- Gesamtumsatz der Top-Computerspiel-Konzerne der Welt steigt auf 138 Milliarden (plus 6,2 Prozent)
- Profitabilität sinkt auf 11,6 Prozent
- Top-Konzerne sind 724 Milliarden Euro (minus 3,3 Prozent) wert: Kursentwicklung stabilisiert sich nach Einbruch im Vorjahr
- Erste Anzeichen für Marktbereinigung? Zahlreiche Entlassungen bei Publishern und Plattformherstellern
Die Computerspielbranche zeigt sich aktuell ambivalent wie selten zuvor – und steht vor einem herausfordernden Jahr 2024. Auf der einen Seite wächst der Gamingmarkt weiter – wenn auch nicht mehr so stark wie zu Pandemiezeiten. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Umsatz der 32 umsatzstärksten Spieleunternehmen der Welt um 6,2 Prozent. Das Wachstum liegt damit etwas höher als im Vorjahr (5,4 Prozent), aber niedrigerer als 2021 (plus 12,9 Prozent) und 2020 (27,1 Prozent). Vor allem die Plattformanbieter (plus 12 Prozent) Microsoft, Nintendo und Sony sowie die US-amerikanischen Publisher (9,8 Prozent) legten im Vergleich zum Vorjahresquartal deutlich zu. Japanische Spieleentwickler (3,5 Prozent) und Anbieter aus dem Rest Asiens (1,9 Prozent) wuchsen dagegen nur leicht. Bei Europas Gamingpublishern ging der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr um 2,2 Prozent zurück.
So unterschiedlich die Umsatzentwicklungen, so ambivalent ist auch die Entwicklung der Beschäftigten Seit Monaten nehmen Nachrichten von Entlassungswellen in der Branche kein Ende, allein die größten Unternehmen stellten im Jahr 2023 mindestens 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frei – und das nach Jahren des ständigen Zuwachses. Da zudem nicht alle Freistellungen veröffentlicht werden, dürfte die Zahl insgesamt noch höher liegen. Unter den großen Studios, Publishern und Plattformherstellern setzten vor allem US-Unternehmen bei den eigenen Angestellten den Rotstift an: Knapp jede zweite Entlassung (48 Prozent) betraf Konzerne aus den USA. Europäische Publisher waren für mehr als jede dritte Freistellung (37 Prozent) verantwortlich. Maßnahmen, die erste Anzeichen für eine Bereinigung des Marktes und der Branche sein können, die wie kaum eine andere während der Pandemie boomte.
Das sind Ergebnisse einer Analyse der Finanzkennzahlen der 32 nach Marktkapitalisierung am höchsten bewerteten Unternehmen der Computerspieleindustrie der Welt, die EY Parthenon erstellt. EY Parthenon ist die Strategieberatung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY.
Jens Weber, Partner TMT bei EY-Parthenon: „Die Geschäftszahlen der Gaminggrößen sehen auf den ersten Blick gut aus, die gleichzeitigen Entlassungswellen zeugen aber vom Druck, dem die großen Spieleschmieden und kleinen Studios gleichermaßen ausgesetzt sind. Letztere müssen sich gegen eine große Masse an Konkurrenten durchsetzen. Mit dem richtigen Konzept konnten in der jüngeren Vergangenheit einige kleine Studios allerdings beachtliche Erfolge erzielen und den großen Publishern deutlich die Stirn bieten.“
Diese wiederum stehen vor der Herausforderung, eine inzwischen grafik- und technikverwöhnte Zielgruppe mit immer neuen und möglichst innovativen Blockbustertiteln zu versorgen, so Weber: „Diese Spiele, deren Entwicklungskosten in den vergangenen Jahren geradezu explodiert sind, werden immer häufiger kritisch beäugt.“ Aus diesem Grund setzten die Publisher lieber auf bewährte Konzepte sowie Fortsetzungen oder Neuauflagen erfolgreicher Spiele.
