Landesamt für Steuern in Niedersachsen: Aussagen zur Bildung von Rückstellungen und Passivierung von Verbindlichkeiten in Bezug auf Überschusserlöse

Die Gaspreiskrise in Europa hat die Stromkosten in die Höhe getrieben. Viele Stromerzeuger haben dabei Überschusserlöse erzielt, die bei bestimmten Anlagen abgeschöpft werden. Zur steuerlichen Frage, wie die Abschöpfung in der Bilanz des Stromerzeugers auszuweisen ist, gibt das kürzlich erschienene Schreiben des Landesamts für Steuern in Niedersachen vom 05. Oktober 2023 Aufschluss. Darüber hinaus möchten wir kurz auf die Überarbeitung der bereits bekannten Schreiben des Landesamts für Steuern in Bezug auf die Bildung von Rückstellungen für Mehrerlösabschöpfungen in der Energiewirtschaft eingehen (Reaktion zum BFH-Urteil vom 6. Februar 2013, I R 62/11, BStBl II 2013 S. 954). 

1. Schreiben vom 05. Oktober 2023 des Landesamts für Steuern in Niedersachen (S 2137-St 224a/St221-2721/2023)

Zum Hintergrund: Durch das europäische Strommarktdesign ("merit-order") wird der Preis für den gesamten auf dem Markt verkauften Strom durch das teuerste in dem Moment genutzte Kraftwerk bestimmt. Viele andere Stromerzeuger, deren Produktionskosten niedriger sind, erzielen unerwartete Mehreinnahmen ("Überschusserlöse"). Die Überschusserlöse im Zeitraum vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. Juni 2023 werden aufgrund der sog. Strompreisbremse abgeschöpft und zur Entlastung der Verbraucher eingesetzt. Von dieser Regelung betroffen sind Betreiber von Stromerzeugungsanlagen, deren installierte Leistung 1 Megawatt (MW) übersteigt (vgl. § 13 Abs. 3 StromPBG). Sie sind verpflichtet, 90% der erwirtschafteten Überschusserlöse an den Netzbetreiber abzuführen, der diese Mittel zur Entlastung von Haushalten und Unternehmen mit hohen Strompreisen verwendet.

In diesem Zusammenhang klärt das oben erwähnte Schreiben, wie und wann der Ausweis von Überschusserlösen in der Bilanz der Stromerzeugungsanlage zu erfolgen hat. Hierbei wird zwischen der Passivierung einer (gewissen) Verbindlichkeit und der Bildung einer Rückstellung differenziert.

a) Passivierung einer (gewissen) Verbindlichkeit

Wenn sowohl die Gründe als auch die Höhe der Abschöpfung eindeutig sind, wird diese als Verbindlichkeit gegenüber dem Netzbetreiber ausgewiesen. Typischerweise tritt dies ein, wenn der Abschlussstichtag mit dem Ende eines Abrechnungszeitraums (31. März 2023 und 30. Juni 2023) zusammenfällt (zum Beispiel bei einem abweichenden Geschäftsjahr) oder bei Verzicht auf die Option, Absicherungsgeschäfte (Termingeschäfte zur Sicherung der Erlöse der Anlagenbetreiber) zu berücksichtigen.

b) Bildung einer Rückstellung für die Abschöpfung von Überschusserlösen

Existiert eine Unklarheit bezüglich des genauen Abschöpfungsbetrags, ist es erforderlich, eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 HGB zu bilden. Diese Situation tritt häufig ein, wenn die Option, Absicherungsgeschäfte gemäß § 17 des StromPBG zu berücksichtigen, ausgeübt wurde und diese Geschäfte noch während des aktuell laufenden Abrechnungszeitraums abgewickelt werden müssen.

Beispiel: Für den Abschöpfungsbetrag des ersten Abrechnungszeitraums vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. März 2023 ist auf den 31. Dezember 2022 (Bilanzstichtag, Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr) für den Teil des Abschöpfungsbetrags eine Rückstellung zu bilden, der auf den Zeitraum bis Ende Dezember 2022 entfällt. Der Abschöpfungsbetrag für Januar 2023 bis März 2023 ist periodengerecht erst im Jahr 2023 zu berücksichtigen.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Finanzverwaltung in beiden Fällen eine periodengerechte Erfassung der Verpflichtung zur Abführung der Überschusserlöse in der Steuerbilanz akzeptiert.

2. Schreiben vom 26. Oktober 2023 des Landesamts für Steuern in Niedersachen (S 2137-St 221/St224a-2815/2023)

Die bereits bekannten Schreiben vom 2. Mai 2012 (S 2137-138-St 222/St 221) und vom 1. Dezember 2014 (S 2137-138-St 222/St 221) des Landesamts für Steuern in Niedersachen zur Bildung von Rückstellungen für Mehrerlösabschöpfungen in der Energiewirtschaft (Reaktion zum BFH-Urteil vom 6. Februar 2013, I R 62/11, BStBl II 2013 S. 954) wurden durch ein aktualisiertes Schreiben vom 26. September 2023 (S 2137-St 221/St 224a-2815/2023) ersetzt.

Sämtliche Aussagen sind hierbei grundsätzlich unverändert. Lediglich bei der Bewertung der Rückstellung für Verrechnungsverpflichtungen wird klargestellt, dass auch zukünftige Vorteile nach der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe c) EStG bei der Höhe der Rückstellung wertmindernd berücksichtigt werden. Das soll nach Auffassung der Finanzverwaltung auch dann gelten, wenn diese erst in Jahren ausgeglichen werden, in denen die der Rückstellung zugrunde liegende Verpflichtung bereits erfüllt wurde (periodenübergreifende Saldierung). 

Die ARegV ist ein zentrales Instrument der Regulierung von Netzentgelten in Deutschland. Mehr- bzw. Mindererlöse im Sinne der Anreizregulierungsverordnung, die im sogenannten Regulierungskonto jahresweise festgestellt werden, beziehen sich auf die Differenz zwischen den tatsächlich erzielten Erlösen der Netzunternehmen und den Erlösen, die sie laut der regulierten Erlösobergrenze erzielen dürfen. Wenn ein Netzbetreiber also weniger Erlöse erzielt, als er nach der ARegV verlangen könnte, spricht man von Mindererlösen. Ein wichtiger Aspekt bei der Behandlung von Mindererlösen ist, dass diese in der Regel durch höhere Netzentgelte in zukünftigen Regulierungsperioden ausgeglichen werden dürfen. Kann ein Netzbetreiber aufgrund von Mindererlösen in den Folgejahren höhere Netzentgelte verlangen, so wird dieser zukünftige Anspruch aus dem Regulierungskonto nicht aktiviert (kein Wirtschaftsgut). Allerdings ist er nach Auffassung der Finanzverwaltung in anderen Jahren bei der Berechnung der Rückstellung für das Regulierungskonto zum Abzug zu bringen. Damit stellt sich das Landesamt für Steuern klar gegen eine isolierte Betrachtung nach Jahresscheiben. 

Fazit

Sowohl die unter 1 als auch unter 2 oben ausgeführten Schreiben des Landesamts für Steuern in Niedersachsen enthalten keine überraschenden Aussagen und sind daher von Seiten der Finanzverwaltung eher als klarstellende Richtschnur zu verstehen. Dennoch gilt es diese bei der Bildung von Passivposten zu kennen und etwaige abweichende Rechtsauffassungen (sofern vorhanden) in den Steuererklärungen offen zu legen. Gerne stehen wir Ihnen in Zweifelsfragen zur Verfügung und werden Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten!

Autor/innen: StB Sebastian Heuser, StB Judith Reckart