt und wohl nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird, dürfte ihm eine gewisse Bindungswirkung für das Verwaltungshandeln zukommen, insbesondere da es dem Vernehmen nach mit den Ländern abgestimmt ist. Zumindest dürfte darin u.E. ein Indiz für den Umgang der Verwaltung mit der Digital-AfA zu sehen sein.
Auch wenn sich also das künftige Verwaltungshandeln auf Basis der heute zugänglichen Informationen nicht verlässlich und rechtssicher vorhersagen lässt, ist das Antwortschreiben aus Sicht der Rechtsanwender zu begrüßen. Sollte es nämlich in einer späteren Betriebs- / Außenprüfung zu Diskussionen um die tatbestandliche Richtigkeit einer 12-monatigen steuerlichen Nutzungsdauer oder die Zulässigkeit einer abweichenden handelsrechtlichen Nutzungsdauer kommen, ist das aktuelle Antwortschreiben an die Verbände insoweit hilfreich, als dass die Finanzverwaltung darin schriftlich dokumentiert hat, dass ein Abweichen von Handels- und Steuerbilanz hinsichtlich der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer gängiger – von der Finanzverwaltung akzeptierter - Praxis entspricht. Demnach ist sich die Finanzverwaltung offenbar darüber bewusst, dass ERP-Software handelsrechtlich meist über einen deutlich längeren Zeitraum (z.B. 8 Jahre) abgeschrieben wird. Dennoch soll steuerbilanziell die einjährige Nutzungsdauer möglich sein und es wird betont, dass der Ansatz der einjährigen Nutzungsdauer ohne weitere Verständigung mit der Finanzverwaltung gewährt wird.