Dazu gehört es, die verschiedenen Hilfsmaßnahmen aus Berlin und Brüssel genau auf mögliche Hilfen zu prüfen und mit Zollbehörden und Finanzämtern Vereinbarungen für steuerliche Entlastung zu treffen. Es gibt verschiedene Maßnahmen zur Liquiditätssicherung. In der Folge gehen wir auf einige naheliegende Handlungsmöglichkeiten und deren steuerliche Rahmenbedingungen ein.
Vorauszahlungen an den Zoll
Stromversorger und angemeldete Erdgaslieferanten sollten prüfen, ob sich die Bemessungsgrundlage für die monatlichen Energie- und Stromsteuervorauszahlungen an den Zoll geändert hat. Sollte dies der Fall sein, empfehlen wir die Kontaktaufnahme zum zuständigen Hauptzollamt, um eine unterjährige Anpassung der Vorauszahlungen abzustimmen. Für produzierende Unternehmen mit hohem Verbrauch an Strom oder Energieerzeugnissen kann es erstrebenswert sein, als Stromversorger bzw. Erdgaslieferant zu fungieren, da hierdurch Cashflow-Optimierungen durch die Verrechnung von Steuererstattung mit Steuerlasten möglich sind.
Verbrauchsteuerentlastungen
Des Weiteren ist zu prüfen, ob für betriebliche Prozesse die Inanspruchnahme von Energie- und Stromsteuerentlastungen möglich ist. Für das produzierende Gewerbe, aber auch für besondere Prozesse (z. B. Elektrolyse, Glasherstellung) und das Betreiben von Blockheizkraftwerken sieht das Energie- und Stromsteuerrecht diverse Möglichkeiten vor, die Beschaffungskosten zu reduzieren. Falls Unternehmen bereits Steuerentlastungen in Anspruch nehmen und diese jährlich beantragen, kann auch auf eine quartalsweise oder halbjährliche Entlastung umgestellt werden. Wichtig ist es, sich unverzüglich beim zuständigen Hauptzollamt zu melden. Den Zollbehörden steht eine Reihe von Billigkeitsmaßnahmen zur Verfügung, um im Rahmen von Ermessensentscheidungen etwa die Stundung von Steuerzahlungen und Vollstreckungsaufschub zu erlauben. Dazu teilte der Zoll im Oktober 2022 auf seiner Internetseite mit, dass er für nicht unerheblich wirtschaftlich betroffene Unternehmen angemessene und sachgerechte Entscheidungen treffen werde.
Stundung von Zinsen/Zinsfreistellung
Bei der Stundung wird die Fälligkeit der Zinsen aus konzerninternen oder auch externen Finanzierungen hinausgeschoben. Werden die gestundeten Zinsen selbst nicht verzinst oder wird eine Zinsfreistellung über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten vereinbart, ist zu beachten, dass aus der dann erforderlichen Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit ein steuerlicher Gewinn resultiert. Dieses Instrument lässt sich damit gezielt steuerlich nutzen, wobei es jedoch die Gesetzesänderung aus dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz zu berücksichtigen gilt, die einen Wegfall der Abzinsung unverzinslicher Verbindlichkeiten ab 2023 anordnet. Die steuerliche Abzinsung kann aber durch den Abschluss eines niedrig verzinsten Darlehens verhindert werden. Im Einzelfall kann die steuerliche Abzinsung durchaus vorteilhaft sein, wenn der Abzinsungsgewinn mit laufenden Verlusten verrechnet werden kann – und in Folgejahren erfolgt dann die Aufzinsung der Verbindlichkeit mit laufenden Gewinnen.
Factoring
Beim Factoring verkauft die operative Gesellschaft (OpCo) ihre Kundenforderungen gegen einen Abschlag an ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut (Factor) und kann dadurch vorzeitig und sicher liquide Mittel generieren. Geht das Ausfallrisiko der Forderung auf den Dienstleister über, liegt ein echtes Factoring vor. Im Zeitpunkt der Abtretung ist die Forderung bilanziell auszubuchen und der vereinbarte Abschlag auf den Nennwert als Aufwand zu erfassen. Kann der Factor die OpCo im Fall eines Forderungsausfalls in Regress nehmen, ist das Geschäft als bloße Kreditvergabe durch den Factor zu behandeln (unechtes Factoring). Die Abtretung ist bilanziell als Verbindlichkeit gegenüber dem Factor zu erfassen und eine aktive Abgrenzung des Abschlags vorzunehmen. Typischerweise enthält der vereinbarte Abschlag diverse Komponenten (z. B. Vergütung für die Übernahme des Delkredere-Risikos, marktübliche Verzinsung und eine Gebühr für den Forderungseinzug). Sofern der Abschlag auf den Finanzierungsanteil entfällt, ist dieser gewerbesteuerlich nur zu 75 Prozent abzugsfähig. Aufgrund der Komplexität ist es zu empfehlen, die umsatzsteuerliche Würdigung und Abrechnung zwischen den Factoring-Parteien im Vorhinein detailliert abzustimmen. Insbesondere gilt es sicherzustellen, dass sich keine negativen Liquiditätsauswirkungen – z. B. durch Einschränkung des Vorsteuerabzugs – ergeben.
