Illustration: Apotheker reicht einem Kunden ein Medikament

Parallelimporte – Worum es den Pharmavertriebsgesellschaften geht

Verwandte Themen

Ein schwieriges Thema für Pharmavertriebsgesellschaften in Betriebsprüfungen. Worum es geht.

Parallelimporte sind für Pharmakonzerne und insbesondere für ihre deutschen Vertriebsgesellschaften ein geschäftliches und auch steuerliches Ärgernis. Dabei kaufen unabhängige Großhändler Medikamente bei einer Vertriebsgesellschaft in einem anderen EU- bzw. EWR-Land mit niedrigerem Preisniveau und importieren sie nach Deutschland. In die Röhre schaut vor allem die hiesige Vertriebsgesellschaft des Pharmakonzerns, die viel Marketing betreibt, aber den Absatz mit den Parallelimporteuren teilen muss – wovon wiederum auch die ausländischen Vertriebsgesellschaften profitieren, bei denen sich die Parallelimporteure eindecken. Letzterer Punkt stößt Finanzbeamten regelmäßig übel auf. Sie meinen, dass ein Teil der inländischen Marketingtätigkeiten von ausländischen Konzerngesellschaften zusätzlich vergütet werden müsste, da diese Aktivitäten den Absatz der Produkte im Ausland fördern.

Junge Apothekerin, die Medikamente aus der Schublade nimmt
© getty images / mego.picturae

Auffassung der Finanzverwaltung

 

Im Kontext des Fremdvergleichsgrundsatzes postuliert die Finanzverwaltung, dass sich die deutsche Vertriebsgesellschaft, wäre sie ein unverbundenes Unternehmen, einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusichern lassen würde. Offen lässt die Finanzverwaltung indes, gegenüber wem die deutsche Vertriebsgesellschaft ihren Anspruch begründen könnte – gegenüber der Konzernmutter oder gegenüber der ausländischen Schwestervertriebsgesellschaft? Gleichwohl wird eine verdeckte Gewinnausschüttung bei der deutschen Vertriebsgesellschaft unterstellt, da vertraglich kein Ausgleichsanspruch gegenüber anderen Konzerngesellschaften vereinbart wurde.

 

Unklare Leistungsbeziehungen

 

Allerdings sind Parallelimporte weder im Interesse einer deutschen Vertriebsgesellschaft noch eines Pharmakonzerns und auch nicht von ihnen gewollt. Und selbst wenn Parallelimporte nicht existierten, würde die Vertriebsgesellschaft in gleichem Umfang Marketing betreiben und die gleichen Kosten tragen. Ferner wird die Vertriebsgesellschaft nicht von den ausländischen Vertriebsschwestern mit Marketingtätigkeiten beauftragt, sodass es regelmäßig an einer konzerninternen Leistungsbeziehung zwischen den Vertriebsgesellschaften mangelt. Folglich liegen die Tatbestandsvoraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung in Parallelimportsachverhalten grundsätzlich nicht vor.

Finanzgericht hat entschieden

Ein Pharmakonzern, der sich wiederholt mit dem Vorwurf der verdeckten Gewinnausschüttung im Zusammenhang mit Parallelimporten konfrontiert sah, wollte keine weitere Korrektur seiner Verrechnungspreise hinnehmen und reichte vor einem Finanzgericht Klage gegen die von der Betriebsprüfung korrigierten Steuerbescheide ein. Das Gericht entschied daraufhin, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach nicht vorliegen. Insbesondere mangelt es nach Ansicht der Finanzrichter an der notwendigen Veranlassung durch das Gesellschafterverhältnis, da die eingetretene Vermögensminderung durch einen Wettbewerber (Parallelimporteur) verursacht wurde. Außerdem erkannte das FG an, dass die deutsche Vertriebsgesellschaft einen Ausgleichsanspruch gegenüber der Konzernmutter nicht hätte durchsetzen können und dass solche Vereinbarungen auch unter fremden Dritten nicht branchenüblich seien. Darüber hinaus bleibt die Finanzverwaltung nach Ansicht der Richter einen Nachweis schuldig, dass die von der deutschen Vertriebsgesellschaft erzielte und als fremdüblich anerkannte Vergütung nicht bereits die Existenz der Parallelimporte angemessen berücksichtigt.

Revision eingelegt

Da es sich bei dem verhandelten Sachverhalt um eine bisher ungeklärte Rechtsfrage mit großer wirtschaftlicher Bedeutung handelt, wurde die Revision zugelassen. Diese hat die Finanzverwaltung in der Zwischenzeit auch eingelegt. Mit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes ist spätestens im Laufe des Jahres 2023 zu rechnen. Die höchstrichterliche Entscheidung dieses seit fast zwei Jahrzehnten kontrovers diskutierten Themas wird mit großer Spannung erwartet

Co-Autor: Patrick Kokoscha

Fazit

Parallelimporte von Medikamenten werden von deutschen und europäischen Gesetzen nicht nur geduldet, sondern sind sogar explizit vorgesehen, um die Kosten des Gesundheitswesens zu reduzieren. In Deutschland ist in diesem Zusammenhang insbesondere die „Importförderklausel“ des SGB V zu nennen, die eine Import-(Abgabe-)Quote in Höhe von mindestens 5 Prozent formuliert. Des Weiteren werden Apotheken verpflichtet, Importarzneimittel an Kunden abzugeben, sofern diese deutlich günstiger als deutsche Original-Arzneimittel (sog. Preisabstandsklausel) sind. 

Mehr zum Thema

Welche internationalen Fallstricke bei der Altersvorsorge zu beachten sind

Wer im In- und Ausland tätig ist, sollte sich über Steuereffekte bei betrieblichen Direktzusagen und mittelbaren Versorgungszusagen informieren.

Wie man durch Allianzen einen besonderen Mehrwert schaffen kann

EY kooperiert mit SAP, um steuerliches Fachwissen mit technischer Expertise zu verknüpfen.

Wie die Finanzverwaltung die Lizenzschranke in der Praxis auslegt

Wie die Finanzverwaltung die Lizenzschranke in der Praxis auslegt

    Über diesen Artikel