Doch nicht nur deshalb brodelt es in der Gaming-Community. Auch die so genannten Mikrotransaktionen innerhalb der Spiele sorgen für Unmut. Weber: „Die Unternehmen der Branche generieren, beispielsweise durch glückspielähnliche Boxen, die zufällige Hilfsmittel für die digitalen Helden erzeugen oder schnelleren Spielfortschritt, zwar große Zusatzeinnahmen. Diese Praxis stößt aber nicht nur bei Spielern sondern auch staatlichen Stellen auf Widerspruch – gerade bei Vollpreistiteln.“ 60 bis 70 Euro für ein Spiel bezahlen, dann aber noch mehr Geld investieren zu müssen, um beispielsweise gegen andere Spieler im Netzwerk bestehen zu können, wollen die Kunden nicht, so Weber, einige würden aber trotzdem in den sauren Apfel beißen: „Die Spielehersteller bewegen sich hier, was die Gunst der Kundschaft angeht, auf einem sehr schmalen Grat.“
Profitabilität sinkt, Kursentwicklung stabilisiert sich
Die Profitabilität der Top-Spielehersteller sank im Vergleich zum Jahr 2022 von 17,1 auf 11,6 Prozent – bleibt damit aber insgesamt auf einem hohen Niveau. Die Marktkapitalisierung der größten Computerspielhersteller lag im Jahr 2023 bei 724 Milliarden Euro – ein Minus von 3,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Eine Stabilisierung im Vergleich zu 2021/22, als dieser Wert um 31,2 Prozent eingebrochen war – von 1,1 Billionen Euro auf 749 Milliarden Euro. Getrieben wurde die Stabilisierung vor allem durch den gestiegenen Börsenwert der Plattformhersteller (plus 20,4 Prozent) und von Herstellern aus den USA (plus 31,2 Prozent). Unternehmen aus Europa sind dagegen 14,8 Prozent weniger wert als noch im Jahr zuvor. Auch bei Unternehmen aus Japan (minus 15,7 Prozent), Südkorea (minus 19,3 Prozent) und dem Rest Asiens (minus 12,3 Prozent) sank die Marktkapitalisierung.
Weber: „Der Gamingmarkt insgesamt wächst weiter – sowohl was Umsatz auch die Kundschaft angeht. Der Strom an jungen Gamern – und auch Gamerinnen – nimmt zu. Darüber hinaus bleiben auch immer mehr ältere Spielerinnen und Spieler an Konsole, PC und Handy ,hängen‘ – oder entdecken das Medium Computerspiel wieder neu für sich.“ Grundsätzlich seien Computerspiele in den Mainstream gewandert, dies zeigen auf Gamingtiteln basierende, erfolgreiche Spielfilme und Serien – wie zuletzt „Mario Movie“ und „Fallout“. Großen Anteil hat hieran hat auch das Mobile Gaming, wo nicht länger nur kurzweilige, bunte Games gespielt, sondern inzwischen alle Altersgruppen und Genres bedient werden – durchaus auch mit AAA-Titeln. Diese Entwicklung stoße, gerade bei Spielerinnen und Spieler der alten Schule, nicht nur auf Gegenliebe. Es sei aber aus Sicht der Hersteller nur logisch immer mehr Titel auch Smartphone kompatibel zu denken und zu entwickeln, so Weber: „Nicht zuletzt durch die Möglichkeiten des Cloudgamings wachsen die technischen Möglichkeiten, was wiederum auch zu einem höheren Interesse der Spielerinnen und Spieler führt. Auch die Smartphones selbst werden immer leistungsfähiger und sind so weit verbreitet wie noch nie. Weltweit besitzt mehr als jeder zweite ein solches Handy. Die Bedeutung des mobilen Spielens wird weiter steigen.“
Zahl der Übernahmen bricht ein
Zurück ging dagegen die Zahl der Akquisitionen – trotz der Rekordübernahme von Activision Blizzard durch Microsoft. Die M&A-Aktivitäten der analysierten Unternehmen sanken von 48 im Jahr 2022 auf 36 im vergangenen Jahr. Trotzdem zeichnet sich die weltweite Gaming-Branche weiter durch ihre Fragmentierung aus. Neben den für die EY-Analyse untersuchten Großunternehmen besetzen zahlreiche kleinere Anbieter teils äußerst lukrative Nischen. Weber sagt aber auch: „Die allgemeinen Herausforderungen der Tech-Branche gelten auch für die Gaming-Anbieter“, so Weber, der ergänzt, dass die Branche jedoch trotz aller Schwankungen dynamisch und vielversprechend bleibe: „Der Pandemie-Boom hat viel Geld in die Kassen der Unternehmen gespült. Geld, das in die Entwicklung neuer Titel und Technologien gesteckt wurde und wird. So gibt es beispielsweise zwar erste Ansätze mithilfe Künstlicher Intelligenz sowohl das Programmieren selbst als auch das Spieleerlebnis zu verbessern. Das Ende der Möglichkeiten ist hier aber nicht abzusehen, die nötigen Investitionen sind allerdings auf der anderen Seite wiederum auch eine große Herausforderung – gerade für kleine Studios.“