Rechtliche Separierung von Wirtschaftsgütern (Operating Asset Securitization)
Können (neue) Kreditmittel schwer oder nur zu hohen Zinssätzen beschafft werden, kann die rechtliche Separierung von Wirtschaftsgütern im Rahmen von „Operating Asset Security“-Strukturen eine Lösung bieten. Für diese Struktur sind besonders Handelswaren mit einer hohen Lagerumschlagshäufigkeit geeignet. Bei weniger marktgängigen Wirtschaftsgütern ist mit schlechteren Konditionen (höherem Zinssatz und/oder Abschlag auf den Marktwert der Sicherungsgüter) vonseiten der Kreditinstitute zu rechnen. Auch dabei sollte man sich die steuerlichen Folgen und Optimierungsmöglichkeiten (z. B. hinsichtlich Zinsschranke, Gewerbesteuer oder Quellensteuereinbehalt) möglichst noch im Vorfeld ansehen.
Besicherung von Handelswaren (Sale and Purchase of Assets)
Hier erwirbt eine unabhängige Gesellschaft mit Fremdkapital die gesamten Handelswaren der in Deutschland ansässigen OpCo unter Berücksichtigung eines angemessenen fremdüblichen Abschlags. Die OpCo nutzt die freien Mittel für die Rückzahlung bestehender Darlehensverbindlichkeiten. Die unabhängige Gesellschaft als neuer zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Handelswaren wird zur Sicherstellung der insolvenzfesten Trennung der Vermögen indirekt durch eine ausländische Stiftung gehalten. Die unabhängige Gesellschaft übernimmt die Aufgaben einer Einkaufsgesellschaft und greift dabei auf die Expertise der OpCo zurück. Werden Waren an Dritte verkauft, veräußert die unabhängige Gesellschaft diese innerhalb einer juristischen Sekunde über eine OpCo an den Kunden (Flash Sale). Die erzielten Erlöse nutzt die unabhängige Gesellschaft zum Schuldendienst und zum Einkauf neuer Handelswaren.
Aufgrund der insolvenzfesten Trennung der besicherten Wirtschaftsgüter von den operativen Risiken der OpCo können diese bei der Verhandlung der Finanzierungskonditionen grundsätzlich vollkommen isoliert bewertet werden. Die unabhängige Gesellschaft kann daher regelmäßig deutlich niedrigere Zinsen und längere Laufzeiten vereinbaren, insbesondere bei hoher Lagerumschlagshäufigkeit der Handelsware. Die operative Gesellschaft wird von Schulden entlastet und gewinnt neue Liquiditätsspielräume. Allerdings sind verschiedene steuerliche Fragen zu klären.
Sale and Leaseback
Als weiteres Instrument der Liquiditätsbeschaffung bieten sich Sale-and-Leaseback-Strukturen an. Dabei wird das zivilrechtliche Eigentum an Sachanlagevermögen auf einen Leasinggeber übertragen und dem Unternehmer (Leasingnehmer) zur Nutzung überlassen. Auch diese Strukturen können insolvenzfest strukturiert werden. Soll die Sale-and-Leaseback-Struktur zur Ergebnisverbesserung oder Nutzung laufender steuerlicher Verluste verwendet werden, muss der Vertrag so ausgestaltet sein, dass der Leasinggeber wirtschaftlicher Eigentümer wird, also ein echter Verkauf stattfindet. Sofern die laufenden Verluste der OpCo den Einmalgewinn aus dem Verkauf nicht ausgleichen können, sind bei der Nutzung eventueller steuerlicher Verlustvorträge die Folgen der Mindestbesteuerung zu beachten. Auch wird im Regelfall Umsatzsteuer ausgelöst.
Wird hingegen kein wirtschaftliches Eigentum übertragen, wird für umsatzsteuerliche Zwecke in der Regel keine Lieferung und anschließende Rücküberlassung angenommen, sondern lediglich eine Darlehensgewährung des Käufers an den Verkäufer, die steuerfrei ist. In diesem Fall gilt es sicherzustellen, dass es zu keiner ungewünschten Einschränkung der Liquidität kommt, etwa durch eine Beschränkung des Vorsteuerabzugs. Bleibt das wirtschaftliche Eigentum beim Leasingnehmer, müssen zudem keine stillen Reserven aufgedeckt werden.
Ergebnisse glätten
Während die einen Unternehmen unter den Energiekosten leiden, können sich andere Branchen über hohe Gewinne freuen. Diese stehen derzeit politisch dergestalt im Fokus, dass eine Gewinnabschöpfung durch eine Übergewinnsteuer droht. Da sich diese Unternehmen häufig durch internationale Lieferketten auszeichnen, stellt sich auch vor dem Hintergrund einer Übergewinnsteuer die Frage, inwieweit die Wertschöpfung in Deutschland anfällt oder welche steuerlich anerkannten Gestaltungsoptionen in Betracht kommen. Ebenso ist zu prüfen, inwieweit durch die Begründung von Organschaften oder Vorwegnahme von Betriebsausgaben im Inland die steuerliche Bemessungsgrundlage gesenkt werden kann.